Böse, gute Verwertungsgesellschaften

GEMA Geht es um sie, gilt oft: Immer feste druff. Sachkenntnis? Ist dann wohl eher nicht gefragt

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Es scheint in diesen Tagen fast schon zum guten Ton zu gehören, zum einen das geltende Urheberrecht als völlig unzulänglich zu geißeln, wie es in äußerster Konsequenz etwa das auch im Freitag (Juni 2012) besprochene Buch „No Copyright“ von Smiers/van Schijndel tut, und sich von den in diesem Bereich tätigen Verwertungsgesellschaften die GEMA vorzunehmen, um mit ihr in gleicher Weise zu verfahren („Kein deutscher Verein ist verhasster als die Gema“, so die Frankfurter Rundschau v. 23.06.2012).

Letzteres geschah in der Freitag-Ausgabe der sechsten Woche dieses Jahres an eher unerwarteter Stelle, auf der letzten Seite, im AZ-Lexikon, Stichwort diesmal: Gebühren.

Unter dem Buchstaben U fand sich der Begriff Überbau, aber nicht von Marx, Basis und Staatsapparat war die Rede, sondern tatsächlich von Gebühren im engeren und unliebsamen Abgaben im weiteren Sinne. Der letzte Satz lautete: „Und: Mit Urheberrechten argumentierend, schüttet die Gema tatsächlich mehr Geld an die verwertenden Plattenfirmen als an die produzierenden Künstler aus.

An dieser Aussage stimmt so gut wie gar nichts.

Zunächst ist festzuhalten, dass die (Schall)Plattenfirmen gar nicht zum Kreis der Ausschüttungsberechtigten gegenüber der GEMA gehören. Vielmehr und ganz im Gegenteil müssen sie auf der Grundlage von mit der Verwertungsgesellschaft geschlossenen Nutzungsverträgen an diese Entgelte zahlen, weil auf den von ihnen verwerteten Tonaufnahmen Musikwerke benutzt werden, deren Nutzungsrechte –jedenfalls in aller Regel-von den Musik-Wahrnehmungsgesellschaften vergeben werden.

Es gibt allerdings eine Institution, ein Unternehmen, welches bei den GEMA-Ausschüttungen Berücksichtigung findet, und das ist der Musikverlag.

Aber selbst wenn im vorliegenden Satz der Begriff „Plattenfirmen“ durch „Musikverlage“ ersetzt würde, bliebe die übrige Ausage falsch. Denn alle Quotelungen zwischen Komponisten beziehungsweise Textdichtern auf der einen und den Musikverlagen auf der anderen Seite sind bei den Auschüttungen der GEMA in der Weise ausgestaltet, dass der Anteil für die Urheber überwiegt.

Würde beispielsweise die Plattenfirma Friday On My Mind Records einen Tonträger nur mit von GEMA-Mitglied Fred Kreator geschaffenen Songs veröffentlichen, müsste das Label für die von ihr verkauften Tonträger einen gewissen Prozentsatz des Erlöses an die GEMA abführen, wonach diese den Geldwert abzüglich Verwaltungskosten an Kreator weiterreicht. Hat der Liederschmied einen Verlagsvertrag geschlossen, erfolgt die Ausschüttung im Verhältnis 60:40 zugunsten des Urhebers gegenüber dem Verlag.

Schließlich führt auch der letzte Teil der Satzaussage, wo von „produzierenden Künstlern“ die Rede ist, nicht zu einem besseren Verständnis.

Die Plattenfirma, nach der Systematik des Urheberrechts und im Branchenjargon der Tonträgerhersteller, schließt nur Verträge mit den auf den Tonaufnahmen zu hörenden Interpreten. Führt man das obige Beispiel also weiter aus und lässt die Sängerin Frieda Performator samt ihrer Band The Backups die Songs im Studio einspielen, so stünden ihr und ihren Musikern nach dem Urheberrechtsgesetz als Ausübenden Künstlern ein Leistungsschutzrecht zu, worauf sich der Vertrag mit dem Tonträgerhersteller bezieht. Das hätte aber mit der GEMA wiederum überhaupt nichts zu tun. Die Akteure sind Interpreten der Songs von Kreator, und nur dieser –plus Musikverlag- hat als Komponist und Textdichter, als Urheber im engeren Sinne mit den GEMA-Ausschüttungen zu tun.

