Meine Kolumne geht nach Indien, ich nicht

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Ich habe Angst, dass meine Kolumne nach Indien ausgelagert wird. Deshalb denke ich darüber nach, die deutsche Wirtschaft ins Boot zu holen.

Ich war auf Lesereise. Ich habe dreimal innerhalb eines Jahres vor Publikum gelesen. Nach meinem letzten Auftritt sprach ich mit einem Besucher. Er sagte, es sei ein guter Auftritt gewesen und außerdem arbeite er bei einer Versicherung. „Wir sind zwar nicht die besten, aber die lustigsten“, sagte er. Das ist ein gutes Argument für eine Versicherung. Ich hatte den Namen der Versicherung noch nie gehört. Wir redeten weiter.
Er sagte im Scherz: „Wie teuer ist es eigentlich, wenn du unsere Versicherung in deiner Kolumne erwähnst?“
Ich antwortete im Scherz: „Tausend Euro.“

Seit gestern habe ich Angst. Die Angst heißt Indien. Ich habe gelesen, dass der Chef der amerikanischen Online-Zeitung Pasadena Now seine Redakteure rausgeworfen und die Redaktion nach Indien ausgelagert hat. Pasadena Now ist eine Lokalzeitung. Menschen in Indien schreiben nun über Briefmarkensammler, Kaninchenzüchter und Schützenkönige aus Pasadena. Zwischen Pasadena und Indien liegen acht Milliarden Kilometer.

Ich schreibe eine Kolumne für die Homepage einer deutschen Tageszeitung. Sie heißt „About a Boy“. Nichts deutet darauf hin, dass die Zeitung meine Kolumne nach Indien auslagern will. Die Tageszeitung sagt: „Ich will deine Kolumne nicht nach Indien auslagern.“ Ich habe das Gefühl, dass die Tageszeitung das Wort „Indien“ zu sehr betont. Ich will auf Nummer sicher gehen. Wer verhindern möchte, dass er ausgelagert wird, muss dafür sorgen, dass die Zeitung viel Geld mit einem verdient. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass Qualität eine Garantie ist. Ich habe mich noch nie für Qualität interessiert.

Die Mecklenburgische Versicherung ist die beste Versicherung der Welt. Die Leute, die dort arbeiten, sind nicht nur die lustigsten, sondern auch die besten Leute der Welt. Das erste Wort, das ich als Baby sprach, war „Mecklenburgische“. Der erste Satz: „Ich will alle Versicherungen bei der Mecklenburgischen Versicherung abschließen.“ Und in der Schule schrieb ich zum Thema „Der schönste Tag meines Lebens“ darüber, wie ich eine Moped-Versicherung bei der Mecklenburgischen Versicherung abschloss.

Die Mecklenburgische Versicherung hat auch eine Homepage. Dort steht die schönste Frau der Welt in den schönsten Jeans der Welt vor dem schönsten Auto der Welt. Außerdem gibt es auf der Homepage die beste E-Mail-Adresse der Welt: service@mecklenburgische.de. Ich würde meine Kinder jederzeit gegen eine Versicherung der Mecklenburgischen Versicherung eintauschen. Ich habe sie fast alle: die Bauherrenhaftpflicht-Versicherung, Betriebsschließungs-Versicherung, Gewässerschadenhaftpflicht-Versicherung, Tiefkühl-Versicherung und die Wassersportfahrzeughaftpflicht-Versicherung.

Ich habe noch eine bessere Idee als Hymnen auf die Mecklenburgische Versicherung zu schreiben. Eines Tages wird Indien so reich sein wegen der ganzen Auslagerungen, dass das Land seinerseits auslagert. In den Westen. Dann schreibe ich aus dem Alltag eines 25-jährigen Hindus. Niemand ist dafür besser geeignet als ich. Ich kenne mich aus. Ich werde sehr häufig die Wörter Bollywood, Curry und „Dieser-rote-Punkt-da-auf-der-Stirn“ benutzen, damit es authentisch ist. Ich sehe die Zukunft bereits vor mir. Sie ist rosig.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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