Metaphern des Grauens

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Ich haue der Romantik einen vor den Bug. Ein Opfer ist Rosamunde Pilcher.

Wenn die Liebe Fäuste hätte, säße Nicholas Sparks jeden Tag beim Kieferchirurgen. Der Bausparvertrag der Romantik gehört zu jenen Autoren, die ohne Gefühle über Gefühle schreiben. Und er ist nicht allein. Sie heißen Rosamunde Pilcher, und sie heißen Nora Roberts, und sie schreiben Bücher mit Titeln wie „Das Lächeln der Sterne“, „Karussell des Lebens“ und „Choreographie der Liebe“.

Schließlich haben sie den Anfängerkurs „Metaphern des Grauens“ belegt. Mit jedem weiteren bis an den Rand mit abgeklärter Gefühlsduselei gefüllten Werk beweisen sie: Die meisten Liebesromane sind der Versuch, ein Schlachtfeld zu beschreiben, ohne die Gefallenen zu erwähnen.

Die Handlung soll lediglich Entwicklung vortäuschen. Eine erfolgreiche Anwältin/Fotografin namens Patricia/Olivia kehrt aus der Stadt zurück in ihr Dorf. Dort buhlen dieselben zwei Kerle um sie wie damals und am Ende gewinnt der mit den blaueren Augen. Oder: Der Architekt Matthew zieht nach dem Tod seiner Frau aufs Land und verliebt sich neu, häufig in eine Frau, die noch immer unter einer Fehlgeburt leidet.

Weiteres Personeninventar: Familientyrannen, allein erziehende Mütter, Feuerwehrmänner, Journalisten, alkoholkranke Feuerwehrmänner, alkoholkranke Journalisten, Kleinstadtbibliothekarinnen, sprachbehinderte Kinder, mindestens ein Hund, am besten ein Golden Retriever. Natürlich gibt es Schicksalsschläge. Jeder Leser will ein Happy End, aber niemand will ein Happy End von der ersten bis zur letzten Seite. Zwischendurch muss gestorben werden oder Sterben wenigstens eine Option sein. Menschen haben Leukämie/eine fantasievoll benannte Erbkrankheit, fahren mit Autos eine Klippe herunter, werden von wild gewordenen Pferden mit der Hufe getroffen, von einem Erdrutsch verschüttet, gerne auch alles innerhalb eines Buches.

Aber der Schicksalsschlag ist nur gerade so hart, dass er Hindernis ist, ohne Endstation zu sein. Denn am Ende müssen Sätze fallen wie „Er/Sie wird durchkommen“ und „Nur einen Millimeter weiter rechts und...“ Der Roman muss gut ausgehen, damit das eigene Leben weiter schlecht ausgehen kann. In Rezensionen laichen mutmaßliche Kulturjournalisten Adjektive ab wie „romantisch“, „berührend“, „hat mich nicht mehr losgelassen“. Auf dem Buchrücken steht immer „gehört zu den beliebtesten Autoren der Welt“. Nur der Kerl, der die Texte für Kotztüten im Flugzeug schreibt, hat noch mehr Leser.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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