Zu Weihnachten habe ich einen neuen Radhelm bekommen; wenn ich ihn zur Hand nehme, die glatte, matt-schwarze Oberfläche betaste und seine schützende Härte spüre, dann steigt meine Vorfreude auf die gesunde, schnelle und sicherere Fahrt, die vor mir liegt.
Seit bald einem Jahr gilt die Pflicht zum Tragen eines Mund-und-Nasen-Schutzes, was weithin befolgt wird, um die Gefahr einer Corona-Ansteckung zu mindern. Dem Gebot der viralen Prävention ist es auch zu verdanken, dass zu Silvester vielerorts erstmals Einschränkungen für Feuerwerke galten, was auch die direkte Opferzahl dieses Selbstverstümmelungskults gesenkt haben dürfte. Bis hierzulande ähnliche Vernunft einzieht, was die Prävention schwerer Kopfverletzungen bei Fahrradfahrern angeht, und endlich die Pflicht zum Tragen eines Helms gilt, dürfte es aber ein weiter Weg sein.
Denn noch rechnet etwa der Leiter der Unfallforschung der Versicherer vor, dass sich 100 von 400 tödlichen Radunfällen und viele Verletzungen mit Helm verhindern ließen, verteidigt zugleich aber die „Freiheit des Individuums“ gegen eine Pflicht. Der Präsident des Deutschen Verkehrsgerichtstags pflichtet bei: „Wir erlauben jedem, sich selbst zu gefährden.“ Die beiden sind bei Tempolimit-Gegner und Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt sicher schon als Gastkommentatoren vorgemerkt, sollte es mit der Helmpflicht eines Tages ernst werden.
Dabei ist ja nicht einmal die Poschardt-Klientel der rücksichtslosen Autofahrer primärer Anlass für ein staatliches Helm-Gebot – es gilt, Radfahrer vor allem vor sich selbst zu schützen: Jeden sechsten der 355.084 Fahrfehler, die 2019 im Straßenverkehr zu einem Unfall mit Personenschaden führten, beging ein Radler. Der Drahtesel-Boom in den Städten spült viele Ungeübte und sich selbst Überschätzende auf die Straßen. Insgesamt war 2019 jeder vierte Verkehrsverletzte und fast jeder siebte Verkehrstote ein Radler.
Dies sind die Kollateralschäden einer jahrelangen Dominanz vulgärliberaler Parolen und des Rückzugs des Staates aus der Verantwortung. Während Helmpflichtgegner mit ihren Sirenengesängen von individueller Entmündigung und staatlicher Regulierungswut an die Hysterie vor Einführung der Gurtpflicht erinnern (Spiegel-Titel 1975: „Gefesselt ans Auto“), sterben Jahr für Jahr Kinder ohne Helm auf dem Kopf, weil in Deutschland nicht einmal für sie eine Tragepflicht gilt. Die am häufigsten an Radunfällen beteiligte Altersgruppe ist die der Unter-15-Jährigen; und wenn diese Altersgruppe auf der Straße verunglückt, dann am häufigsten auf dem Rad.
Eine Unfallärztin, täglich mit äußerlich und innerlich blutenden Radlerköpfen, Gehirnerschütterungen und Schädel-Hirn-Traumata konfrontiert, sagt auf der Verkehrssicherheitsseite runtervomgas.de: „Ich verstehe nicht, warum Menschen die Gefahren so ausblenden. Bei jedem zweiten getöteten Radfahrer sind Kopfverletzungen die Ursache. Mit einem Helm kann ich das Risiko extrem minimieren. Und es muss ja nicht immer der Tod sein.“
In fünf Jahren ist der Anteil der Radler mit Helm von 12 auf 20 Prozent gestiegen. Viel zu wenig. Es braucht eine Pflicht. Halten sich Kinder nicht an diese, nehmen sie an Verkehrssicherheitsseminaren teil, samt der Eltern, die zugleich empfindliche Bußgelder treffen. Für Erwachsene bleibt das helmfreie Fahren vorerst sanktionsbefreit – der Staat macht klare Vorgaben, ohne zu strafen. So lässt sich das einzig stichhaltige Argument der Pflichtgegner entkräften: In einer so lange schon auf die Mär von privater Selbstverantwortung getrimmten Gesellschaft würde eine baldige, strenge Helmpflicht zu viele davon abhalten, vom Auto auf das Rad umzusteigen. Die Helm-Anschaffungskosten sind selbstverständlich in die Hartz-IV-Sätze zu integrieren und vom Staat zu tragen.
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Lesen Sie hier das Contra-Argument von Nik Afanasjew zu diesem Artikel
Kommentare 11
Helmpflicht ?! So lässt sich die Zahl schwere Kopfverletzungen von Radfahrern bestimmt verringern. Aber Radfahrer werden mir zuuuu oft als Opfer des Straßenverkehrs dargestellt.
