Im Amt den kulturellen Föderalismus schätzen gelernt

Bundestag Politiker*innen mit Berufserfahrung schätzt Monika Grütters (CDU) mehr als Berufspolitiker*innen, die von der Uni ins Parlament wechseln. Mehr Glaubwürdigkeit und Unabhängigkeit als Abgeordnete seien die Vorteile eines zweiten Standbeins.

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Als Staatsministerin für Kultur und Medien habe sie davon profitiert, seit ihrer Studienzeit in Bonn für Oper, Verlage und Museen in der Öffentlichkeitsarbeit und ab 1990 beim ersten gemeinsamen Berliner Senat als Pressesprecherin im Wissenschaftsbereich gearbeitet zu haben. Während ihrer Berliner Abgeordnetentätigkeit seit 1995 und ab 2005 im Bundestag war sie in der Unternehmenskommunikation einer Bank, als Dozentin an Hochschulen und als Vorstandsmitglied und Kuratorin bei der Stiftung „Brandenburger Tor“ tätig. Grütters kannte die Branchen, um die sie sich dann als Staatsministerin ohne Nebenjob zu kümmern hatte und die sie schon als Berliner Abgeordnete wie als Bundestagsabgeordnete zu ihren Anliegen machte.

Dabei hat sie als Beauftragte für Kultur und Medien den kulturellen Föderalismus zu schätzen gelernt. Mischfinanzierungen von Bund und Ländern seien bei kulturellen Projekten „sehr disziplinierend“, da steige keiner so schnell aus. Die große und flächendeckende kulturelle Vielfalt, die Deutschland aus der Zeit der fürstlichen Kleinstaaterei geerbt habe, werde durch den kulturellen Wettbewerb zwischen Kommunen und Ländern gut bewahrt. Durch die Zusammenarbeit mit dem 1998 eingeführten Amt der oder des Bundesbeauftragten haben die die Länderminister begonnen, sich nicht nur als Kultusminister für die Bildung, sondern auch als Kulturminister zu begreifen, wie Grütters in der Ständigen Vertretung in Berlin in der Gesprächsreihe „bwg sitzungswoche Sprechstunde“ dem Moderator Christoph Nitz erklärte.

Den Einstieg in das Gespräch wählte Nitz mit Grütters Engagement in der katholischen Kirche. Sie ist nicht nur Mitglied im Zentralkomitee deutscher Katholiken, sondern auch in diesem Jahr in den Pfarrrat der neuen Großgemeinde St. Helena in Berlin gewählt worden. Weniger Gläubige und weniger Priester haben allein im Erzbistum in den vergangenen Jahren zu einer Reduzierung der Gemeinden von rund hundert auf 30 geführt. Solche Zusammenlegungen seien eine Herausforderung, da müssten Laien mit Gremienerfahrung und echter Bindung an die Kirche die Seelsorger entlasten, sagte Grütters, die in Wilmersdorf nahe bei ihrer Kirche St. Ludwig wohnt.

Sie könne verstehen, wenn Menschen die Kirche verließen, da seit gut zehn Jahren nahezu ausschließlich vom Missbrauch in der Kirche die Rede sei. Viele Austretende verkennten aber die Präsenz der Kirchen in Bereichen, wo man sie so nicht explizit wahrnehme, von den Kindergärten über die Schulen bis hin zu Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen. „Wenn das alles diffundieren würde, täte mir das wahnsinnig leid.“ Viele Menschen suchten nach Orientierung und schlössen sich dann „Scharlatanen“ an, meinte Grütters, die, wie sie sagte, in Münster in einer Familie mit vier Geschwistern in einem liberalen, weltoffenen Katholizismus samt katholischem Mädchengymnasium aufgewachsen ist. Sie habe im katholischen Umfeld nur gute Erfahrungen gemacht, die sie gerne an die jüngere Generation weitergeben möchte.

In die Junge Union ist sie mit 17 Jahren wegen ihres Interesses an Politik und gesellschaftlichen Zusammenhängen eingetreten. Während ihres Studiums der Germanistik, Kunstgeschichte und Politik in Bonn sei sie auf „ein kernig linkes Milieu“ getroffen und habe sich deshalb in der Fachschaft engagiert. Allerdings nicht im RCDS, sondern in einer unabhängigen Studierendengruppe.

Als Politikerin für Kultur und Medien muss sie auch in den Social Media präsent sein, dafür habe sie aber sowohl als Staatsministerin wie als Abgeordnete Leute im Team. „Privat brauche ich das nicht“, meint sie, ebenso wenig wie Homestorys. Viele Postings findet sie einfach nur „banal“. Durch diese Kurztexte ginge „viel an Tiefe, Verstand und gewählten Ausdrucksfomen verloren“, wie sich ja auch durch das mangelhafte Sprachverständnis deutscher Schüler*innen bei der jüngsten PISA-Studie wieder gezeigt habe. Ihr Rezept dagegen: Wenn in Familien nicht mehr vorgelesen oder kaum Deutsch gesprochen wird, dann müssten staatliche Institutionen die Vorleser- und Sprachtrainerrolle übernehmen. Sie äußerte sich auch enttäuscht darüber, dass Studierende heutzutage so wenig Zeitung läsen. Dabei gebe es ein großes Qualitätsangebot, das sehr preisgünstig eine umfassende Bildung biete, so das Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Was sie als Medienpolitikerin bei den Social Media sehe, seien einerseits „knallharte Fragen des Urheberrechtes“ und zum anderen eine bedenkliche Masse an „Hass, Hetze und Polarisierung“. Ihr bevorzugter Kanal für Mitteilungen sei SMS, „da stört man nicht so“.

Als sie 2005 vom Abgeordnetenhaus in den Bundestag wechselte, musste sie ihren angestammten Wahlkreis in Wilmersdorf verlassen, weil der auf Bundesebene schon besetzt war. Sie kandidierte in Marzahn-Hellersdorf, wo die einheimische Petra Pau von der Linken jahrelang direkt gewählte Abgeordnete war, bis sie kürzlich vom ebenfalls aus dem Wahlkreis stammenden Mario Czaja (CDU) abgelöst wurde. Mit Pau habe sie immer eine gute Zusammenarbeit für den Wahlkreis verbunden, manche haben Erst- und Zweitstimme geteilt, um beide wählen zu können, berichtet sie. Eine Zusammenarbeit, für die sie sich in ihrer Partei mehr rechtfertigen musste als Pau bei der Linken.

Ihr Wunsch zum Schluss des Gespräches speiste sich einerseits aus ihrer Arbeit als Vorsitzende des Unterausschusses Vereinte Nationen im Auswärtigen Ausschuss und zum anderen aus ihrer Zeit in einem israelischen Kibbuz und ihren vielen Freunden dort: Sie hofft, dass die Konflikte, vor allem der Nahost-Konflikt, wieder eingedämmt werden können. Dass Juden in Israel und in Deutschland ungefährdet leben können, sei ihr, auch wegen der deutschen Geschichte, ein Herzensanliegen.

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche - Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm Landau Media und berlin bubble.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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