Roman Polanski bestellt eine Pizza

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Ich stelle mir vor, was der berühmte Regisseur an seinem ersten Samstagabend im Hausarrest in seiner Berghütte macht. Außerdem äußere ich mich zum Schweizer Minarettverbot.

Meine Weissagungskugel teilte mir jüngst Erstaunliches mit. Sie sagte, dass die Schweizer Bevölkerung noch einmal über das Minarettverbot abstimmen wird. Und das hat alles mit einer Pizza Salami zu tun.

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Ich habe gelesen, dass der berühmte Regisseur Roman Polanski gegen Kaution das Gefängnis verlassen darf. Er muss aber in seiner Schweizer Berghütte in Gstaad bleiben und deshalb eine elektronische Fußfessel tragen. Ich habe auch gelesen, dass er heute dort einzieht.

Dann habe ich mich gefragt, was Roman Polanski wohl an seinem ersten Samstagabend in der Hütte macht. Wer Samstagabende zuhause verbringt, langweilt sich ja gewaltig. Zwar darf er Partys schmeißen, aber wer will schon in einer Berghütte feiern mit jemandem, der von der Polizei überwacht wird?

Ich stieg hinab ins Reich der Träume und kehrte mit einem Traum zurück, in dem Polanski auftauchte, 40 Frauen, ein Flugzeug, Zuckerwatte und ein Elefant. Ich fand den Traum langweilig, also habe ich mir selbst ausgedacht, was Polanski morgen Abend anstellen wird.

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Roman Polanski schob den Vorhang ein wenig beiseite und sah ungeduldig aus dem Fenster. Sofort erhellte das Blitzlichtgewitter der Fotografen die Dunkelheit. Seit gestern belagerten sie sein Haus, als verkündete er gleich, ihre Ausreise sei genehmigt oder Neil Armstrong auf dem Mond gelandet.

Vor einer halben Stunde hatte er bei „Pizza Luigi“ eine Pizza bestellt und der Kerl war noch immer nicht aufgetaucht. Da endlich bahnte sich ein Kleinwagen seinen Weg, vorbei an den Übertragungswagen der Fernsehanstalten. Ein Mann stieg aus, drückte sich mit einer Tasche vorbei an den Fotografen zur Haustür und klingelte. Polanski öffnete.
„Buongiorno“, sagte der Mann, „ich bringe Ihre Pizza Salami.“
„Kommen Sie am besten kurz rein, dann kann ich in Ruhe das Geld suchen“, sagte Polanski, „diese Fotografen lassen einem ja keine Ruhe.“

Sie setzten sich an den Küchentisch. Polanski zog einige Scheine aus seinem Geldbeutel und legte sie dem Mann hin.
„Stimmt so“, sagte er.
„Danke“, sagte der Mann und sah Polanski an.
„Ja, ich bin Roman Polanski. DER Roman Polanski.“
„Dass ich das noch erleben darf. Ich habe all Ihre Filme gesehen.“
„Ich auch.“
„Könnte ich vielleicht ein Autogramm von Ihnen bekommen?“
„Klar.“
Polanski zog eine Karte aus seiner Jacke, die neben ihm über dem Stuhl hing.
„Könnten Sie schreiben ‚Für Mehmet‘“?
„Klar. Sind Sie Mehmet?“
„Natürlich.“
„Das verwundert mich etwas.“
„Warum?“
„Das klingt eher türkisch. Sie betreiben aber doch eine italienische Pizzeria und eben grüßten Sie mich mit Buongiorno.“
„Na ja…“
„Na ja was?“
„Ihnen kann ich es ja sagen, Herr Polanski. Ich bin Türke und bis vor einigen Tagen hatten mein Bruder und ich auch einen Dönerladen. Aber als die Schweizer sich gegen den Bau von weiteren Minaretten ausgesprochen haben, dachte ich, fürs Geschäft könnte es besser sein, wenn ich jetzt einfach den Italiener spiele.“
„Davon habe ich gehört. Die Schweizer sind doch wirklich verrückt.“
„Das ist wahr, aber…“
„Nun sagen Sie es schon geraderaus.“

