Ignoranzfaschisten

Ein Nachruf Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der AfD Wähler „echte“ Rassisten oder Faschisten sind: die Mehrheit sind „Ignoranzfaschisten“.

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Rassismus und Faschismus sind nicht das dominierende Merkmal der AfD. „Ignoranzfaschisten“ sind Menschen, die eigentlich unpolitisch sind, daher aber eben keinen Blick für politische Überzeugungen oder kein Interesse an den Überzeugungen der Politiker haben, die sie wählen. Es gibt sicherlich Faschisten in der Afd, Björn Höcke macht sich da irgendwie verdächtig, wenn er von den „Reproduktionsstrategien“ der Afrikaner schwafelt. Aber: Mir fällt immer etwas anderes auf, was auch in den Medien thematisiert wird. Der Spiegel zitierte den Soziologen Heinz Bude: „Diese Systemfeindlichkeit, die früher vor allem der Linken attestiert wurde, ist heute für die AfD programmatisch.“

Diese Systemfeindlichkeit ist aber eben auch für Pegida und ihre Ableger programmatisch und verschafft sich Gehör, wenn ihre Anhänger rufen: „Wir sind das Volk“. Denn entgegen der Vermutung, dieser Ausruf sei ein Ruf nach Demokratie, wie 1989 gegen den Unrechtsstaat DDR, wendet sich dieser Ausruf heute eben gegen die Demokratie selbst, gegen „das System“ an sich, gegen „das Establishment“, gegen die „Lügenpresse“, gegen die „Blockparteien“. Für „Merkel muss weg“.

Wir sind das Volk“ entspricht jetzt eher der Geisteshaltung, aus der das Zitat in Büchners Dantons Tod etspringt:

„Erster Bürger. Wir sind das Volk und wir wollen, daß kein Gesetz sei, ergo ist dieser Wille das Gesetz, ergo im Namen des Gesetzes gibts kein Gesetz mehr, ergo totgeschlagen!“

Das ist das Niveau auf dem „Wir sind das Volk“ inzwischen angekommen ist. Das ist erbärmlich, das ist niveaulos das ist die Verkehrung der Demokratie ins Gegenteil: das ist die Konterrevolution, das wäre die Diktatur der Minderheit. Nicht die Rückabwicklung der 68er, sondern die Rückabwicklung der Demokratie, der Freiheit, der Sicherheit an sich bricht sich da Bahn.

Es würde zur Herrschaft des Terrors führen, zur Herrschaft derer, die Flüchtlingsheime anzünden und Ausländer verfolgen, wenn die Mehrheit es nicht schafft, die Prinzipien des Rechtsstaates zu verteidigen und dafür sonntags den Hintern zur Wahl hoch zu kriegen. Das ist der "Ignoranzfaschismus", wider besseres Wissen das falsche wählen und zulassen.

Rassismus ist ein großes Problem, aber nicht das größte. Es ist einfacher, Rassisten bloß zu stellen, als Menschen, die aus Ignoranz die falsche Wahl treffen. Und ignorant sind in dem Sinne viele AfD Wähler. Das Phänomen AfD auf Rassismus oder Fremdenfeindlichkeit zu reduzieren, ist zu einfach. Die AfD ist das Sinnbild für die Entpolitisierung der Politik, für den Aufstieg des Stammtisches zur politischen Kraft und für den Aufstieg der 140 Zeichen Aussage zu einer Meinung. Aber die Antworten der AfD sind zu einfach, um echte Antworten zu sein. Es sind nur Gutenachtgeschichten und so schlafen die Anhänger der einfachen Antworten einfach weiter und legitimieren den Extremismus.

Nicht die Rassisten sind das größte Problem, auch nicht die „Latenznazis“, am Ende sind es die „Ignoranzfaschisten“, die die Demokratie zu Grabe tragen.

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