Im Kino wie auf der Bühne war James Gandolfini das Sinnbild des Actors Studio und der Tradition italo-amerikanischer Schauspielkunst. Am Broadway und in namhaften Filmen wie Get Shorty oder True Romance hauchte er unglamorösen Figuren Leben ein, wie es nur ein wirklich guter Schauspieler kann.
Mit reichlich Komparsenerfahrung aus Tennessee Williams-Stücken und als Künstler von jedwedem Ego befreit war Gandolfini der einzige Schauspieler, der genügend über sich hinaus schauen konnte, um die Rolle des Tony Soprano zu spielen.
Die intime Welt der Sopranos, die das Fernsehen zum besseren hin veränderte, wurde zu großen Teilen in Tonys Augen geschrieben. Dabei entdeckte HBO die Welt des Nouvelle Vague zum ersten Mal für das Fernsehen neu. Das Spiel zwischen David Chases Kamera und Gandolfinis Blicken faszinierte uns alle – und bescherte uns mittelbar ein Jahrzehnt voll von Serien wie Six Feet Under, Breaking Bad oder Girls.
Den Paten Tony Soprano in Doktor Melfis Patientenzimmer zu beobachten, war wie einer Verschmelzung völlig widersprüchlich erscheinender Wesenzüge zuzuschauen – und sie Gandolfini abzunehmen, eben so, wie es nur ein wirklich fähiger Schauspieler fertig bringt. Tonys geistige Abwesenheit gepaart mit seiner Komplexität, sein Glaube vereint mit seiner Untreue: So wie sich Mick Jagger auch heute noch geschmeidig und routiniert über die Bühne bewegt, huschten Emotionen durch Tonys Gesicht. Und obwohl sie uns als Zuschauer manchmal abstießen, blieben wir doch immer an seinen Blicken hängen.
Gandolfinis Augen haben sich nun endgültig geschlossen. Unsere hingegen werden immer wieder weit aufgerissen sein, wenn wir an seinen stechenden Blick denken.
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