„Da ist eine Sache, die ich nicht begreife. Während die Schweizer keine weiteren Minarette mehr in der Schweiz wollen, obwohl wir Muslime Ihnen doch nichts getan haben, hat sich für Sie sogar eine ‚Free Polanski‘-Bewegung gebildet, obwohl Sie Sex mit einer 13-Jährigen hatten und aus den USA geflohen sind, bevor das Urteil bekanntgegeben wurde. Verstehen Sie mich nicht falsch, Sie sind ein großer Regisseur, aber das verstehe ich einfach nicht.“
„Um ehrlich zu sein, Mehmet, ich habe auch nicht verstanden, warum so unterschiedliche Menschen wie Salman Rushdie, Paul Auster, Woody Allen und Monica Bellucci meine Freilassung fordern.“
„Wirklich?“
„Ja, und ich habe überlegt, warum mir diese ganze Sache mit der 13-Jährigen, die ja schon 30 Jahre zurückliegt, nie geschadet hat. Ich meine, bei vielen Leuten reicht ja bereits der Verdacht aus, und sie bekommen im ganzen Leben keine Chance mehr.“
„Sind Sie zu einem Ergebnis gekommen?“, fragte der Mann.
„Nicht so richtig. Ich habe mich gefragt: Liegt es daran, dass ich im Warschauer Ghetto war?“
„Das weiß doch niemand mehr. Außerdem klingen Sie ja wie einige meiner muslimischen Freunde, die behaupten, Juden würden bevorzugt behandelt.“
„Eben. Dann habe ich mich gefragt: Liegt es daran, dass meine Frau Sharon Tate von der Manson-Bande ermordet wurde?“
„Das lag damals ja bereits acht Jahre zurück. Außerdem kann das doch kein Argument sein.“
„Das sehe ich genauso. Dann habe ich mich gefragt: Liegt es daran, dass das Opfer von damals will, dass diese Sache endlich ein Ende nimmt?“
„Es sollte doch jedem klar sein, dass sie das nur deshalb fordert, weil sonst jedes Mal die Erinnerungen hochkommen.“
„Da sind wir einer Meinung. Dann dachte ich: Hat es damit zu tun, dass mich die Polizei so völlig überraschend geschnappt hat, während ich mir einen Preis abholen wollte, und die Leute nun Mitleid mit mir haben?“
„Ich bitte Sie – Sie sind damals ja auch recht hinterhältig geflohen. Soll die Polizei Sie warnen, bevor sie Sie festnimmt?“
„Exakt. Und als letztes habe ich mich gefragt: Liegt es einfach daran, dass ich ein erfolgreicher Künstler bin?“
„Winona Ryder hat mal ein paar Sachen mitgehen lassen und danach jahrelang keine Filme mehr gedreht.“
„Sehen Sie… das reicht mir als Lösung auch nicht aus“, sagte Polanski.
„Eine verzwickte Sache.“
„Sie sagen es. Ich werde einfach nicht schlau daraus.“

„Herr Polanski, es hat mich sehr gefreut mit Ihnen zu sprechen, aber ich muss jetzt wirklich los.“
„Das ist schade. Vielleicht bestelle ich ja morgen wieder bei Ihnen. Ich werde wohl eine Weile hier bleiben.“
„Okay, dann noch einen schönen Aben…“
„Warten Sie, mir fällt da gerade noch etwas ein.“
„Was denn?“
„Das wird ein Riesenspaß. Setzen Sie sich doch noch einen Moment.“

***

Das genau teilte mir meine Weissagungskugel mit: Im Januar 2010 werden die Schweizer darüber abstimmen, ob auch keine Minarette mehr gebaut werden dürfen, die Roman Polanski finanziert hat.

Dieser Text ist Teil meiner Kolumne "About a Boy", die jeden Freitag bei RP Online erscheint. Mehr Folgen gibt es hier.

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