Antikapitalismus will gelernt sein

Klimakrise FridaysForFuture begann mit unterschiedlichsten Menschen und wuchs schnell. Jetzt ist es Zeit, sich grundlegender zu positionieren – und das muss antikapitalistisch sein.

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In einem Jahr kann viel passieren. So viel Zeit ist vergangen, seit Greta Thunberg ihren Schulstreik begann, der bald international aufgenommen wurde. Von Stockholm aus verbreitete sich die Idee auch in Deutschland, erste Proteste wurden organisiert, erste Demos veranstaltet, die mit der Zeit immer mehr und immer größer wurden. Die Protestbewegung ist schnell gewachsen, in ihr fanden sich von Beginn an unterschiedlichste Personen mit unterschiedlichsten Einstellungen – und das war gut so.

Der bunte und zunächst lose vernetzte Haufen Schüler*innen schaffte es erstaunlich schnell, erste Strukturen zu finden, sich über WhatsApp zu organisieren und deutschlandweite Netze zu spannen. Wie wenige Protestbewegungen vor ihnen zeigten sie die Kraft neuer Medien und Netzwerke, die diese für politischen Protest und soziale Bewegungen bieten können. Sie schafften es schnell, viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und in den Medien diskutiert, mit Lob überschüttet und beachtet zu werden.

Und das ist gut so. Das Thema musste zuallererst wieder auf die Agenda, denn wie Greta sagte: Unser Haus brennt. Wir müssen in Panik geraten, und ihr gefälligst auch. Mit dem Ziel, so viel Druck aufzubauen, dass die Politik endlich reagieren musste – Act Now –, war zu wachsen und gesehen zu werden zunächst das allerwichtigste. Die Bewegung musste genug Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und genug Motivation bei potenziellen und bereits sich anschließenden Aktivisti*innen erreichen, um nicht nach dem ersten Hindernis wieder unter zu gehen. Und das hat sie.

Entgegen aller Erwartungen von Kritiker*innen und Gegner*innen, vielleicht auch mancher skeptischer Beobachtenden, hat die Bewegung den Sommer überlebt, weitergestreikt, sich gesammelt und neue sowie größere Schritte angekündigt. Entgegen aller Erwartungen haben die jungen Menschen nicht das Interesse verloren, sie wissen immer noch, unser Haus brennt, wir haben allen Grund dazu, Panik zu haben. Und diese Panik in Aktivismus, Druck und Ausdauer umzuwandeln.

Eine Positionierung muss her und sie muss radikaler sein

Jetzt braucht es aber eine grundlegendere Diskussion um die Ausrichtung der Bewegung. Und die läuft gerade. Sie läuft innerhalb der Ortgruppen schon länger und innerhalb der Gesamtbewegung spätestens seit diesem Sommer. Das ist gut und wichtig, denn ähnliche und Partnerorganisationen wie Ende Gelände, die es schon – z.T. viel – länger gibt, haben ihren Grundkonsens lange gefunden. Klimaziele basierend auf wissenschaftlichen Fakten waren ein guter erster Schritt – grundlegendere Veränderungsanspräche müssen folgen.

Greta hat es schon lange vorgemacht. Sie forderte, dass die Spielregeln dieser Welt sich ändern müssen, denn mit den derzeitigen Regeln ist eine so radikale Veränderung, wie sie zum Verhindern der Klimakatastrophe nötig ist, nicht möglich. Schon vorher ist ihr klar, dass es systemische Veränderungen braucht, dass Verursacher der Krise nicht vornehmlich wir alle, sondern wenige große Unternehmen und die Strukturen sind, in denen diese handeln und zerstören.

FridaysForFuture muss systemischer denken. Die Bewegung muss sich antikapitalistisch positionieren, weil grüner Kapitalismus nicht möglich ist, weil Kapitalismus unsere Umwelt zerstört. Er ist maßgeblich für den Klimawandel verantwortlich. Denn Kapitalismus muss wachsen, weil die Unternehmen dort in ständiger Konkurrenz um mehr Profit stehen. Wachstum aber zerstört unsere Lebensgrundlagen, denn unsere Ressourcen sind endlich. Nachhaltiges Wirtschaften funktioniert also nicht im Kapitalismus.

Das aber will gelernt sein. Kapitalismus, seine Funktionsweise und deren Folgen sind allgegenwärtig in unserem Alltag, sind so normal, dass wir sie aktiv hinterfragen müssen, aktiv darauf hingewiesen werden müssen, dass das nicht alternativlos ist. Dass Kapitalismus, unsere Art zu wirtschaften, zerstört, das merken wir oft so. Warum das aber so ist, das lernen wir nicht in der Schule, überhaupt nicht, wenn wir nicht nachfragen oder selbst recherchieren. Und das ist ein Problem.

Antikapitalistische Bildung für alle

Deswegen braucht es Aufklärung, in der Bewegung, aus der Bewegung heraus. Ohne grundlegende Veränderungen ist es nicht machbar, und diese müssen gemeinsam angepackt werden. Dafür müssen sie verstanden werden. Es gibt bereits erste Anstöße: ChangeForFuture nennt sich die antikapitalistische Plattform innerhalb der Bewegung, die daran arbeitet, Antikapitalismus zum Grundkonsens zu machen. Sie haben ein Grundsatzpapier erarbeitet und versuchen, diese Ideen in die Ortsgruppen zu tragen.

Da können wir ansetzen. Und dann können wir weitermachen. Die Klimakrise ist menschengemacht und stellt unser Zusammenleben grundsätzlich in Frage. Deswegen muss der Kampf dagegen auch grundsätzlich verändern – antikapitalistisch, feministisch, anti-faschistisch, anti-rassistisch, anti-klassistisch, inklusiv. Mit dem Klimastreik am 20.09. zusammen mit verschiedenen Gewerkschaften und Organisationen wird dafür der erste praktische Schritt gemacht.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Sarah Kohler

60. Kompaktklasse an der Deutschen Journalistenschule in München

Sarah Kohler

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