Aus all dem ergibt sich, dass die Satzaussage selbst einer kurzen Überprüfung in keinster Weise standhält, es sei denn… es sei denn, der Autor verfügt über Informationen, die tatsächlich den Wortlaut rechtfertigen. Dann hätten wir es, schwer vorstellbar, mit einem handfesten Skandal zu tun - der aber, wenn auch in aller Kürze, hätte dargelegt, zumindest angedeutet werden müssen.

Einstweilen jedoch bleibt der Eindruck, dass wider alle Berücksichtigung von Branchenstrukturen und urheberrechtlicher Ausgestaltung im Musikbereich die GEMA als dort zuständige Verwertungsgesellschaft diskreditiert wird – eine Übung, die im medialen Bereich mittlerweile zu einer Art Mainstream-Routine geronnen zu sein scheint.

In diesem Sinne bekommt das vom Autor in einem Satz Behauptete zusätzliche Würze und Angriffswucht durch die Umgebung, in der es steht: nach oben durch negativ konnotierte Vorbereitung, danach durch positive Abgrenzung.

Oben, in den zwei vorausgehenden, fettgedruckten Sätzen heißt es: „Zweckentfremdung oder Verschwendung lassen die Autorität der Gebühreneintreiber jedoch schwinden. Beispiele gibt es viele: Alkohol- und Tabaksteuer etwa gehen eben nicht in die Suchtprävention.

Hier kann man sich aussuchen, welche der Stichworte mehr oder welche weniger negativ aufgeladen sind - positiv fällt eigentlich nur der Begriff Alkohol ins Auge. Danach gleitet der Überbau-Beitrag über das verbindende Wort „Und:…“ dann in den letzten, den GEMA-Satz über.

Und es folgt der positive Gegenpol: Der nächste Beitrag im A-Z-Lexikon handelt von einer anderen Verwertungsgesellschaft, der VG Wort, und diese steht dem Verfasser nahe, er gibt ein Bekenntnis ab:Zur Transparenz in eigener Sache: Auf die VG Wort wollen wir von der schreibenden Zunft nicht verzichten“, ja, er liefert sogar eine Liebeserklärung: „Journalisten lieben diese Verwertungsgesellschaft“ – vielleicht etwas viel Emphase, aber warum nicht? Plötzlich, angesichts der ihm offensichtlich, schon qua Profession am Herzen liegenden Wahrnehmungsgesellschaft kehrt Sorgfalt bei der Schilderung von Strukturen ein, auf dem knappen zur Verfügung stehenden Raum wird nicht einmal ausgelassen, dass die begrüßte Tantiemenverteilung auf der Zweitverwertung von Sprachwerken beruht. Alles wäre bestens - wenn nur die gleiche Sorgfalt in GEMA-Angelegenheiten walten würde.

Warum so viele Worte, gemessen an dem einen in den Blick genommenen, aus zwanzig Wörtern bestehenden Satz?

Es liegt an dem großen Unbehagen, dass die so häufig ungenauen, pauschalen Anwürfe allgemein gegen das geltende Urheberrecht und insbesondere gegen die GEMA hervorrufen.

Diese Verwertungsgesellschaft hat in ihrem Zuständigkeitsbereich –Musik- eine problematische Position, sozusagen den Schwarzen Peter, was Phänomene wie Tauschbörsen und YouTube angeht. Gleichzeitig muss sie sich mit Kneipenwirten, Boutiquenbetreiberinnen, Discobesitzern und Veranstaltern auseinandersetzen – keine leichte Aufgabe.

Da sind Prügel obligatorisch. Diese finden statt in Form einer Kaskade von kleinen Nadelstichen, verstreuten Behauptungen, die meistens einem zweiten Blick, einer näheren Überprüfung nicht standhalten. So scheint denn doch oft das genaue Gegenstück einer Schwarmintelligenz zu agieren.

Dabei käme es so sehr darauf an, daß man die Kritik und die dahinterstehende Stimme beim Wort nehmen kann.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rüdiger Grothues

Musiker, Jurist, Autor

Rüdiger Grothues

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