Flexibler Wettbewerb für die Klimawende

Wahljahr Klimapolitik ist für Thomas Heilmann (CDU) keine Frage des „Ob“, sondern des „Wie“: Ökonomie, Sozialpolitik und Ökologie müssen über Wettbewerb gemeistert werden.

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Zum Morgengespräch der „bwg sitzungswoche“ im „Corona-Setting“ der Ständigen Vertretung begrüßte Bloggerin Alice Greschkow den Berliner Bundestagsabgeordneten Thomas Heilmann (CDU Steglitz-Zehlendorf), Jurist, Unternehmer, 2012-16 Berliner Justizsenator, CDU-Kreisvorsitzender und seit 2017 für seinen Wahlkreis unter der Reichstagskuppel im Einsatz.

Heilmann stammt aus dem damals sehr roten Dortmund und trat als 16-Jähriger 1980 in die CDU ein, quasi „ein revolutionärer Akt“ zu jener Zeit. Nach seinem Dienst bei der Bundeswehr studierte er Jura in Bonn und Harvard und begann noch vor dem Zweiten Staatsexamen eine Karriere als freier Journalist, Radiomacher und Werbeprofi. Erklärbar sei diese steile Unternehmerkarriere nur mit der Umbruchsituation nach dem Ende der SED-Regierung, deren Möglichkeiten er gezielt zunächst in Dresden, dann ab 1993 nur noch in Berlin für den Aufbau einer Werbeagentur nutzte.

„In den Jahren 1990 bis 2000 habe ich politisch gar nichts gemacht, da war ich eine bekennende Karteileiche“, resümiert er dieses Jahrzehnt, voller Arbeit und noch ohne Familie. Allerdings habe er in diesen Jahren Angela Merkel kennengelernt, die ihn schon damals „fasziniert“ habe, „als das noch nicht bei vielen der Fall war“, wie er schmunzelnd dazusetzt.

In Berlin seit 30 Jahren heimisch geworden und als Familienvater mit vier Kindern stieg das Interesse an der Politik wieder. In einer schwierigen Situation für seine Partei sei ihm dann das Amt des Justizsenators angetragen worden, was in der Verwaltung so lange Stirnrunzeln ausgelöst habe, bis er erklärte, nicht nur Unternehmer, sondern auch Volljurist zu sein. Juristen sei anderen gegenüber oft eine gewisse Hochnäsigkeit zu eigen, räumte er kritisch ein.

Seine politischen Interessensgebiete ordnet er eher auf der bundespolitischen Ebene als im Lokalen ein. Klimapolitik mit Pariser Abkommen und die Umweltziele der EU sind für ihn gesetzt, allerdings favorisiert er eine grüne Wirtschaftspolitik, die auf technologischen Wettbewerb und finanzielle Anreize wie die CO2-Bepreisung setzt. Nicht den Individualverkehr abzuschaffen, ist sein Ziel, sondern ihn klimafreundlich zu machen, nicht alte Arbeitsplätze zu streichen ohne dass neue in neuen Technologien entstehen. Denn der grüne Umbau der Wirtschaft werde eine Umbruchsituation schaffen, die noch mehr Menschen betreffe als die Einführung der Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern. Dieses Mal dürfe man nicht nur auf finanzielle Absicherung bei Abschiebung in die Arbeitslosigkeit oder den Vorruhestand setzen, verlangt Heilmann.

Digitalisierung und Weiterbildung seien für die neuen Qualifikationen wichtig. Dabei müsse die Weiterbildung ein positiveres Image erhalten. „Lebenslanges Lernen klingt wie lebenslange Haft“, meinte Heilmann, vor allem für diejenige Hälfte der Gesellschaft, die keine guten Erinnerungen an die Schule habe. Individuelle, selbstbestimmte Weiterbildung, wie es viele gerade während der Corona-Zeit für Videokonferenzen und anderes selbst in die Hand genommen hätten, müsste der Weg sein. Passgenaue digitale Fortbildung, wie schon jetzt oft bei Technikproblemen in Erklärfilmen bei Youtube gesucht, sei ein besserer Weg als starre, einheitliche Kurse. Dabei sei die Erstausbildung als Anleitung zum selbstständigen Lernen, als Kompetenzerwerb, nicht zu unterschätzen. Doch immer weniger Menschen arbeiteten noch in ihrem Ausbildungsberuf.

Die Digitalisierung werde allerdings nicht, wie oft befürchtet, einfache Hilfstätigkeiten wegrationalisieren. Die Aushilfe in der Gastronomie oder der Pflege sei weniger gefährdet als die Steuerfachkraft, die durch digitale Formulare überflüssig werde. Sorge bereite ihm allerdings, dass in dieser Zeit der Kurzarbeit so wenige von den staatlichen Möglichkeiten zur Weiterbildung Gebrauch machten. Mangelnde Information oder mangelndes Interesse?

Eines habe die Pandemie deutlich gezeigt: Die in 200 Jahren gewachsene deutsche Bürokratie, die mal ihren Sinn hatte, ist heute überlebt und ein Hemmschuh geworden, sei es bei der Vergabe von Aufträgen oder den Bestimmungen des Datenschutzes, beides sehr deutlich geworden anhand der Corona-App. Hier brauche es einen „Neustaat“, wie er zusammen mit der Abgeordneten Nadine Schön sowie weiteren Abgeordneten und Expert*innen gerade dargelegt habe. Aber das werde wohl mindestens zehn Jahre dauern, bis das alte Zuständigkeitsdenken überwunden sei und staatliches Handeln etwa wie bei der Organisation von Masken oder Impfdosen flexibler werde. Schließlich müssten dafür hunderte von Regeln geändert werden.

Den Wahlkampf um das Berliner Abgeordnetenhaus sieht Heilmann durch die zeitliche Parallelität vom Bundestagswahlkampf in den Schatten gestellt. Spannend, aber auch etwas unübersichtlich sei die hohe Zahl von Ämtern, die ohne erneut kandidierende Amtsinhaber*innen ganz neu zu besetzen seien: Vom Bundeskanzlerposten über den regierenden Bürgermeister bis hin zu den Abgeordnetenmandaten auf der Bundes-, Landes- und Bezirksebene. Da frage er sich bisweilen schon, ob alle Berliner*innen bis zur Wahl wüssten, wer wo für was kandidiere. Heilmann jedenfalls ist für seinen Wahlkreis kein neues Gesicht und möchte seinen „Neustaat“ im Bundestag weiter verfolgen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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