Wie jedere beobachten kann fshtern in der Dämmerung und auch im Stockdustern ohne Licht - wenn was passiert sind die Autofahrer schuld !!!! Anscheinend kennen auch viele Radfahrer (Erwachsene) nicht mal die einfachsten Grundätze des Verkehrs, die aber Fußgängern sehr gut bekannt sind.
Sieh da, mal wieder die Plastemützendiskussion.
Dann gern auch nochmal:
!Sicherheit beginnt IM und niemals AM Kopf!
Auf beiden Seiten! Und dazu gehört dann, auf dem zwingend erforderlichen gegenseitigen Respekt zu bestehen. Der aber lässt sich eben nicht per Anweisung realisieren. Und der ist nach meiner Beobachtung sowieso massiv im Schwinden.
Wäre auch nochmal zu fragen, wieviele Autofahrer sterben an Kopf- und anderen Verletzungen? Gibts da auch nur den Hauch einer Diskussion? Da wurde dann manchmal das Auto aus der Kurve getragen. Ich konnte allerdings dabei noch nie jemanden beobachten, der da getragen hätte.
Mit radikaler, allerdings völlig unmöglicher Durchsetzung der StVO wären ebenfalls viele, viele Menschenleben zu retten. Es sind immer noch an die 4000 Tote plus sicher zehntausende Schwerverletzte. Auch eine noch viel weniger durchsetzbare Geschwindigkeitsreduzierung um, sagen wir, 20 kmh würde Bresmwege verkürzen und Leben retten. Wer Wahlen verlieren will, sollte diese Diskussion umgehend beginnen.
Die in D neu zugelassenen PKW haben innerhalb von zwei, drei Jahren bei den durchschnittlichen PS-Zahlen von ca. 130 PS auf über 150 PS zugelegt. Ein Modell von Tesla für den öffentlichen Verkehr beschleunigt von 0 auf 100 in 3 (drei) Sekunden. Warum? Da sind doch Absichten erkennbar. Und für eine halbwegs akzeptable Radinfrastruktur, die eigentlich seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung stehen müsste, weil diese Entwicklung ja vorherzusehen war (allerdings halt nicht von den Herrschaften in Politik und Büros) braucht es jahrelange, ermüdende Diskussionen.
Am Berliner Bersarinplatz wurden aus sehr fadenscheinigen Gründen zur Verlegung eines zehn Meter langen Radweges samt einer Straßenlampe um einen knappen Meter nach Auskunft des Bau-Amtsleiters sage und schreibe 5 Jahre Planung benötigt. Dieses Großprojekt benötigte für die Realisierung dann nochmal 4-5 Wochen. Wie gesagt, zehn Meter Radweg. Und die Verlegung geschah nicht zur Sicherheit der Radler, sondern weil Autofahrer nicht bereit sind, etwas langsamer und aufmerksamer zu fahren und vor allem die LKW folglich mit dem rechten Hinterrad öfter über den Bordstein fuhren.
Wenn Plastemütze dann aber immer auch verbindlich professionelle Rettungswesten beim baden gehen. Wir sollten zuhause bleiben. Allerdings passieren dort die meisten, auch tödlichen, Unfälle.
Also Plastemütze! IMMER!
Ich fahre seit vielen Jahren nur noch mit Helm Rad. Jeden Tag zur Arbeit, in der Freizeit auch Rennrad. Trotzdem bin ich fürdie freie Entscheidung des Einzelnen. Die Fahrt mit 12 KM/h zum Bäcker um die Ecke ist in manchen Gegenden nicht gefährlicher als zu Joggen. Die meisten tödlichen Fahrradunfälle werden von Autofahrern (mit-) verursacht. Und das sind übrigens kaum überfahrende Radfahrer, die ohne Licht unterwegs sind, sondern meist Abbiegeunfälle.
Es muss Ziel sein den Radverkehr zu fördern und möglichst flexibel zu gestalten. Der Radfahrerin soll vorgeschrieben werden mit Helm und möglichst auch Warnweste clownesk durch die Gegend zu gondeln. Die Autofahrerin setzt sich derweil gestylt und gefönt in ihren Benz SLK mit "Attention Assist", "Pre-Safe", ABS, ESP ... und freut sich über ihre gekaufte "Freiheit".
Alle Jahre wieder wird solch eine Sau durchs Dorf getrieben. Man zeigt dabei Zahlen, schlimm erscheinen. 100 von 400 Menschenleben könnten (möglicherweise) gerettet werden. Diese Zahl sollte jedoch in einen oder mehrere Zusammenhänge gestellt werden.
