Der dümmste Fetisch der Welt

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Ich treffe eine Frau, die möchte, dass Männer ihr Telefonkarten kaufen. Nebenbei finde ich heraus, wie der Staat alle seine Probleme loswerden kann.

Ich kann alle Probleme der Welt lösen. Und jetzt aufpassen.

Wenn ich zuviel Zeit habe, gehe ich ins Internet und rufe ein bekanntes Studentenverzeichnis auf. Neulich stieß ich auf ein Profil, auf dem Bild zum Profil waren nur Stiefel zu sehen mit Frauenbeinen drin. In einem Text forderte die Frau Männer dazu auf, eine Karte fürs Handy zu kaufen und ihr den Code zu schicken. Sie war Mitglied in Gruppen, die zum Beispiel „Geld her, Sklave“ hießen und „Finanzier mir meinen Luxus“. Ich schrieb ihr: „Bist du doof?“
Sie antwortete: „Kauf mir eine Karte fürs Handy, du elendes Etwas."
Ich hatte kein gutes Gefühl bei der Sache und lehnte ab.

Danach recherchierte ich im Internet und fand heraus: Ich war dem dümmsten Fetisch der Welt begegnet. Die Frau war eine Vertreterin der financial domination oder money slavery. Das geht so: Ein Mann überweist einer Frau regelmäßig Geld, damit sie sich Schuhe, Schmuck oder Telefonkarten kauft. Der Mann ist nicht mit der Frau verheiratet, sie wohnen nicht in einem Haus, sie wohnen nicht in derselben Stadt, ja in vielen Fällen sind sie nur durchs Internet verbunden.

Als Gegenleistung fürs Geld bekommt der Geldsklave meistens nichts außer einer Beschimpfung, wie er so blöd sein könne, ihr eine Telefonkarte zu kaufen. Nicht mal ausgepeitscht wird er. Der sexuelle Reiz besteht für den Mann also darin, Geld zu bezahlen und nichts dafür zurückzubekommen. Wahrscheinlich sieht er sich einfach seinen Kontoauszug an und schon ist Rambazamba in der Unterhose.

Als ich noch mehr Zeit hatte, las ich ein Buch. Es ist von Suhrkamp und hat Nebensätze. Sein Name ist „Postdemokratie“. Darin beschreibt der linke Politikwissenschaftler Colin Crouch unter anderem, dass der Staat immer mehr Aufgaben, die er früher selbst übernommen hat, der freien Wirtschaft überlässt. Weil die Wirtschaft aber bloß ihren Gewinn steigern will, erledigt sie die Aufgaben nicht so gut. Ich sage mal: Gesundheitssystem, Altersvorsorge und Energie. Am Ende schlägt er vor, wie Bürger diese Entwicklung rückgängig machen können, zum Beispiel, indem die Macht der Wirtschaft eingeschränkt wird.

Dieser Crouch redet völligen Unsinn. Die Linken schlagen zwar die gerechtesten Lösungen vor, aber niemals die einfachsten. Ich weiß es besser: Statt ein Problem zu beheben, kann der Staat besser den Menschen so ändern, dass er das Problem nicht mehr als Problem sieht.

Wenn der Staat das Prinzip financial domination übernimmt, löst er alle Probleme mit einem Mal. Die Menschen müssen Gefallen daran finden, Steuern zu zahlen, ohne dafür etwas zurückzubekommen. Auf diese Weise nimmt der Staat Geld ein, das er nicht in Renten, Straßen und Polizisten steckt, sondern beispielsweise in Dienstwagen, große Häuser und Karten fürs Handy. Im 1. Halbjahr 2008 hat der deutsche Staat 249,7 Milliarden Euro an Steuern eingenommen. Davon kann er sich knapp 16,7 Milliarden Handykarten für 15 Euro kaufen. Die Bürger müssen sagen: „Es widerfahren mir angenehme Reize, wenn ich sehe, dass mein Land von meinen Steuern 16,7 Milliarden Karten fürs Handy kauft.“

Den Menschen müssen die Paragraphen des leicht abgewandelten Grundgesetzes in Fleisch und Blut übergehen: „Keine Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.“ Oder: „Das gesamte Schulwesen steht nicht unter der Aufsicht des Staates.“

In der freien Wirtschaft funktioniert das Prinzip der financial domination bereits in Ansätzen. Für mehr Geld gibt es weniger Benzin, weniger Bier und weniger Heizöl. Gleichzeitig wird sich die Pornoindustrie völlig umstellen. Statt nackter Haut gibt es nur noch Filme, in denen Menschen ihre Steuererklärung ausfüllen. 90 Minuten lang. Diese Welt muss eine großartige sein.

Sollte ein elendes Etwas diese Zeilen lesen, hätte ich gerne einen Flachbildschirm und einen Helikopter. Ich schwöre bei meiner Mutter, dass es dafür das zurückgibt, was er braucht: nichts.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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