Eine heikle Bataille

Irak Die Schlacht um Mossul hat begonnen, um die Millionenmetropole dem IS zu entreißen. Schon jetzt zeigen erste Luftschläge, dass mit vielen zivilen Opfern zu rechnen ist
Irakische Einheiten in al-Shourah, gut 50 Kilometer südlich von Mossul
Irakische Einheiten in al-Shourah, gut 50 Kilometer südlich von Mossul

Foto: Ahmad al-Rubaye/AFP/Getty Images

Nach zweijähriger Kontrolle der Stadt durch den IS hat heute die lang erwartete Offensive zur Rückeroberung Mossuls begonnen. Die von langer Hand vorbereitete Operation wurde in den frühen Morgenstunden von Premier Haider al-Abadi im irakischen Fernsehen verkündet: „Wir kämpfen nun seit über zwei Jahren gegen den IS. Wir begannen diesen Kampf in den Außenbezirken von Bagdad. Gott sei Dank bekämpfen wir ihn nun in den Außenbezirken von Mossul. So Gott will, ist die entscheidende Schlacht nicht mehr fern. Die Kräfte, die euch heute befreien, verfolgen in Mossul nur ein Ziel, euch vom Daesh zu befreien und eure Würde zu beschützen. Sie kommen euretwegen.“

Vor Sonnenaufgang

Nach monatelangen Vorbereitungen ist die letzte Hochburg der Terrormiliz im Irak schon seit mehreren Tagen von einer 30.000 Mann starken Allianz eingekreist. An diesem 17. Oktober, kurz vor Sonnenaufgang, waren im Nordosten Mossuls kurdische Peschmerga-Kämpfer zu sehen, die sich für die Offensive formierten. Laut der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur hatten sie wenig später bereits die Kontrolle über sieben Dörfer und die Hauptverbindungsstraße zwischen Mossul und Irbil gewonnen, der Hauptstadt der autonomen Kurdenregion im Irak. In der Nacht standen die Soldaten an Lagerfeuern zusammen und sangen Kampflieder, während sich aus der nahe gelegenen Stadt die Detonationen von Luftschlägen mit den Salven der Luftabwehr abwechselten.

Im Süden nahmen die Truppen der irakischen Armee bereits am Freitag ihre endgültigen Positionen ein. Sie waren für das, was nach Darstellung der Regierung in Bagdad die letzte große Schlacht gegen Daesh im Irak sein wird, aus allen Teilen des Landes zusammengezogen und oft Hunderte von Kilometern weit verlegt worden.

Vor Ort befinden sich auch US-amerikanische, britische und französische Truppen. Sie unterstützen die Peschmerga und werden eine wichtige Rolle bei der Anweisung von Luftschlägen gegen Stellungen des IS in der Stadt spielen. In den vergangenen Tagen flammten vor den Toren der zweitgrößten Stadt des Irak immer wieder Gefechte auf. Am Sonntag wurde eine der wichtigsten Brücken bei einem Luftangriff zerstört. Es ist nicht klar, wer für die Bombardierung der Al-Hurriya-Brücke verantwortlich war. Amaq, die Nachrichtenagentur, die dem Daesh nahesteht, beschuldigte die US-Streitkräfte. Sollte dies zutreffen, könnte die Zerstörung dem Ziel gedient haben, die Kämpfer des Daesh daran zu hindern, aus der Stadt zu fliehen.

Flyer für Zivilisten

Die Peschmerga beharren darauf, dass sie in Mossul selbst noch nicht einmarschieren werden. Man geht davon aus, dass der Daesh die Straßen, die in das von ihm gehaltene Gebiet führen, massiv mit selbst gebauten Vorrichtungen vermint hat. Die irakische Regierung hat die Bevölkerung Mossuls aufgefordert, zuhause zu bleiben und ihre Wohnungen nicht zu verlassen.

Im Vorfeld von Abadis Fernsehansprache wurden Tausende vierseitiger Flugblätter über der Stadt abgeworfen. In ihnen werden die Zivilisten aufgefordert, bestimmte Gegenden der Stadt zu meiden. Die „Zeit des Sieges“ sei gekommen, heißt es auf den Flyern weiter. Der Abgeordnete und Armeesprecher Ahmed al-Assadi erklärte dazu: „Wir versprechen einen großen Sieg, der größte des Irak – seiner Geschichte und seiner Bevölkerung angemessen.“

Es wird erwartet, dass sich die Schlacht über mehrere Wochen hinzieht. Wenn die Vertreibung des IS aus Falludscha und Ramadi als Maßstab dient, dann dürfte die Rückeroberung Mossuls zu einer langwierigen und heiklen Angelegenheit werden.

Der UN-Nothilfekoordinator Stephen O’Brien hat bereits große Bedenken hinsichtlich der Risiken für die Zivilbevölkerung geäußert. „Ich bin sehr besorgt um die Sicherheit der 1, 5 Millionen Menschen, die in Mossul leben und von den Militäroperationen zur Rückeroberung der Stadt vom IS betroffen sein könnten“, so O’Brien.

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Übersetzung Holger Hutt
Geschrieben von

Martin Chulov, Hannah Summers | The Guardian

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