„Deutschland muss ein erwachsenes Einwanderungsland werden“

Migrationspolitik Mehr Geschwindigkeit in Politik und Verwaltung in Bund und Ländern fordert FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr bei der Einwanderung in den Arbeitsmarkt und beim Bürokratieabbau. Und weniger neue Vorschriften aus Brüssel.

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Der heimatverbundene Niedersachse aus Ganderkesee im Wahlkreis Delmenhorts – Wesermarsch – Oldenburg-Land fordert mehr Weltoffenheit und die Erleichterung der Arbeitsaufnahme für Ausländer in Deutschland. Durch hohe Hürden und endlose Prozeduren bei der Erteilung von Arbeitsvisa würden viele quasi auf den Weg des Asylrechts gedrängt, die eigentlich kommen wollten um zu arbeiten. Die Attraktivität der Asylsuche in Deutschland müsse dagegen verringert werden, zum Beispiel durch Vermeidung von Bargeld bei der Versorgung und deutliche Ansagen, wer keine Chance habe, hier zu bleiben. So können man das Sterben im Mittelmeer und das perfiden Schleusersystem stoppen, sagte Dürr im Gespräch mit Diana Scholl vom Bundesverband Deutsche Berufsförderungswerke (BFW) in der Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung in Berlin.

Würde die Einwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt nicht dynamischer vorangetrieben, um Deutschland zu einem „erwachsenen Einwanderungsland“ zu machen, könne man sich die Nachteile in der noch schneller alternden Gesellschaft und Wirtschaft Japans anschauen. „Als Norbert Blüm vor vielen Jahren sagte ‚Die Rente ist sicher‘, war das eigentlich schon die Unwahrheit“, ist der Volkswirt überzeugt. Denn Migration sei auch eine Frage der Finanzen. Deshalb setzt er darauf, dass nach dem neuen Einwanderungsgesetz auch noch in diesem Jahr die Beschlüsse zum Asylrecht in der Ampelkoalition fertig werden und ab dem kommenden Jahr zügig umgesetzt werden. Auch das gehe aber nicht ohne die Mitwirkung der Länder, die sehr unterschiedliche Zeit brauchten, um Asylverfahren zu bearbeiten. Bei der Gestaltung der Zukunft wünsche er sich mehr „olympischen Gedanken“, an der Spitze der Entwicklung sein zu wollen und weniger „administrative Lahmarschigkeit“.

Die Länder müssen auch bei seinem zweiten Lieblingsthema, Digitalisierung und Bürokratieabbau, bei der Umsetzung mit im Boot sein. Bei der Digitalisierung sei der Bund schon weiter als die Länder. Der LNG-Ausbau in Wilhelmshaven habe gezeigt, wie es schneller geht. Doch 57 Prozent der Regulatorik, die in Deutschland umgesetzt werde, stamme von der EU. Die solle Standards setzen, aber nicht beispielsweise einzelne Technologien verbieten. Darum müsse in Europa mehr gestritten werden. Das sei kein in Frage stellen der EU, sondern eine wichtige politische Auseinandersetzung. Dürr hofft deshalb, dass der nächste EU-Wahlkampf mehr auf die Inhalte eingehe. „Europa muss politischer werden“, das helfe auch gegen den „rechten Mob“ der der EU ablehne.

Ausgangspunkt für die politische Karriere Dürrs war einen Schüleraufenthalt in Arizona, wo er sehr viel nach Deutschland gefragt wurde. Nach seiner Heimkehr nahm ihn ein Freund zu den Jungen Liberalen mit. Die Diskussionen dort und die Deckungsgleichheit seiner Vorstellungen mit der Partei haben ihn dann schnell in erste Wahlkämpfe und in den niedersächsischen Landtag geführt. Dort hat er sich vor allem in der Schulpolitik eingesetzt. Die landespolitischen Entscheidungen bekämen zu wenig Aufmerksamkeit, denn sie beträfen die Menschen oft sehr unmittelbar in vielen Bereichen.

Als Bundespolitiker ab 2017 waren Finanz- und Haushaltspolitik und Energiepolitik sein Thema, jetzt als Fraktionsvorsitzender kann er sich als Generalist praktisch mit allen Themen befassen. Vor allem mit der Einwanderungspolitik, die ihm seit vielen Jahren wichtig sei und lange viel zu wenig strategisch betrachtet wurde.

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Die Veranstaltungsreihe „bwg sitzungswoche – Sprechstunde“ ist eine Kooperation von bwg Berliner Wirtschaftsgespräche, sitzungswoche Unabhängiges Netzwerk für Politik, Wirtschaft und Medien, StäV Ständige Vertretung Berlin, Wöllhaf Gruppe und OSI Club mit Unterstützung von Studio Schiffbauerdamm, Landau Media und berlin bubble.

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Geschrieben von

Susanne Stracke-Neumann

Susanne Stracke-Neumann ist freie Journalistin. Für die meko factory berichtet sie über Veranstaltungen.

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