Mehr Einfluss durch eine Wahl mit 16 Jahren

Jugend und Politik Jugendstrategie der Bundesregierung gut und schön, letztlich wird aber es nur mehr Einfluss für junge Menschen geben, wenn sie als Wählergruppe wichtiger werden.

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Das war das überwiegende Resümee des als Videokonferenz stattfindenden Mediensalons „Jugend als Thema – Wie kommen ihre Themen in die Gesetze“ am Mittwochabend vor der Bundestagswahl, moderiert von Charlotte Bauer von der Berliner Morgenpost. Für die Berliner*innen bringt der 26. September neben der Wahl zum Bundesparlament auch die Wahl des Abgeordnetenhauses und der Bezirksversammlungen plus Volksentscheid.

Mehr Einfluss für Jugendliche in der Politik war das propagierte Ziel der schwarz-roten Koalition, doch kaum wurde die Jugendstrategie der Bundesregierung am 3. Dezember 2019 mit einer eigenen Internetseite für die Jugend vorgestellt, wurde sie auch schon ausgebremst von Corona. Das bedauerten die jugendpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marcus Weinberg aus Hamburg-Altona, und der FDP-Fraktion, Matthias Seestern-Pauly aus dem niedersächsischen Bad Iburg. Beide sind übrigens Gymnasiallehrer von Beruf, Mitglieder des Bundestagsausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Seestern-Pauly zusätzlich des Unterausschusses der Kinderkommission. Während Seestern-Pauly berichtete, dass sich die FDP nach vielen Diskussionen jetzt für ein Wahlrecht ab 16 Jahren auch auf Bundesebene ausspreche, schränkte Weinberg das frühe Wahlrecht auf kommunale und Landesebene ein, wo Jugendliche ihr Umfeld mitgestalten könnten. Auf der Bundesebene sehe er wegen mangelnder Volljährigkeit, Geschäftsfähigkeit und der Tragweite von Entscheidungen wie Auslandseinsätzen der Bundeswehr ein Problem mit einem Wahlrecht ab 16 Jahren.

Gerade der Hinweis auf die politische Tragweite konnte Hannah Pirot, Sprecherin von „Fridays for Future“ in Berlin, überhaupt nicht überzeugen. Sie erinnerte daran, dass die folgenreichsten Entscheidungen der Politik den Klimawandel beträfen, mit dessen Folgen die Jugendlichen schließlich am längsten leben müssten. Auch June Tomiak, jüngstes Mitglied im Berliner Abgeordnetenhaus und Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen für Jugend, Verfassungsschutz und Strategien gegen Rechtsextremismus, wies darauf hin, dass die Bundeswehr auch Nicht-Volljährige rekrutiere. Den größeren politischen Überblick samt sorgfältigerer Wahlentscheidung bei Älteren als Argument stellte auch Maya Yoken vom Assyrischen Jugendverband Mitteleuropa in Nordrhein-Westfalen in Frage. Junge Menschen mit Migrationserfahrung brächten etwa in der Außenpolitik eine Kompetenz und Perspektivenbreite ein, die viele Ältere nicht hätten.

Ein Problem beim Engagement junger Menschen, so die drei jungen Aktivistinnen, sei immer wieder, dass die Jugendlichen zwar viel Zeit und Einsatz in ihre Vorhaben steckten, dazu auch aufgefordert würden, am Ende aber oft mit lobenden und tröstenden Worten, aber leeren Händen dastünden, da die Entscheidungen ohne sie und ihre Vorschläge fallen. Diese Frustration halte viele Jugendliche von weiterem Einsatz für die Gemeinschaft ab und fördere die Staats- und Politikverdrossenheit.

Zwar gibt es seit 2017 den Jugend-Check als Bestandteil der Jugendstrategie des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Er soll als „Prüf- und Sensibilisierungsinstrument“ die Auswirkungen von Gesetzesvorhaben auf junge Menschen zwischen zwölf und 27 Jahren deutlich machen. „Dadurch soll die politische Aufmerksamkeit für die Lebenslagen und Belange junger Menschen gesteigert werden“, heißt es dazu auf der Seite der Koordinierungsstelle. Die Bedeutung des Jugend-Checks hoben auch beide Bundespolitiker hervor, lehnten aber eine Verbindlichkeit und damit ein wirksames Veto ab. Seestern-Pauly erklärte deshalb, letzlich kämen alle Debatten um mehr Partizipation und Einfluss Jugendlicher immer wieder auf das Absenken des Wahlalters zurück. Weinberg dagegen will mehr konsultative Prozesse und sprach von der Idee eines Jugendparlaments für eine Woche im Jahr um die Aufmerksamkeit für Jugendthemen in der Öffentlichkeit „bis in die Tagesschau“ zu steigern.

Yoken monierte am Ende der Diskussion, dass die Zusammensetzung eines solchen Jugendparlaments wahrscheinlich genauso wenig repräsentativ für die Bevölkerung in Deutschland sein werde wie das jetzige Erwachsenen-Parlament. Sie wäre schon froh, wenn „nur ein Bruchteil“ der angesprochenen Pläne für Jugendliche wirklich umgesetzt würden und es nicht nur bei der Klimapolitik, sondern auch bei Fragen der Inklusion mehr Verbindlichkeit gebe.

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Die Veranstaltungsreihe „Jugend, Politik und Medien im Wahljahr“ wird von der Landeszentrale für Politische Bildung Berlin gefördert.

#Mediensalon ist eine Veranstaltung der gemeinnützigen meko factory – Werkstatt für Medienkompetenz in Kooperation mit Deutscher Journalistenverband DJV Berlin – JVBB e.V., Deutscher Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, unterstützt von der Otto Brenner Stiftung und Landau Media. Die Übertragung übernahm die taz kantine.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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