Digitalisierung: Problem oder Lösung?

Nachhaltigkeit Klimaschutz und Digitalisierung, wie passt das bei dem enormen Energieverbrauch im Internet zusammen? Eine Diskussion über Problem oder Lösung durch die neue Technologie.

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„Protest – aber nachhaltig |Klimaschutz vs. Digitalisierung“ war die Veranstaltung von „Young + Restless“ und „Basecamp“ von Telefónica überschrieben. Doch sind das tatsächlich Gegensätze?

Sieht man sich die Bewegung „Fridays for Future“ und ihren in den vergangenen drei Jahren gewachsenen Einfluss an, dann gehen Digitalisierung und Klimaschutz eher Hand in Hand, denn die Aktivist*innen organisieren ihre Aktionen über das Internet. Auch wenn der Stromverbrauch im Internet so hoch liege, dass das Internet, als Land gezählt, weltweit auf dem dritten Platz läge, sei die Digitalisierung nicht nur ein Teil des Problems, sondern auch der Lösung, ist Anke Domscheit-Berg, Bundestagsabgeordnete der Linken, überzeugt. Der CO2-Ausstoß bei der Herstellung der elektronischen Geräte für die Nutzung des Internets sei ebenfalls besonders hoch. Deshalb forderte sie, die Nutzungsdauer dieser Geräte durch ein Recht auf Reparatur und eine längere Verpflichtung zu Updates zu steigern und die wertvollen Materialien durch hohe Recyclingquoten wiederzugewinnen. Derzeit liege die Wiedergewinnungsquote nur bei 35 Prozent.

Niklas Meyer-Breitkreutz, Referent Digitalisierung und Nachhaltigkeit beim Branchenverband Bitkom, wandte sich ebenfalls dagegen, Klimaschutz und Digitalisierung gegeneinander auszuspielen. Für Merit Willemer, Aktivistin bei FFF, ist der Schlüsselfaktor für den Klimaschutz der Energiesektor: „Grüner Strom ist der größte Hebel, der alles möglich werden lässt.“ Sie fragte, wo eigentlich der „Hemmschuh für die Transformation“ sei. „Das Wissen dafür haben wir doch.“ Es müsse nur endlich zusammengeführt und politisch umgesetzt werden.

Um in der Verwaltung eine effektive Digitalisierung zu erreichen, sei das Problem nicht die Digitalisierung selbst, sondern das Problem liege davor, erklärte Michael Mischke, Referent für Digitalisierung und Mobilität in der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe in Berlin. Zunächst müsse das gesellschaftliche Bild dessen, was mit den Verwaltungsprozessen erreicht werden solle, hinterfragt werden, und alle bisher vorhandenen, teilweise auch schon digitalen Puzzlestücke zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Dann erst sei wirklich zu sehen, wo das Verwaltungsgeschehen hakt. Es sei „nicht die Lösung, alte Probleme nur digital schneller zu machen“. Dabei würde vieles in Frage gestellt werden müssen. Nach seiner Beobachtung seien es nicht die Menschen in der Verwaltung, die diese Umstellung verzögerten, sondern fehlende, klar benannte Ziele und eine mangelnde Transparenz in der Energiebilanz der städtischen Einrichtungen.

Hannah Helmke ist Mitgründerin und Geschäftsführerin der „right.based on science“ GmbH, die den Firmenkunden ihren Beitrag zur Erderwärmung vorrechnet. Sie sieht bei Unternehmen eine große Bereitschaft auf dem Weg zu Klimaneutralität in der eigenen Firma. Die Preisträgerin des „AmCham Female Founders Award 2021“ in der Kategorie „Sustainability“ unterstrich aber, dass „Unternehmen immer eine klare Planung brauchen“. Exakte Vorgaben für die Wirtschaft, wie hoch der noch mögliche CO2-Ausstoß bis wann sein dürfe, verlangte auch Meyer-Breitkreutz von Bitkom. Der Journalist und Buchautor Bernhard Pötter („Die grüne Null“) hält den Ruf nach solchen „Budgets“ für einzelne Unternehmen für unrealistisch. Dies sei im Pariser Abkommen, das die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius begrenzen wolle, nicht angelegt. In Deutschland und der Europäischen Union gebe es Sektorziele.

Im Gegensatz zu Domscheit-Berg, die Digitalisierung als viel zu verzweigt und vielfältig für ein einzelnes Ministerium einschätzt, ist Pötter ein Befürworter eines solchen Digitalministeriums. „Das macht das Thema sichtbarer“, meinte er, gerade auch für den älteren Teil der Bevölkerung, der noch nicht als „Digital Natives“ aufgewachsen ist. In seinen Augen wäre es wichtig, jemanden zu haben, der die Digitalisierung koordiniert und auch soziale, ökologische und Datenschutzaspekte einbringt. Insgesamt müsse die Diskussion in Deutschland mehr über den nationalen Tellerrand hinausschauen, da Klimaschutz und Digitalisierung globale Fragen seien.

Für Hannah Helmke, bei der Veranstaltung von Moderatorin Alice Greschkow als „Kopf des Monats“ gerühmt, ist es für eine erfolgreiche Transformation elementar, von einer „Kultur des Misstrauens, der Beschuldigungen und Belehrungen“ wegzukommen. Eigentlich wollten alle Menschen das 1,5-Grad-Ziel erreichen, ist sie überzeugt. Würden die Ziele für jedes Unternehmen und jede Verwaltung so „heruntergebrochen“, dass jeder den eigenen Beitrag überschauen könne, dann seien die Menschen mit großer Motivation und Begeisterung bei der Transformation zur Klimaneutralität dabei, erklärte sie.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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