„Kommunalpolitik und Bundespolitik ist einfach eine andere Sportart“

Bundestagsabgeordnete Sie werde ihm fehlen, meinte Marcus Faber (FDP), seit sieben Jahren im Verteidigungsausschuss, über den Wechsel der Ausschussvorsitzenden ins Europaparlament. Schließlich kämpften sie beide für Ukraine-Hilfe und Reform der Bundeswehr.

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Er habe immer gut mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann zusammengearbeitet, sagte Faber, der Abgeordnete des Wahlkreises Altmark in Sachsen-Anhalt, im Gespräch mit Diana Scholl vom Bundesverband Deutsche Berufsförderungswerke (BFW) in der Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung in Berlin. Schließlich gehöre auch für ihn die die Unterstützung der Ukraine und die Reform der Bundeswehr zu seinen wichtigen Zielen für die zweite Hälfte der Wahlperiode.

Faber, der beim Fall der Mauer erst fünf Jahre alt war, sich aber gut an eine erste Fahrt von seinem Heimatort Stendal ins benachbarte Niedersachsen erinnern kann, ist nach dem Abitur selbst zur Bundeswehr, und zwar zu den Panzerpionieren, gegangen. Gerade war er zum vierten Mal in der Ukraine, und, wie er betont, nicht nur in Kiew, sondern auch bei den Truppen mit deutschen Leopard-Panzern oder bei den Soldaten, die Angriffe auf den Getreidehafen in Odessa mit deutschen und englischen Waffen abwehrten. Er meint aber auch, wenn alle zu Beginn so zögerlich mit der Unterstützung der von Russland angegriffenen Ukraine gewesen wären wie Deutschland, "dann wäre Kiew gefallen“.

Viele Leute, so Fabers Eindruck, meinten, der Kampf in der Ukraine beträfe sie nicht direkt. Ihnen antworte er mit der Warnung, dass eine untergehende Ukraine noch sehr viel mehr Flüchtlinge nach Deutschland brächte, denn „niemand will in Butscha leben“.

Der Weg in die EU werde für die Ukraine ein langer werden, wie frühere Beitritte auch schon. Aber ein wichtiger in der Anpassung an die EU-Normen. Einen Beitritt zur NATO kann sich Faber schneller vorstellen, wenn einmal die Kampfhandlungen geendet haben. „Ob die Invasionstruppen abziehen, hängt von uns ab.“ Bei seinen Reisen in der Ukraine habe er den Eindruck gehabt, die ukrainischen Soldaten wüssten genau, wofür sie kämpften, im Gegensatz zu den russischen. Vielleicht fragten die sich ja auch mal, warum sie eigentlich dort sind, hofft Faber.

Die jetzt wieder diskutierte Wehrpflicht ist für Faber aber keine reale Möglichkeit, die Bundeswehr in besseren Zustand zu versetzen, denn für neue Wehrpflichtige fehlten Unterkünfte, Material, Ausbilder und letztlich auch der Verwendungszweck. Was die Bundeswehr dringend brauche, seien Experten für die Cyber-Abwehr, die IT und die Luftwaffe, keine Rekruten.

Ein weiteres wichtiges Thema sind für Faber Bildungs- und Aufstiegschancen. Als Kind einer Kassiererin und eines Taxifahrers war er auf BaföG für sein Studium der Politikwissenschaft in Potsdam und dem australischen Sydney angewiesen und auch auf ein Stipendium der Stiftung der Deutschen Wirtschaft für die Promotion zur direkten Demokratie auf Ländereben. Für ihn ist das größte Hindernis, dass Schülerinnen und Schüler nicht entsprechend gefördert würden, der Lehrermangel, nicht irgendwelche Bildungskonzepte. Sie müssten mehr ermutigt und unterstützt werden. Er habe von dem durchlässigen Bildungssystem seinerzeit sehr profitiert.

Um junge Leute für Politik zu interessieren, biete er mit seinem SPD-Kollegen in der Altmark den Schulen Besuche an, auch gemeinsame, denn die Hemmungen, Politiker einzuladen, sei in den ostdeutschen Bundesländern sehr hoch. Dabei gehe es nicht darum, ein Parteiprogramm herunterzubeten, sondern zu erklären, wie Politik funktioniere.

Zur FDP ist er gegangen, weil er eine offene Demokratie und Marktwirtschaft unterstützen wollte. Die Folgen der Planwirtschaft habe er in Stendal schließlich noch lange gesehen. Die Parteizugehörigkeit sei im Stadtrat von Stendal, wo er ebenso engagiert ist wie im Kreisrat, aber untergeordnet. Dafür hätten Debattenbeiträge einen viel direkteren Effekt als Im Bundestag, wo die politischen Abstimmungsprozesse schon vor den öffentlichen Reden gelaufen seien. „Kommunalpolitik und Bundespolitik ist einfach eine andere Sportart“.

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm, Landau Media und berlin bubble.

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Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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