Eine „leidenschaftliche Kommunalpolitikerin“ aus der Oberpfalz im Bundestag

Ältestenrat und Bürgerräte Marianne Schieder aus der Oberpfalz setzt sich als parlamentarische Geschäftsführerin der SPD für Bildung und Bürgerräte ein. Im Ältestenrat ist sie mit den künftigen Rechten von Abgeordneten der ehemaligen Linken-Fraktion  beschäftigt.

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Der Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage für Kernbrennstäbe im oberpfälzischen Wackersdorf war für Marianne Schieder aus dem Örtchen Schwarzenberg mit seinen sechs Bauernhöfen und einer Kapelle, ebenfalls im Landkreis Schwandorf gelegen, ein wichtiger Schritt in ihrer Politisierung. Den damals erst zögernden, dann energischen Landrat Hans Schuierer trifft sie heute noch bei SPD-Veranstaltungen in der Oberpfalz. Dem Kampf gegen die Wiederaufbereitungsanlage zwischen 1985 und 1989, den die protestierenden Bürger*innen schließlich gewannen, kann man in dem Film „Wackersdorf“ von Oliver Haffner aus dem Jahr 2018 mit Johannes Zeiler als Landrat nachvollziehen. Das Ganze gehört in eine Zeit, als die CSU noch satte absolute Mehrheiten in Bayern einfuhr. Deshalb gab es durchaus erstaunte Gesichter, als die junge Marianne Schieder in die SPD eintrat, wie sie in der Ständigen Vertretung in Berlin in der Gesprächsreihe „bwg sitzungswoche Sprechstunde“ dem Moderator Christoph Nitz erklärte.

Inzwischen ist Marianne Schieder parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, nach Stationen als Mitglied des Bayerischen Landtags (1994-2005) und als stellvertretende Landrätin im Landkreis Schwandorf (1996-2014). Seit 1996 ist Schieder auch Markträtin in Wernberg-Köblitz, wozu Schwarzenberg heute gehört, und Kreisrätin im Landkreis Schwandorf, eine kommunale Anbindung, die sie nicht missen möchte, da sie sich als „leidenschaftliche Kommunalpolitikerin“ bezeichnet. Eine weitere Leidenschaft gehört der Bildungspolitik, weshalb sie auch bei Vorlese-Kampagnen gerne mitmacht. Seit 2005 vertritt sie den Wahlkreis Schwandorf-Cham in Berlin. Als sie in den Bundestag einzog, freute sie vor allem die offenere Atmosphäre im Parlament, in dem nicht eine Partei Politik und Verwaltung allein dominierte. Der ständige Wechsel zwischen kommunalem Engagement und bundespolitischer Arbeit, das ist für sie "das normale Leben."

Engagiert hat sie sich schon früh in der Katholischen Landjugend, die sich schon damals mit Klimaschutz, internationaler Gerechtigkeit und Gleichberechtigung beschäftigte. Nur für eine Partei konnte sich die Bauerntochter, die mit ihren Schwestern kräftig auf dem Hof zupacken musste, lange nicht entscheiden. Ihr Studium hat sie allerdings schon mit Hinsicht auf die Politik gewählt und in Regensburg Jura belegt und samt zweiten Staatsexamen absolviert. „Jura ist gut, Leuten in der Sprechstunde, die oft mit rechtlichen Problemen kommen, zu helfen oder zumindest die Situation erklären zu können“, meint sie.

Die körperliche Arbeit auf dem Hof vermisst sie zuzeiten, aber ihr Garten und das jährliche katholische Zeltlager in Furth am Wald an der tschechischen Grenze bieten Ausgleich. Beim Jugendlager ist sie als Mitorganisatorin und Köchin jedes Jahr vier Wochen dabei. Durch die Kinder aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten bekomme sie viel mit „vom echten Leben“ mit. Das ist ihr mentaler Ausgleich zum politischen Geschäft. Ins Zeltlager kommen auch tschechische Kinder, Verkehrssprache ist dann oft Englisch unter den Jugendlichen. Der Austausch mit Tschechien sei für die Oberpfalz sehr wichtig, betont Schieder. Ohne die vielen Arbeitskräfte und die engen Wirtschaftsbeziehungen könnte der ostbayerische Raum nicht mehr leben, betont sie.

Dass in ihrem Wahlkreis rund 62 Prozent für CSU, AfD und die sehr weit nach rechts gewanderten Freien Wähler gestimmt haben, findet sie „erschütternd“, aber gegen die AfD habe sie auch kein Patentrezept. Leider blieben nach der Landtagswahl die im Wahlkampf geschürte Ausländerfeindlichkeit und der getriggerte Sozialneid bestehen. Deshalb gilt dem Kampf gegen solche Einstellungen und Sprüche wie „Wenn ich Flüchtling wäre, hätte ich schon einen Arzttermin“ ihre besondere Aufmerksamkeit und der Erfolg dabei war ihr größter Wunsch am Ende des Gesprächs.

Hoffnung setzt sie auf die Bürgerräte, die allerdings nicht mit Erwartungen überfrachtet werden dürften. Froh ist sie auch über das Pflegestudiumsstärkungsgesetz, „ein Meilenstein“, findet sie. Als Mitglied des Ältestenrats – neben ihrer Mitgliedschaft im Ausschuss für Kultur und Medien – ist sie zurzeit mit der Frage befasst, welche Rechte und Möglichkeiten die ehemaligen Mitglieder der in Gruppen aufgespaltene Linken-Fraktion künftig haben werde.

Wie genau die Ampelkoalition mit dem Milliardenloch durch den Richterspruch von Karlsruhe umgehen werde, wenn die FDP keine Steuererhöhungen, die Grüne keine Abstriche an der Klimapolitik und die SPD keine Einschnitte in der Sozialpolitik wollen, kann sie nicht im Einzelnen sagen, aber: „Wir werden es schaffen müssen, zu einem Kompromiss zu kommen um das Urteil zu erfüllen.“ Sie ist allerdings „erstaunt, wie die Union meint, mit ständigem Ampel-Bashing statt eigener Lösungsvorschläge erfolgreich sein zu wollen.“ Und sie versteht auch nicht, dass die FDP, die inzwischen an der 5-Prozent-Hürde gelandet ist, glaubt, sich weiterhin als Opposition in der Regierung profilieren zu können.

Ob eine Erhöhung der Erbschaftssteuer ein Weg ist, das Loch zu stopfen und die immer weiter auseinanderklaffende Schere in der Gesellschaft zu bekämpfen, da hat Schieder ihre Zweifel: „Die Erbschaftssteuer ist nur so lange populär, solang sie jemanden nicht selbst betrifft. Dann aber gibt es böse Briefe.“

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche - Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm Landau Media und berlin bubble.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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