Von Philosophenkönigen, Experten und Kanzlern

Politik Der Bundeskanzler muss kein Philosoph und auch kein Experte sein. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass er die Gesetze von der freien Wirtschaft schreiben lässt

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Man muss sich das Elend in der gegenwärtigen Politik nur ein Weilchen anschauen, um sich für eine undemokratische Sehnsucht empfänglich zu machen: Wäre es nicht schön, wenn wir an die Spitze unseres Staates einfach den weisesten, klügsten, integersten, alle positiven Eigenschaften in sich vereinigenden Menschen setzen würden? Würde dieser Mensch Griechenland kaputt sparen? Würde dieser Mensch die Herdprämie einführen, nur weil eine bayerische Regionalpartei mit einem gestrigen Familienbild das wünscht? Würde dieser Mensch Waffenexport erlauben? Würde dieser Mensch höchstdotierte Vorträge in der freien Wirtschaft halten? Die Antwort auf all diese Fragen und auf alle weiteren in diese Reihe gehörenden Fragen lautet eindeutig: „Nein!“.

Platon träumte schon ungefähr 400 vor Christus von einem sogenannten „Philosophenkönig“ und Peter Fitzek, der jüngst in Wittenberg sein eigenes schein-Königreich gegründet hat, setzt ebenfalls für das Gelingen seines Staates auf den weisesten Menschen an der Spitze.

Zum Glück aber leben wir in einer Demokratie und in der Demokratie, wie sie das Grundgesetz vorsieht, braucht es keiner besondere Qualifikation, um an die Spitze der Regierung gewählt zu werden. Während Platon für seinen Philosophenkönig eine Ausbildung und Erziehung zur Erlangung der Weisheit vorgesehen hat, braucht es in Deutschland – um Bundeskanzler zu werden – nicht einmal einen Schulabschluss.

Das Grundgesetz geht offenbar von der Prämisse aus: „Bundeskanzler kann jeder“.

Aber: Ob Philosophenkönig oder Bundeskanzler: In unserer komplizierten Welt würde der Philosophenkönig ebenso von der Beratung sogenannter Experten abhängig sein, wie es der Bundeskanzler tatsächlich ist. Denn das ist der Hintergrund der Prämisse, dass Bundeskanzler jeder kann: Der Bundeskanzler muss kein Experte etwa der Volkswirtschaftslehre sein, er muss lediglich in der Lage sein, mögliche Lösungen bezogen – zum Beispiel – auf volkswirtschaftliche Probleme abzuwägen und zu einer vernünftigen Entscheidung zu kommen.

Selbstredend ist es dabei von entscheidender Bedeutung, dass der Bundeskanzler oder ein Minister die bezeichnete Abwägungsentscheidung aber auch tatsächlich selbst trifft und die Entscheidungskompetenz nicht an die sogenannten Experten abtritt.

Aufgrund eines Berichtes der Bild-Zeitung, wonach die internationale Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer zwischen den Jahren 2005 und 2009 vom Bundesfinanzministerium 1,8 Millionen Euro an Beratungshonorar erhielt, bringt einen Fall zurück in das Bewusstsein der Öffentlichkeit, in dem das nicht der Fall war. Die Freshfields-Anwälte haben die Bundesregierung nicht nur beraten, sie haben Gesetze weitestgehend selbst verfasst.

Wenn nun wieder die Frage aufgeworfen wird, ob die Ministerien überhaupt mit der notwendige Expertise ausgestattet sind, um wenigstens die Gesetze selbst zu schreiben, sollten wir nicht aus den Augen verlieren, dass auch die Ministerien in unserer Demokratie nicht Gesetzgebungsorgan sind. Auf Bundesebene ist Gesetzgebungsorgan der Bundestag. Und der Bundestag ist noch mit deutlich weniger Expertise ausgestattet als die Ministerien. Solange wir uns in der Praxis aber immer weiter von der Demokratie entfernen, die das Grundgesetz vorsieht, so lange werden auch die undemokratischen Forderungen nach einen Philosophenkönig nicht verstummen.

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