Herausgekommen ist ein Papier, das unter anderem die Tarifautonomie in Frage stellt.
Aber langsam. Norbert Häring hat auf seinem Blog das wesentliche zusammengefasst. Hier findet sich der Originalreport auf deutsch.
Ich werde es noch einmal ergänzen und wichtiges zusammenfassen:
Die EU-Kommision hat in Absprache mit anderen EU-Institutionen ein Massnahmenpaket beschlossen. Dieses wird in Form konkreter Gesetzesvorhaben dem EU Parlament vorgelegt, nickt dieses die Vorhaben ab, werden die Richtlinien für die Nationalstaaten verbindlich.
Was steht drin?
Zuerst einmal: Viel Bla bla. Es sind aber ein paar echte Hämmer enthalten.
Die EU-Kommission mischt sich in die Tarifabschlüsse ein
Es gibt das "Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten" bereits. Dieses kann von der EU-Komission ausgerufen werden, wenn in einem Staat, bestimmte, definierte Ziele verfehlt werden. Die Komission "berät" dann die Regieung des betreffenden Landes zu Maßnahmen, stellt sich die Regierung quer, können Geldstrafen in Höhe von 0,1% des BIP verhängt werden.
Nun soll die Zuständigkeit der Komission ausgeweitet werden. Unter anderem möchte sie Ziele für die Lohnentwicklung vorgeben.
Im Klartext: Wenn in Zukunft die Tarifverhandlungen zu einem der Komission nicht beliebenden Ergebnis kommen kann sie Deutschland abstrafen. Natürlich wird es darauf hinauslaufen, dass die Regierung versucht, einer Strafe zu entgehen. Das heißt, sie ist angehalten, offenen Verfassungsbruch zu begehen, denn die Tarifautonomie ist aus gutem Grund im Grundgesetz verankert!
Man könnte jetzt meinen, das wäre eine hypothetische Möglichkeit von der nicht Gebrauch gemacht wird, ähnlich wie es bis jetzt bezüglich Deutschlands Verstösse gegen eine ausgeglichene Handelsbilanz der Fall war. Dem ist aber nicht so! Die Komission plant eine aktive Einmischung. Hier im Original:
"Das Verfahren sollte nicht nur zur Feststellung von
Ungleichgewichten verwendet werden, sondern
auch zur Förderung von Strukturreformen im Zuge
des Europäischen Semesters. Diese korrektive
Komponente sollte mit Nachdruck eingesetzt werden. Es sollte eingeleitet werden, sobald übermäßige Ungleichgewichte festgestellt werden, und ebenfalls genutzt werden, um die Umsetzung von Reformen zu überwachen.
[...]
Dieser Weg muss fortgesetzt werden, um
die Mitgliedstaaten für die Einhaltung ihrer Zusagen zur Rechenschaft ziehen. Hier sollte systematischer Gebrauch gemacht werden von regelmäßigen Berichte zum Stand der Umsetzung, regelmäßigen „Peer Reviews“ oder Verfahren, bei denen die Staaten gegebenenfalls darlegen müssen, warum sie den Empfehlungen nicht gefolgt sind („comply or explain“).
[...]
Parallel dazu müssen die Möglichkeiten des Verfahrens bei makroökonomischen Ungleichgewichten (VMU) in vollem Umfang genutzt werden."
Neben der Lohnentwicklung will die Komission Vorgaben zu einer schwammig benannten "Wettbewerbsfähigkeit" machen, wir wissen aus Griechenland was das heisst. Die Arbeitsmarktgesetze stehen explizit schon im Fokus.
Das Massnahmenpaket ist undemokratisch
Der Plan zielt darauf ab, nationale Kompetenzen zu europäischen zu machen. Langfristig sollen sogar Fiskal- und Handelspolitik harmonisiert werden.
Aber: Die Kompetenzen die den demokratisch gewählten Parlamenten der Nationalstaaten genommen werden, gehen nicht etwas an das EU-Parlament. Der Massnahmenkatalog sieht ausschließlich eine Stärkung der durch nichts legitimierten EU-Komission vor!
Man schwafelt zwar von einer Stärkung der demokratischen Legitimation, die konkreten Pläne sind aber schlichtweg eine Farce: Das Recht des EU-Parlament wird sich, im Falle des Verfahrens bei makroökonomischer Ungleichgewichte, auf eine Debattebeschränken. Zusätzlich darf ein Vertreter des nationalen Parlaments zuhause einen Vortrag über den Willen der Komission halten. Das ist das Demokratieverständnis der EU-Institutionen!
Im Original:
"Diese Dialoge ließen sich allerdings verbessern, indem dafür vorab Zeitfenster in den wichtigsten Stufen des Semesterzyklus festgelegt würden. Um europäische und nationale Akteure zusammenzubringen, wurde eine neue Form der interparlamentarischen Zusammenarbeit eingerichtet. Diese erfolgt während der Europäischen Parlamentarischen Woche, die vom Europäischen Parlament in Kooperation mit den nationalen Parlamenten organisiert wird und in deren Rahmen Vertreter der nationalen Parlamente die politischen Prioritäten eingehend erörtern. Im „Two-pack“ ist außerdem das Recht der nationalen Parlamente verankert, einen Kommissar einzuladen, der dann die Stellungnahme der Kommission zur Haushaltsplanung oder ihre Empfehlung an einen Mitgliedstaat, der Gegenstand eines Defizitverfahrens ist, präsentiert -dieses Recht sollte künftig systematischer als zurzeit wahrgenommen werden."
