Babylon Berlin

TV-Serie Die Dritte Staffel der deutschen Serienproduktion zeigt Berlin als Filmkulisse, Partystadt, sozialen Brennpunkt und politische Bühne in Zeiten der Weimarer Republik

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Schwarzer Freitag bei Babylon Berlin. Die 12 neuen Folgen der dritten Staffel der Serienkoproduktion der ARD mit dem Bezahlsender Sky-TV beginnen und enden mit dem Börsencrash von 1929. Basierend auf dem zweiten Gerion Rath-Roman Der stumme Tod von Volker Kutscher tauchen die Regisseure und Drehbuchautoren Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries wieder tief ein in die Geschichte der Weimarer Republik kurz vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten und beackern zudem höchst eigenes Geschichtsterrain, indem sie Kriminalkommissar Rath (Volker Bruch) und die Kriminalassistentin Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries) in einem Mordfall auf dem Set einer Musikfilmproduktion in den Babelsberger Filmstudios ermitteln lassen. Eines ersten Tonfilms wohlgemerkt, der mit der Erschaffung einer Mensch-Maschine u.a. Anleihen bei Fritz Langs Stummfilmklassiker Metropolis (1927) nimmt. Auch sonst wildern die deutschen Erfolgsserienmacher wieder in den Goldenen Zwanzigern der Berliner Musik- und Nachtclubszene, auch wenn sie es mit den historischen Tatsachen nicht immer so ganz genau nehmen.

Aber vor allem geht es hier zumeist ums liebe Geld. Und auch wenn der Anfang der ersten Folge das böse Ende schon vorwegnimmt, der Aktienmarkt boomt im Jahr 1929, das deutsche Volk investiert und das auf Pump, setzt auf große Versprechungen, die sich bekanntermaßen nicht erfüllen werden. Papier fliegt durch die Luft, die aufgebrachte Menge tobt, der Wahnsinn bricht sich Bahn. Inmitten ein taumelnder Gerion Rath, den es in den weiteren Folgen sowohl privat wie auch dienstlich beuteln wird. Doch zunächst muss das Ermittlerduo Rath und Ritter zu einem Mord nach Babelsberg. Ein Scheinwerfer hat sich gelöst und die Hauptdarstellerin Betty Winter mitten in den Dreharbeiten zur Filmrevue Dämonen der Leidenschaft erschlagen. Weitere Morde am Set werden folgen. Ein Phantom in Schwarz mit Messer taucht immer wieder auf und wird dramatisch gejagt.

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Die Jagd behindern will in jedem Fall der in den ersten beiden Staffeln eingeführte Berliner Unterweltboss Edgar Kasabian, genannt Der Albaner (Mišel Matičević), der nach dem Brand im Moka Efti mit seinem gerade aus der Plötze entlassenen Kompagnon Walter Weintraub (Ronald Zerfeld) mit ebenfalls bei der Bank gepumptem Geld ins Filmgeschäft investiert hat. Bei Mord zahlt die Versicherung nicht. Also gilt es der Polizei Steine in den Weg zu legen, bis die beiden selbst in Verdacht geraten, ihre Finger im Spiel zu haben. Ein wenig Chicago in Berlin mit Maschinenpistolen. Al Capone grüßt über den großen Teich und die durch die Ermittlungen aufgeschreckte Berliner Unterwelt spielt M - Eine Stadt sucht einen Mörder. But the Show must go on. Es wird bald wieder mit wechselnden Hauptrollen weitergedreht. Und auch Meret Becker, die als Esther Kasabian zwischen den beiden plötzlich nicht mehr so dicken Kumpeln steht, bekommt ihren großen Auftritt.

Ein anderes Dreiecksverhältnis bahnt sich zwischen Kommissar Rath, seiner jungen Assistentin und der nun mit ihrem Sohn Moritz (Ivo Pietzcker) bei ihm lebenden Frau (Hanna Herzsprung) seines im Ersten Weltkrieg verschollenen Bruders an. Es ist nicht zu viel verraten, wenn man sagt, dass sich da die einen Wege trennen, die anderen aber noch nicht treffen werden. Wiedertreffen wird man aber in jedem Fall die eine oder andere Figur der ersten beiden Staffeln wie den schwer gestörten Schwerindustriellenspross Alfred Nyssen. Lars Eidinger läuft hier langsam zur Hochform auf. Nyssen sucht Partner für eine börsenspekulative Wette auf den Untergang der ihm verhassten jüdischen Finanzmischpoke. Und da wird es wieder politisch, wenn er diese Unterstützung bei deutschen Banken und rechtskonservativen Politikern und Militärs (Benno Fürmann als Regierungsrat Wendt und Ernst Stötzner als Generalmajor Seegers) sucht, die sich ihrerseits nationalsozialistischer SA-Schläger bedienen, um die Republik ins Wanken zu bringen.

Wendt und Seegers, dem die 3. Staffel noch eine aufmüpfige linksorientierte Tochter (Saskia Rosendahl) verpasst, arbeiten weiter an der nationalen Genesung Deutschlands. Kommissar Rath sucht weiter die echten Rädelsführer des Mordanschlags an Gerichtsrat Benda, für den das Zimmermädchen Greta Overbeck (Leonie Benesch) auf ihre Hinrichtung wartet. An ihrer Rettung ist nicht nur Freundin Charlotte, sondern bald auch der kommunistische Anwalt Hans Achim Litten (Trystan Puetter) beteiligt ist. Eine der neben Gustav Stresemann (Werner Wölbern) einzigen realen Persönlichkeiten der Weimarer Republik. Auch die vierte Macht im Staate spielt wieder eine Rolle in Babylon Berlin. Fred Jacoby (Peter Jordan), Journalist beim Boulevardblatt Tempo, hängt sich lieber an der Story um die Babelsberger Morde, während Samuel Katelbach (Karl Markovics) weiter die illegale Aufrüstung der Reichswehr verfolgt. Martin Wuttke hält dafür als Chefredakteur Heymann den Nazi-Schlägern gern seine Visage hin.

Berlin als Filmkulisse, Partystadt, sozialer Brennpunkt und politische Bühne an historischen Orten wie etwa dem Romanischen Café, wo die Gäste nach ihrer Prominenz in Schwimmer und Nichtschwimmer eingeteilt werden. Die 3. Staffel Babylon Berlin geht da sehr in die Breite, tanzt zuweilen in immerhin 12 Folgen an etwas zu vielen Schauplätzen, geht dabei aber doch nicht ganz verloren, wie der geheimnisvolle Goldtransport der ersten Staffeln in den Weiten Russlands. Bleibt die spektakuläre Aufklärung einer Mordserie, für die die Ermittler der „Roten Burg“ um den Leiter der Mordinspektion Ernst Gennat (Udo Samel) sogar den mysteriösen Psychoanalytiker und Okkultisten Dr. Anno Schmidt (Jens Harzer) nebst Medium bemühen, und ein mittelschwerer Cliffhanger am Ende, der Appetit auf die Staffel 4 machen soll, die, so Corona will, ab März 2021 gedreht wird.

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Zuerst erschienen am 21.10.2020 auf Kultura-Extra.

Zu sehen sind alle 12 Folgen der 3. Staffel sowie die Staffeln 1 und 2 auf der ARD-Mediathek noch bis Januar 2021.

Weitere Infos siehe auch: https://www.daserste.de/unterhaltung/serie/babylon-berlin/index.html

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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