74 Radfahrer wurden 2019 durch LKWs getötet.
2020 ging die Zahl der gesamten Verkehrstoten um 10 % verglichen mit dem Vorjahr zurück und liegt bei 2724. 271 Menschen starben, die auf Fahrrädern (ohne Hilfsmotor) unterwegs waren, das waren 40 Getötete beziehungsweise 12,9 % weniger als im selben Zeitraum 2019. Dagegen nahm die Zahl der getöteten Pedelecfahrerinnen und -fahrer von Januar bis November 2020 um 22 (19,1 %) auf 137 Personen zu. Offensichtlich steigt mit der Zahl der Pedelecs jetzt auch die Zahl der Toten absolut an. Heißt das aber, dass das persönliche Risiko auch angestiegen wäre?
Im Vergleich zu 2002 ist die Zahl der getöteten Radfahrer auf 60 % gesunken. Liegt das am Helm? Die Zahl der nie einen Helm tragenden liegt in allen Altersgruppen ab 14 Jahre bei etwa 80 %. Darunter wird fast immer Helm getragen. Trotzdem ging die Zahl der Getöteten zurück.
Wollen wir mit einer Pflicht wirklich, dass wir für jeden Weg mit dem Rad einen Helm tragen müssen? 2019 sind 417 Fußgänger getötet worden. Sollen wir jetzt auch als Fußgänger Protektoren, Helme und Airbags tragen? 417 sind übrigens die niedrigste Zahl seit 2000, als noch 917 Tote zu beklagen waren. Ganz ohne Helm.
Wer sich mit dem Helm sicherer fühlt, sollte ihn tragen. Heutzutage ist das auch kein Imageproblem mehr. Aber man sollte das anderen Menschen nicht aufzwingen.
Vielleicht sollten überhaupt alle menschlichen Tätigkeiten elektronisch oder sonstwie überwacht werden. Dafür gibt es dann allerdings eine völlig andere Vokabel als "Verkehrserziehung".
Als eingefleischter Radler, der schon mehrere Stürze hinter sich hat, auf dem Weg zur Arbeit, aber auch bei Rennen, kann ich das Tragen eines Helmes nur empfehlen. Die Stürze habe ich alle selber verschuldet. Im Strassenverkehr ist man einfach der Schwächste. Wobei das Tragen eines Helmes nichts gegen Stürze bei über 60km/h (bergab, Rennvelo) nützen dürfte. Da wäre eigentlich ein Moped-Helm nötig. Und Motorrad-Schutzkleidung. Das bisschen Stoff = nackt = ungeschützt. Heute gibt es so viele Arten von Helmen, da ist für jeden etwas darunter. Ohne Helm fahren gibt es bei mir gar nicht mehr.
Zitat: "Dagegen nahm die Zahl der getöteten Pedelecfahrerinnen und -fahrer von Januar bis November 2020 um 22 (19,1 %) auf 137 Personen zu. Offensichtlich steigt mit der Zahl der Pedelecs jetzt auch die Zahl der Toten absolut an. Heißt das aber, dass das persönliche Risiko auch angestiegen wäre?"
Was soll es denn sonst heißen?
Jeder 80-Jährige, der seit Jahrzehnten nicht mehr mit einem Fahrrad unterwegs war, und jeder Jugendliche darf sich bei uns ein Pedelec kaufen und fahren und das sogar ohne Führerschein und ohne jede Haftpflichtversicherung. (Das Segment der sogenannten S-Pedelecs, für die man einen Führerschein benötigt und eine Haftpflichtversicherung, ist ein Quantité négligeable.)
Die maximale Leistung der E-Motoren bei Pedelecs ist zwar auf 250 Watt begrenzt, beim Drehmoment gibt es aber keine gesetzliche Obergrenze. Viele dieser Pedelecs haben inzwischen ein Drehmoment von 85 Newtonmeter oder mehr.
Auch bei der Höchstgeschwindigkeit gibt es keinerlei Grenze. Lediglich die Unterstützung des Elektromotors setzt bei 25 km/h aus. Man darf mit einem Pedelec aber selbstverständlich auch schneller fahren und ganz legal mit 75 km/h den Berg runter brettern, wenn man ordentlich in die Pedalen tritt.
Übrigens: Für Mofafahrer gibt es hierzulande seit Mitte der 80er Jahre eine gesetzliche Helmpflicht im öffentlichen Straßenverkehr, obwohl ein Mofa ebenfalls eine motorunterstützte Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h hat. Der wesentliche Unterschied zu einem Pedelec besteht aber darin, dass man es mit einem Mofa (mit Tretkurbeln) nur extrem schwer schafft, schneller als 25 km/h zu fahren, selbst wenn man auskuppelt und die Oberschenkel von Herkules hat.
