Paranoide Wunschträume

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Wer "DIE ZEIT" abonniert hat, muss neben einzelnen Highlights auch stramm konservative, und dümmliche Kommentare aushalten können. Stößt man auf Letztere, glaubt man sich schnell in der BILD-Zeitung für Intellektuelle. Diesmal hat sich Anne Meyer-Minnemann in dieser "Rubrik" ausgetobt. Unter "Reisen" orakelt sie über mögliche Kuba-Sehnsucht, die jetzt auch Hollywood-Stars wie Michael Douglas befallen haben könnte ("DIE ZEIT", 28. Januar 2010). Der Filmstar sei auf der Insel gewesen, habe sich Fotos mit Einheimischen unterworfen und eine Zigarrenfabrik besucht. Gut möglich – so die Schreiberin – dass ihn danach gelüstete, kommunistisches Rauchwerk zu genießen – heimlich und abseits des lästigen Embargos.

Meyer-Minnemann hat mit Douglas kein Wort gewechselt. Weiß also nicht, was der dort in Gänze vorhatte oder getan hat. Wäre doch ebenso möglich, dass er Fidel getroffen und mit ihm über Che und Co. diskutiert hat. Aber nein, Douglas muss ich einreihen in die Gelüste der Superreichen, der hippen Hotellerie, die nichts anderes im Sinn haben, als die Insel für "vor-batistäre Showtime" zurück zu gewinnen. Und so träumt die offenbar lifestyl-geschädigte Journalistin nicht nur vom Ende der beiden Castros, sondern auch vom Ende der "Tristesse". Havanna könnte gut und gern zu einem neuen Mekka der Genusssucht aufsteigen, das South Beach (Miami) und Las Vegas nicht nur in Summe, sondern auch rauchfrei übertreffen würde. Leider müsse der Jetset noch ausharren. Denn es dauere wohl noch, bis die (kommunistischen) Brüder ihr Handtuch würfen.

Nun, man muss nicht hölzern und schon gar kein Spielverderber sein. Träumen ist erlaubt. Doch was hier abgeht, ist grotesk. Meyer-Minnemann phantasiert nicht nur, sie wünscht es geradezu herbei – noch mehr Freiraum für Stars und Parasiten, noch mehr Verschwendung, Spielhölle und Dekadenz. Als ob es das nicht schon zur Genüge gäbe. Alle Sonnenplätze dieser Welt sind belegt, und selbst auf Haiti lungern die Superreichen. Erst kürzlich hatte Oligarch Abramowitsch 1.000 Flaschen Champagner dorthin geordert („RP ONLINE“, 18. Januar 2010). Das – mit Verlaub – war Wochen vor dem schrecklichen Beben. Schade – die Flaschen dürften inzwischen geleert sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Scharfenorth

Bis 1990 fuer die DDR-Stahlindustrie tätig. Danach Journalist/ Autor in Duesseldorf. 2008: "Stoerfall Zukunft"; 2011: "abgebloggt" und Weiteres

https://de.wikipedia.org/wiki/Ulrich_Scharfenorth

Scharfenorth

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