Der Kreisverkehr des Todes

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Ich möchte nicht über Nacktscanner sprechen. Stattdessen berichte ich von einer turbulenten Autofahrt im Bauch eines Wals.

Ich gucke in die Zeitung und sehe das Wort „Nacktscanner“. Ich schaue in den Kühlschrank und sehe das Wort „Nacktscanner“. Es ist auch in den Tupperdosen ganz hinten im Schrank. Ich verstehe nicht, warum sehr viele zum Denken fähige Menschen plötzlich den Nacktscanner an Flughäfen fordern. Da ich aber das Wort „Nacktscanner“ und die Diskussion nicht mehr ertrage, werde ich auf dieses Thema nicht eingehen. Ich werde überhaupt nichts zum Thema Terrorismus sagen. Meine politischen Beiträge vereinfachen ohnehin immer zu sehr den Sachverhalt. Vor allem, wenn ich in Metaphern spreche.

Lieber erzähle ich, wie ich vor einigen Monaten in einen Kreisverkehr fuhr. Es war kein normaler Kreisverkehr, es war der Kreisverkehr des Todes.

Das kam so: Freunde von mir spielten ein Konzert in der niederländischen Stadt Nimwegen. Ich wollte mit dem Auto hin, ohne die Strecke je gefahren zu sein. Die Wegbeschreibung hatte ich mir im Internet ausgedruckt. Es war dunkel, als ich mich ins Auto setzte. Kurz vor Nimwegen begann es zu schneien, dicke Flocken, die Sicht war bescheiden. Und dann sah ich ihn vor mir – den Kreisverkehr. Ein zwei- bis dreispuriges Monster mit mehreren Ampeln. Wofür bitte braucht man einen Kreisverkehr, wenn er Ampeln hat? Und in der Mitte standen Bäume, es war ein kleiner Wald.

Ich fuhr wie unter Schock hinein und hatte keine Ahnung, welche Ausfahrt ich nehmen musste. Als ich dann nach mehreren Minuten irgendwo rausfuhr, nur um diesen Kreisverkehr wieder zu verlassen, fühlte ich mich wie Jonas, nachdem ihn der Wal wieder ausgespuckt hatte.

Ich kam viel zu spät zu dem Konzert. Ich kam so spät, dass es schon vorbei war. Von da an nannte ich den Kreisverkehr nur noch den Kreisverkehr des Todes. Als ich die Freunde sah, die das Konzert gespielt hatten, sagte ich: „Freunde, ich bin gerade durch den Kreisverkehr des Todes gefahren.“ Als ich nach Hause kam, erzählte ich einer Bekannten davon: „Ich bin in Nimwegen durch den Kreisverkehr des Todes gefahren.“ Die Bekannte meinte, sie könne sich an keinen Kreisverkehr in Nimwegen erinnern, vermutlich sei ich falsch gefahren. Ich sagte, ich sei sehr richtig gefahren, und da war dieser Kreisverkehr, dieser Kreisverkehr des Todes. Wenn man bei Google Maps Nimwegen eingibt, landet man sofort bei diesem Kreisverkehr.

Seit dieser Autofahrt lässt mich der Kreisverkehr des Todes nicht mehr los. Ich denke mehr an ihn als an Essen und Fußball. Ich denke sogar an ihn, während ich esse oder Fußball gucke. Ich sage es jedem, der es hören will: Der Kreisverkehr des Todes ist eine Gefahr für die Menschheit. Es werden Menschen dort sterben. Regelmäßig. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Das müssen wir verhindern und wir müssen alle Mittel einsetzen, die wir besitzen.

Ich denke darüber nach, einen Brief an den Bürgermeister von Nimwegen zu schreiben, um ihn zu bitten, den Kreisverkehr des Todes auf eine Spur zu reduzieren oder ihn gleich ganz zu entfernen. Oder jeder, der in Zukunft durch den Kreisverkehr des Todes fahren will, muss vorher einen Kurs belegen, in dem er lernt, durch den Kreisverkehr des Todes zu fahren. Diese Bescheinigung muss er dann vor jeder Durchfahrt einem Polizisten vorlegen. Außerdem muss er sich einer Alkoholkontrolle unterziehen, seinen Kofferraum öffnen und seine Fingerabdrücke hinterlassen. Damit er auch wirklich keinen Unsinn im Kreisverkehr anstellt. Jeden Tag sollte außerdem ein Straßenbauexperte jeden Zentimeter Asphalt in diesem Kreisverkehr auf Risse und Unebenheiten überprüfen. Wir können nicht vorsichtig genug sein. Es geht um unser Leben.

Ich bin dabei, auch andere Kreisverkehre zu kontrollieren, ob sie nicht ebenfalls dazu neigen, ein Kreisverkehr des Todes zu werden. Ich kann es ihnen ansehen, bereits wenn sie noch jung sind und an die falschen Freunde geraten, die ihnen falsche Feindbilder eintrichtern. Stellen wir doch einen Polizisten an jeden Kreisverkehr der Welt. Vielleicht sollten wir ohnehin ganz davon Abstand nehmen, Ampelkreuzungen durch Kreisverkehre zu ersetzen. Wir haben uns diesen Feind selbst geschaffen, als wir anfingen, Kreisverkehre zu bauen – in dem Glauben, wir könnten sie für unsere Zwecke nutzen. Nun wenden sie sich gegen uns. Sie haben unser Leben nicht sicherer, sondern gefährlicher gemacht.

Meine Bekannte ist neulich wieder nach Nimwegen gefahren. Ich fragte sie, ob sie durch den Kreisverkehr des Todes gekommen sei. Sie sagte, sie sei durch einen Kreisverkehr gefahren, früher auch schon, aber sie habe ihn so wenig beachtet, dass sie ihn wieder vergessen habe.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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