Wer unbedingt darauf besteht, ohne Helm Fahrrad zu fahren oder zu dumm bzw. zu faul ist, einen Fahrradhelm zu tragen, sollte dann konsequenterweise bei einem selbstverschuldeten Unfall ohne Beteiligung Dritter auch alle ärztlichen Kosten und Folgekosten selbst tragen, wenn diese durch den Helm vermeidbar gewesen wären, und diese Kosten nicht der Allgemeinheit aufbürden.
Bei einem Unfall mit einem anderen Verkehrsteilnehmer bekommen Radfahrer ohne Helm versicherungsrechtlich inzwischen regelmäßig eine Mitschuld, selbst dann, wenn sie den Unfall nicht verursacht haben. Richtig so!
Mit Verlaub, Frau/Herr WuMing,
für mich ist die gesetzliche Helmpflicht für Radfahrer das eine, ein (asiatischer) Überwachungsstaat mit sich selbstdisziplinierenden und unterwürfigen autoritätsgläubigen Duckmäusern das andere.
Oder machen Asiaten da keinen Unterschied?
Im Übrigen bin ich mir sicher, dass sich Radfahrer per se nicht für die "besseren Menschen" halten. Auch bei den Radfahrern gibt es schlechtere Menschen wie bei den Autofahrern, Motorradfahrern und Fußgängern.
Was hat der Helm mit einem unverschuldeten Unfall zu tun?
Und wer ertrinkt hätte dann der Logik folgend eine Rettungsweste tragen müssen?
Ich jedenfalls werden genau dann einen tragen, wenn Autofahrer mit ihren vielen tausenden Kopf(und anderen)verletzungen auch dazu verpflichtet werden.
"Heißt das aber, dass das persönliche Risiko auch angestiegen wäre?"
Was soll es denn sonst heißen?"
Ein einfaches Rechenbeispiel dazu:
100 Pedelecfahrer verursachen 10 Unfälle.
5 Jahre später ist die Zahl der Pedelecfahrer auf 1000 angestiegen, die 50 Unfälle verursachen.
Sehen Sie den Unterschied?
Kleiner Tipp: Vergleichen Sie 10/100 mit 50/1000 und entscheiden Sie dann, ob Pedelecfahren sicherer geworden ist oder nicht.
Für die letzten beiden Absätze verdienen Sie ein neoliberales Bienchen und eine Gefängnisstrafe, die solange andauert, bis Sie herausgefunden haben, was daran falsch ist.
https://www.n-tv.de/regionales/thueringen/Radfahrer-schwer-verletzt-zurueckgelassen-article22409267.html
"Gotha (dpa/th) - Ein 55 Jahre alter Radfahrer ist auf einer Landstraße bei Eisenach von einem Auto erfasst und schwer verletzt zurückgelassen worden. Wie die Polizei mitteilte, waren der unbekannte Autofahrer und der Radfahrer am Montagmorgen Richtung Eisenach unterwegs. Der Wagen habe den Radfahrer bei einem Überholmanöver nach ersten Erkenntnissen gestreift. Der Fahrer des Autos habe Fahrerflucht begangen."
"Schönes" Beispiel für unsere Verhältnisse, die immer öfter in genau diese Richtung abdriften. OLG Hamm hatte schon vor sehr langer Zeit festgestellt, dass beim Überholen eines Radfahrers 1,5 m seitlicher Sicherheitsabstand einzuhalten ist. Welcher Autofahrer kennt diese Zahl überhaupt? Eingehalten wird der jedenfalls von fast keinem.
Und dann immer und immer wieder diese Helmverwirrungen.
Das Problem ist niemals diese Plastemütze, die ja angesichts der vielen tausenden auch sehr schweren Verletzungen der Autofahrer und - Achtung! - Fußgänger auch für diese dann, einer einfachen Logik folgend, zur Pflicht werden müsste.
Wie kommt ein Mensch dazu, einen Verletzten liegen zu lassen? Was ist da in dessen Leben völlig falsch gelaufen? DAS sind die Fragen. Warum wird die gegenseitige Gefährdung im Namen irgendeiner Geschwindigkeit usw. längst schon beinah flächendeckend hingenommen?
Fahre selbst gelegentlich Auto. Bin allerdings eines von diesen Weicheiern, die sich zu 98% an die StVO halten. Also unbedingt auch an diese völlig richtigen 1,5 m Überholabstände. An die Höchstgeschwindigkeit sowieso. Sie, Herr Puschner, können sich mühelos die Schlange hinter meinem Auto bzw. an die wüsten Überholmanöver der Harteier vorstellen.
Musste angesichts der aktuellen Meldung nochmal sein.Es ist kein Plasteproblem und auch keins irgendeiner Ästhetik. Es ist längst ein gefährliches gesellschaftliches Problem!