Empörung ist notwending. Bitte tragt dazu bei, dass dieses Vorgehen publik wird.
Kommentare 10
Ist das der "Weg" in einen EU-Faschismus?
Oder was?
Du hast vielleicht Sorgen. In Polen haben die BürgerInnen gerade beschlossen, daß sie wohl Zuwendungen von der EU haben wollen, aber keine Flüchtlinge, weil die den katholischen Frieden in Polen stören könnten; im Umkehrschluß heißt das, die EU wird in der heutigen Form gerade in die Tonne getreten.
Sie reden von Lappalien, ich von der Unterwanderung des Grundgesetzes. Es ist traurig wenn sie den Unterschied nicht sehen.
Ich sehe das, hege nur die Hoffnung, daß die aktuellen Ereignisse schneller sind, als die EU-Kommission, denn letztendlich entscheidet der EU-Rat und wird das kippen, wie bereits andere Verfahren der EU-Kommission gekippt worden sind, wenn nazionale Belange zu viele WählerInnenStimmen kosten könnten.
Vielen dank für die informative Zusammenstellung wesentlicher Punkte im Maßnahmepakt- ist an mir vorbei gerauscht! Werde es mir genauer anschauen!
Wirtschaftsunternehmen arbeiten für monetären Gewinn, öffentliche Körperschaften arbeiten für die Vermehrung von Dienstposten, weil damit ihre Bedeutung wächst. Die EU ist bisher lediglich eine Freihandelszone mit sehr vielen, selbst verschuldeten Baustellen; eine politische Union wird das erst, wenn alle EU-BürgerInnen die volle Freizügigkeit in der EU haben - also etwas voreilig mit Präses und Minister in der EU. Nehmen wir die Tarifautonomie in D, die mit diesem EU-Programm ausgehebelt werden kann; im Gegenzug zur Tarifautonomie haben wir hier in D keinen Generalstreik, wie in anderen Staaten. Abgesehen davon, daß wir das Grundgesetz hier einklagen können, können wir dann auch, wenn das GG ausgehebelt werden sollte, hier mit einem Generalstreik die LügenPolitik unter Druck setzen.
"Das Massnahmenpaket ist undemokratisch"
was soll man von einer undemokratischen Eu Kommission sonst erwarten ? ... an sich ist angesichts von TAFTA/CETA gar nichts Positives mehr von der "Brüssler Spitze" zu erwarten ... vor allem nichts Demokratisches ... das möchten die Meisten nur noch nicht wahrhaben ...
...wenn die Finanz-Ökonomie kolabiert, was ja seit einiger Zeit, wenn auch langsam, passiert, die Realwirtschaft weiter so schrumpft wie jetzt, wird die EU als solche mit untergehen, meine ich. Es ist eine von den vielen Institutionen, die nur bei kapitalistischem Wachstum überleben (können) ...
Lieber Sikkimoto,
Dank für den Hinweis auf EU-Kommissions-Aktivitäten.
Alles, was die Kommission für ihr Regieren beansprucht, muss von nationalen Regierungen und ihren Chefs/Chefinen abgesegnet werden, und das ist bei derzeitiger Strittigkeit kaum zu erwarten. Generelles Unbehagen: Demokratie geht durch technokratisch geführte EU-Regierung Baden, wie Du richtig anführst. Andererseits erfordert ein tatsächlich geeinter Kontinent, den wir für die Zukunft unserer Kinder wollen, Kompromisse von allen nationalen Egoismen.
Wenn wir uns das Beispiel der "Weltregierung" UN anschauen, die auch ein Konglomerat von Regierungen darstellen, nicht aber von Bürgern, sehen wir immerhin eine weiterreichendere demokratische Teilhabe von Zivilgesellschaften als auf europäischer Ebene. Es gab und gibt globale demokratische Diskussionen über wichtige Menschheitsfragen: Klima, Nachhaltigkeit, Sozialpolitik, Frauenfragen, Rassismus, Diskriminierung usw. usf. mit jeweils parallel tagenden zivilgesellschaftlichen Vereinigungen, die von Aussen Druck auf Regierungen machten. Das hat wesentlich zur Weiterentwicklung der Menschenrechte und internationalem Recht beigetragen, die Regierungen, wenn auch mit Zahnschmerzen, hinnehmen mussten. Wenn Du so willst, beginnt sich ein weltweiter Vorgang zu verselbständigen, die einseitig von Regierungen getragene UN-Regierung und UN-Parlament einer sozialen Kontrolle der Bürger aller Länder auszusetzen.
In Europa, jetzt mit Ausnahme der Diskussion um Freihandelszonen, ist so ein Prozess sozialer Kontrolle nicht zu beobachten. Da sollte angesetzt werden, über die "Strasse", um der Kommission, dem Rat und dem Parlament einzuheizen unter der Parole: Zivilgesellschaften, lasst Euch nicht von Technokraten entmündigen. Das "Europäische Haus" muss durch die Bürger definiert werden.
LG, CE
Die Sache kommt ins Rollen. Nach zwei Tagen Schweigen ist auch der DGB aufgewacht.
Mehr und mehr zeigt sich, dass EU (in ihrer gegenwärtigen beziehungsweise von den Eliten anvisierten Form) und Demokratie unvereinbar sind. Ich denke, der Prozess ist zwischenzeitlich bis zu einem Punkt gediehen, an dem nur noch das Ziehen des Notsteckers hilft.