Kritik der Kunst-Kritik

Kunst Ein Vorfall in der Community gibt Anlass, die Kunst-Kritik allgemein in Frage zu stellen

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Vor einiger Zeit sorgte ein Gedicht, vor der Mehrheit der Leser im Kommentarbereich dieser Community versteckt, für Aufsehen und dramatische Folgen. Das Gedicht wurde von „der Kritik“ – geäußert ebenfalls im Kommentarbereich – mit Ablehnung aufgenommen und wie das so ist, man berief sich in erster Linie auf die größere Kompetenz bei der Beurteilung von Gedichten, ein Totschlagargument erster Güte. Darauf folgten Abmeldungen und eine Wieder-Anmeldung, es folgte ein stark diskutierter eigener Blog dazu, erneut mit viel bösem Blut.

Niemand wird wohl im Nachhinein behaupten wollen, dass es das wert war, denn es ging eben nur um ein kleines Gedicht (klein ganz streng im Sinne von kurz, nicht etwa im Sinne von minderwertig). Das Gedicht war in der Aussage, das kann man dann doch vielleicht sagen, eher harmlos, nicht etwa so wie die Grass`schen vorvorvor...letzten Worte etwa, zumal sich die Kritik wohl auch eher auf die Form denn auf den Inhalt bezog.

Die Frage, die sich in meinen Augen bei derlei Angelegenheiten immer wieder stellt, lautet: Macht Kunst-Kritik überhaupt einen Sinn oder sollen wir damit nicht einfach aufhören?

Ausgehen möchte ich von folgender, nach Bauernschläue riechender Aussage: „Die Geschmäcker sind verschieden.“

Im Bezug auf Speis und Trank lässt sich die Überzeugungskraft dieser Aussage leicht nachvollziehen: Wer würde sich schon entblöden darüber zu streiten ob Äpfel besser schmecken als Birnen? Wäre nicht selbst ein bis dato unentdecktes Dschungelvolk irgendwie im Recht, wenn es behaupten würde, Scheiße schmecke gut, auch wenn wir, naja, dann vielleicht argumentieren würden, die Scheiße, das ist doch das, was der Körper wieder ausscheidet, also wenn man gerade das dann besonders gerne mag, dann ist man ja schon ein bisschen komisch usw.. Komisch ok, aber im Unrecht?

Hinsichtlich Speis und Trank scheint es mehrheitsfähig zu sein, dass die Frage „lecker oder nicht“ sich allein in der Wahrnehmung des Einzelnen abspielt, dass es müßig wäre, hier irgendwelche objektiven Kriterien aufzustellen. Meine These ist, dass das für die Kunst genauso gilt.

Vor einigen Jahren befand ich mich mit einem damals befreundeten Kunstgeschichts-Studenten auf dem Weg zu dessen neuer Wohnung und in einiger Entfernung zeigte er dann auf ein Haus und sagte: „Das ist es, das Haus mit der hässlichen Fassade.“

Ich komme mir im Nachhinein selbst etwas unsympathisch vor, aber ich habe dann ein Fass aufgemacht und gesagt, dass man das doch so gar nicht objektiv sagen könnte, ob eine Fassade hässlich wäre.

Der ehemals befreundete Kunstgeschichts-Student entgegnete mir dann aber, dass man das sehr wohl könne. (Die Fassade war ziemlich heruntergekommen).

Seitdem glaube ich, dass ich mehr von Kunst verstehe als dieser Kunstgeschichts-Student.

Die Gerichte, wegen Artikel 5 (Kunstfreiheit) vor allem das Bundesverfassungsgericht, sind in der Not „Kunst“ zu definieren, ich habe darüber geschrieben. Das sie daran scheitern gibt meinen bisherigen Ausführungen Recht.

Ich – für meinen Teil – habe keine Definition, ich habe aber eine Annäherung:

Kunst zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit bestimmten Mitteln (jaja, deswegen nenne ich es ja auch nicht Definition) eine Brücke zwischen dem Schöpfer des Kunstwerkes und dem Rezipienten schlägt. Die Gestalt dieser Brücke ist durch das Kunstwerk noch nicht vorgegeben, sie ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel des Kunstwerkes und des Rezipienten. Deswegen ist auch jede geschlagene Brücke einzigartig. Zu einem solchen Brückenschlag kommt es dann, wenn der Rezipient etwas mit dem Kunstwerk anfangen kann, wenn es ihm etwas sagt, wenn es ihm irgendetwas gibt. Bereits im Fall eines einzigen solchen Brückenschlages muss ein Kunstwerk als gelungen bezeichnet werden, die Anzahl solcher Brückenschläge ist dann nur noch eine Frage des Erfolgs eines Kunstwerkes, hat aber mit der Frage, ob es sich überhaupt und Kunst handelt, nichts mehr zu tun.

Vor diesem Hintergrund gilt bezüglich der Kunstkritik Folgendes: Hat man es mit einem Verriss zu tun (wie etwa bei dem eingangs geschilderten Community-Vorfall), dann kann man daraus nur schließen, dass der Kritiker mit dem Kunstwerk nichts anfangen konnte, dass es zu dem beschriebenen Brückenschlag nicht gekommen ist. Da jedoch irgendein anderer vollzogener Brückenschlag ausreicht, um das Kunstwerk als solches zu legitimieren, ist die Kritik völlig irrelevant.

Wenn man das so sieht, dann kann sich auch eine weitere der vielen positiven Wirkungen von Kunst entfalten. Es ist meine Erfahrung, dass viele Menschen dazu neigen, ihre subjektive Wahrnehmung zu verallgemeinern, sich selbst damit eine gewisse vermeintliche Legitimation, eine gewisse Sicherheit zu geben. Der Autor hat jedoch erlebt wie angenehm es ist, wenn man bei seiner subjektiven Wahrnehmung mal einfach stehen bleibt. Das hätte nicht nur dieser Community Streit, virtuelles Sterben und eine virtuelle Wiederauferstehung erspart.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
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