Max Beckmann und Berlin

Kunst Die Berlinische Galerie zeigt eine Ausstellung über die Berliner Jahre des vielseitigen Malers, Grafikers und Bildhauers

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„Max Beckmann ist das neue Berlin.“ schrieb 1924 der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe. Bis dahin war es ein langer Weg und Beckmann eigentlich schon längst in Frankfurt/M. Meier-Graefe lernte den 20 Jahre jungen Maler 1906 kennen. Da betrieb Beckmann bereits zwei Jahre sein Atelier in Berlin-Schöneberg und hatte den Villa-Romana-Preis des Deutschen Künstlerbundes für sein Gemälde Junge Männer am Meer erhalten. Der aufstrebende Beckmann erhoffte sich auch weiterhin großen Erfolg. Selbstbewusst malte er sich im feinen Anzug mit Zigarre am Fenster des Künstlerhauses in Florenz, das der ebenfalls aus Leipzig stammende Max Klinger im Jahr zuvor erworben hatte. Beckmann zog nach seinen Studienaufenthalten in Paris und Florenz wieder nach Berlin, ließ sich mit seiner Frau Minna Beckmann-Tube in Hermsdorf nieder und wurde Mitglied der Berliner Secession.

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Zeitlebens verband den Maler eine Faszination und Hassliebe mit der modernen Metropole an der Spree, obwohl man ihn eigentlich eher mit Städten wie Paris, Frankfurt/M, Amsterdam oder später New York in Verbindung bringt. Zu ihrem 40. Jubiläum beleuchtet nun die Berlinische Galerie erstmals die Berliner Jahre Max Beckmanns. Mit insgesamt 50 Werke aus Sammlungen in Berlin, Hamburg, München, Frankfurt/M und anderen in- und ausländischen Museen umspannt die Ausstellung Max Beckmann und Berlin die beiden längeren Berlin-Aufenthalte Beckmanns von 1904 bis 1914 und 1933 bis 1937.

Der zunächst unter dem Einfluss von Cézanne und Max Liebermann noch spätimpressionistisch und neoklassizistisch malende Beckmann wurde von Harry Graf Kessler (Muchs bekanntes Gemälde aus der Nationalgalerie ist in der Ausstellung zu sehen) gefördert und von Paul Cassirer ausgestellt. Es entstanden etliche Stadtansichten und Straßenbildnisse, etwa vom Nollendorfplatz, Kaiserdamm oder dem Tauentzien. Der von Beckmann als „das große Menschenorchester“ bezeichneten Metropole Berlin widmet die Ausstellung ihre erste Abteilung. Der Maler sieht sich darin selbst als unbeteiligter Beobachter mitten im Gewimmel (Die Straße, 1914).

Es folgen Gemälde, die im Spannungsfeld des Widerstreits der Seseccionsmaler mit den Vertretern des aufkommenden Expressionismus [vgl. Ausstellung ImEx in der Alten Nationalgalerie] entstanden. Wie schon Max Liebermann mit dem Brücke-Mitglied Emil Nolde verbindet auch Max Beckmann ein künstlerischer Disput mit dem Expressionisten Franz Marc aus dem Umfeld der Münchner Gruppe „Blauer Reiter“. Neben Beckmanns monumental fleischlicher Sintflut, David und Badseba und dem bereits genannten Gemälde Junge Männer am Meer hängen Bilder von Max Liebermann, Beckmanns neuem Vorbild Edvard Munch, aber auch von den Gegenspielern Franz Marc oder Ernst Ludwig Kirchner, deren Stil Beckmann ablehnte und als „Flächenkunst“ bezeichnete.

Der Umschwung kam mit dem Ersten Weltkrieg, in den Beckmann wie viele seiner Künstlerkollegen freiwillig zog. „Meine Kunst kriegt hier zu fressen.“ Ein Selbstbildnis zeigt ihn 1915 mit weit aufgerissenen Augen als Krankenpfleger. Der zynische Beobachter erlitt in Folge seiner Front-Erlebnisse einen Nervenzusammenbruch. Später reflektierte Beckmann das Berlin der Nachkriegszeit mit seinen Unruhen und Spannungen, dem Elend der Straße, aber auch den Nachtclubs, Kneipen und Bordellen in den hier ausgestellten Mappenwerken Die Hölle und Berliner Reise.

Zermürbt von den Kontroversen um die Secession und enttäuscht von schlechten Rezensionen der den Expressionisten zugeneigten Kunstkritik zog Max Beckmann schließlich nach dem Ende des Ersten Weltkriegs nach Frankfurt/M. Hier entstanden einige seiner wichtigsten Werke. Der nun auch im Ausland gefeiert Champagnerliebhaber gab sich weltmännisch und war es auch, wie in einigen der ausgestellten Selbstportraits zu sehen ist. Beckmann liebte das Kabarett, Theater und den Zirkus. Hier fand er in den Rollenspielen der Welt des schönen Scheins sein neues Sujet. Leider bekommt genau da die Ausstellung einen kleinen Knacks und zeigt Werke wie etwa Frauenbad, oder Portraits von Persönlichkeiten der Weimarer Republik, die in stilistischer Nachbarschaft zu den Malern der Neuen Sachlichkeit wie Otto Dix oder Rudolf Schlichter gehängt sind.

Mit Große Gewitterlandschaft und Fastnacht Paris aus den beginnenden 1930er Jahren dokumentiert die Ausstellung die lange Zusammenarbeit Max Beckmanns mit der Berliner Nationalgalerie, die dem Maler einige Ausstellungen widmete. Mit diesen Werken hatte Beckmann bereits den später für ihn typischen, expressionistisch hart konturierten Stil gefunden. Nach der fristlosen Entlassung aus seiner Professur an der Frankfurter Städelschule durch die Nationalsozialisten 1933 kehrte Beckmann bis zu seiner endgültigen Emigration 1937 nach Amsterdam wieder nach Berlin zurück. Der von Ludwig Justi, dem Direktor der Berliner Nationalgalerie, gerade neu eingerichtete Beckmann-Saal im Kronprinzenpalais wurde allerdings von den Nazis schnell wieder geschlossen. Auch Beckmanns Werke galten nun als „entartete Kunst“. Der Maler trug sich mit dem Gedanken der Emigration.

In dieser für Beckmann schweren Zeit entstanden einige Porträts seiner zweiten Frau, wie etwa Quappi mit Papagei (1936), aber auch düster prophetische Gemälde wie Der Leiermann (1935) und erste mythologisch inspirierte Triptychen, die in Berlin leider nicht zu sehen sind. Hier leuchtet schon Beckmanns magischer Realismus („das Unsichtbare sichtbar machen durch die Realität“), mit dem er in den Werken aus der Emigration und Spätphase seines Schaffens berühmt wurde. Trotz kleiner Mankos gibt die Ausstellung einen guten Einblick in eine nicht unbedeutende Schaffensphase, die eng mit der Stadt Berlin verbunden, den Grundstein für Beckmanns Wandel und späteren Ruhm legte.

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Zuerst erschienen am 25.11.2015 auf Kultura-Extra.

Max Beckmann und Berlin
20.11.15 - 15.02.16

BERLINISCHE GALERIE
Landesmuseum für moderne Kunst, Fotografie und Architektur
Alte Jakobstr. 124-128, 10969 Berlin

Infos: http://www.berlinischegalerie.de

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Stefan Bock

freier Blogger im Bereich Kultur mit Interessengebiet Theater und Film; seit 2013 Veröffentlichung von Kritiken auf kultura-extra.de und livekritik.de

Stefan Bock

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