Giftiger Sprachgebrauch

Toxische Männlichkeit Anmerkungen zum Thema anhand eines aktuellen Freitag-Beitrags

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...daß ein Gift, welches nicht gleich wirkt, darum kein minder gefährliches Gift ist. Gotthold Ephraim Lessing

In der aktuellen Ausgabe des Freitag (Nr. 50/2018, auch hier) erscheint ein Artikel, der sich mit Jens Spahns Strukturreform der psychologischen Versorgung befasst.

Eingangs wird von einem Mann berichtet, in dessen Ohren es "fiept" und der deshalb zum Arzt geht. Zutreffend weist die Autorin in dem Zusammenhang darauf hin, dass dies wie ein Witz klingt ("kommt ein Mann zum Arzt"; Geht ein Musiker an einer Kneipe vorbei"), denn Männer suchen einen Arzt viel seltener auf als Frauen. Gar nicht witzig allerdings kommt der letzte Satz des Eingangsabsatzes daher, der mit einem weiteren vermutlich zutreffenden Männerbefund beginnt, Woody Allen & Co hin oder her:

"Männer sind noch größere Therapiemuffel, wahrscheinlicher ist jetzt also, dass der Mann sich krankschreiben lässt, dann weitermacht wie bisher, Ende offen, dabei –STICHWORT TOXISCHE MÄNNLICHKEIT [Hvm]– könnten Gespräche helfen?"

Der erste Absatz in dem Beitrag geht also von einem Menschen aus, der psychische Probleme hat, vermutlich psychisch erkrankt ist. Vielleicht ist er aber auch gar kein Mensch, den irgendetwas quält, dem etwas widerfahren ist, sondern ein Mann, denn der letzte Halbsatz ("dabei – Stichwort toxische Männlichkeit – könnten Gespräche helfen?") suggeriert, dass die Probleme bei ihm in der als Mann per se zu diagnostizierenden Toxizität liege.

Den Begriff "TOXISCHE MÄNNLICHKEIT" habe ich zuletzt auch in einem Zeitungskommentar verwandt, allerdings nur als Zitat, mit Anführungsstrichen versehen. Ich wurde in Reaktion darauf gefragt: "Der Begriff „toxische Männlichkeit“ bewegt sich verdammt nah an der Vorstellung menschlichen Ungeziefers, mithin eines faschistischen Sprachgebrauchs, finden Sie nicht?" Ich habe zugestimmt und auf die Anführungsstriche verwiesen.

Selbst die frühen sprachlichen Lockerungsübungen in Sachen Männerbehandlung kamen vielleicht weniger witzig daher, als es der erste Anschein vermuten läßt.
Das gilt etwa für den Autoaufkleber "Ich bremse auch für Männer", der irgendwann neben dem allgegenwärtigen "Atomkraft Nein Danke"-Button die Enten und Käfer zierte.
Oder den Witz, den eine Schwägerin am Familientisch erzählte: Was macht die Frau, deren Mann im Zickzack durch den Garten läuft? Weiterschießen." Das Protokoll vermerkte nicht ganz ungeteilte Heiterkeit - und wenn es dann so harmlos lacht (Franz Josef Degenhardt).

Vielleicht hilft an dieser Stelle ein Blick auf Art. 3 Abs. 3 GG -im Hintergrund grüßt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte im Lichte ihres 70. Geburtstages-, gewiss in erster Linie Abwehrrechte gegen die Öffentliche Gewalt, aber als Leitlinie doch wenig umstritten, sieht man vom Kriterium der Rasse ab.

Geht man dann den Katalog als Diskriminierungsverbot durch, also etwa die Kriterien Geschlecht, Abstammung, Glauben, religiöse und politische Anschauungen, und setzt schließlich in den oben genannten Beispielen statt Mann z.B. Frau ein oder Kommunist, Christ oder Jude, Moslem oder Kaukasier (männliche und weibliche Form), dann wird vielleicht klarer, um was es geht, auch wenn konsensgesättigte Floskeln vermeintlich so harmlos daherkommen.

Hier bloß von Herablassung zu reden hieße, das Wörterbuch des Unmenschen als Zitatenschatz der Weltliteratur misszuverstehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Rüdiger Grothues

Musiker, Jurist, Autor

Rüdiger Grothues

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