You’ve come a long way, Grüner

KiKA-Sommerinterviews ZDF-Kinderreporter treffen die führenden Köpfe der Bundestagsparteien. Nassforsch geht es dabei nicht einmal im Freibad zu
Ausgabe 30/2016

Kinderreporter tragen gelbe T-Shirts, sind neun bis elf Jahre alt, halten in der Reihe Sommerinterview. Kinderreporter treffen Spitzenpolitiker führenden Köpfen der Bundestagsparteien eisbechergroße Mikrofone unter die Nase und fordern sie anschließend auf, im Freibad gemeinsam vom Dreier zu springen. Sommerinterviews sind das Gegenteil von Winterinterviews. Das legendärste Winterinterview führte Kermit der Frosch für die Sesamstraße, es ging darum, dem Gerücht nachzugehen, schon lange würde jemand im Schnee stehen. Diese Person also suchte Kermit im Schneegestöber und befragte Passanten. Am Ende war er es selbst, der schon lange im Schnee stand, und ein Witzbold outete sich als Quelle des Gerüchts.

Den Ort der Sommerinterviews der logo!-Kindernachrichten durften die Politikerinnen und Politiker selbst festlegen, er musste nur in der eigenen Kindheit eine Rolle gespielt haben. Keine schmerzhafte, aber doch scheinen die von Cem Özdemir, Katja Kipping, Katarina Barley, Peter Tauber und Angelika Niebler ausgesuchten Orte einen gewissen Einfluss im Individuationsprozess zum Berufspolitiker gehabt zu haben. Die Burg Hohenurach in Baden-Württemberg beispielsweise gab dem selbsternannten Schulfaulenzer Cem die Gelegenheit, von einem Leben als Ritter oder Schaffner zu träumen. You’ve come a long way, Grüner. Er duzt Frau Merkel übrigens nicht, diese Info bohrte Kinderreporterin Mia aus Özdemir heraus, und Frau Merkel duzt ihn auch nicht.

Klein-Peter Tauber, der später bei der CDU was wurde, wechselte als Ferienkind zwischen Tennisplatz und Freibad im hessischen Wächtersbach hin und her; mit Kinderreporter Florian vom Dreier zu springen aber traut er sich trotz floral bedruckter Bermudashorts nicht, sein Mut reicht nur für den Einer. Er darf aufsagen, was die Regierung in den letzten zehn Jahren für Kinder gesetzlich verbesserte, die Kinderarmut in Deutschland aber ist kein Thema, obwohl er betont, Deutschland sei ein reiches Land. In der Anmoderation wird erwähnt, Tauber sei „nicht verheiratet“ und habe „keine Kinder“. Derartig heteronormativer Weltenbau sollte beizeiten in der Kinderreporterkonferenz problematisiert werden.

Dass Katja Kipping das Karl-May-Museum von Radebeul liebt, wirft ein schönes Licht auf die rothaarige Linke. Was man mit Fantasterei alles erreichen kann, ist allerdings nicht das, was Kipping an Karl May fasziniert, sie liebt die Indianer, und vor einem weißen Tipi stehend erklärt sie den Kindern, dass man sich „auch einbringen“ kann, wenn man die Bundestagsabgeordneten des eigenen Wahlkreises besucht und ihnen sagt, welche Veränderungen man sich wünscht.

Katarina Barley von der SPD hat als Kind Unterschriften für einen neuen Spielplatz in Köln gesammelt, auf diesem begrüßt sie Kinderreporterin Lara. Ihr erzählt Barley, dass es „bis vor relativ kurzer Zeit“ keine Untergrenze für Lohn gab, „man konnte so schlecht bezahlen, wie man wollte“. Dass schlechte Bezahlung mittlerweile einen Namen hat – achtfünfzig –, ist ein Fortschritt, Lara. Wer Kinderreporter werden möchte darf sich bei ZDF tivi, logo!-Kinderreporter, 55100 Mainz mit einer eigenen DVD bewerben, „wichtig ist, dass euer Bewerbungsvideo nicht zu viele Schnitte enthält“. Also macht bitte keine krasse Sachen.

Info

logo!-Sommerinterviews Bis 21. August, sonntags um 19.50 Uhr im KiKA, Kinderkanal von ARD und ZDF

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Geschrieben von

Sarah Khan

Jg.71, Autorin, Gespenster-Reporterin, Michael-Althen Preisträgerin, aufgewachsen zwischen Protestanten u Pakistanern in Hamburg

Sarah Khan

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