Die Krise der Einwegbecher: Welche Umweltauswirkungen hat ein Kaffee zum Mitnehmen?
Grüner süppeln Der erste Einwegbecher kam 1918 unter die Leute, während der Spanischen Grippe. Heute bestellt man Kaffee gerne mal „to Go“. Das hat fiese Auswirkungen für die Umwelt. Doch mit minimalem Aufwand kann man auf nachhaltige Produkte umstellen
Der Kaffee „to Go“ wird schnell zum Desaster für die Umwelt
Foto: Fred Tanneau/ Getty Images
Egal, wie gut der Kaffee in Ihrem Büro ist: Wenn es Ihnen wie Millionen anderer Menschen geht, gehen Sie wahrscheinlich mindestens einmal pro Woche in ein Café, um sich eine Tasse zu gönnen, die von jemand anderem zubereitet wurde. Egal, ob es sich dabei um einen Milchkaffee von Starbucks, einen Cold Brew von Dunkin’ Donuts oder einen Chai aus dem kleinen Laden um die Ecke handelt – wahrscheinlich wird er in einem Einwegbecher serviert. Der ist entweder aus Papier, Plastik oder Styropor und auf dem Weg zurück ins Büro werfen Sie ihn in den Mülleimer. Richtig geraten?
Glücklicherweise nehmen immer mehr Menschen neben ihrer Wasserflasche auch einen wiederverwendbaren Becher oder eine Tasse mit – und immer mehr Cafés bieten an, die Getr
er mehr Cafés bieten an, die Getränke in die Becher zu füllen, die die Kunden von zu Hause mitbringen. Anfang Januar kündigte Starbucks in den USA an, dass es auf „BYOC“ umsteigt: bring your own cup. Obwohl das Unternehmen seinen Kunden seit den 1980er Jahren erlaubt, ihre eigenen Becher für persönliche Bestellungen mitzubringen, signalisierte die Ausweitung von BYOC auf Drive-Through- und App-Bestellungen die wachsende Skepsis von Unternehmen und Kunden gegenüber Einweg-Kaffeebechern.Wie groß ist die Umweltbelastung durch einen einzigen Einwegbecher? Und wieso ist der Verbrauch in den Vereinigten Staaten besonders hoch?„Der gesamte Lebenszyklus von Einwegbechern, von der Rohstoffgewinnung über die Produktion bis hin zum Transport, erfordert einen erheblichen Energieaufwand und trägt damit zur Umweltzerstörung bei“, so Preetam Basu und Thanos Papadopoulos. Die Professoren an der Kent School of Business sind Mitautoren eines Berichts, der Ende 2022 erschien und sich mit den Abfällen rund um Einwegbecher beschäftigt. „Die langsame Zersetzung von Einwegbechern, insbesondere von solchen mit Kunststoffauskleidung, kann zur Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt führen.“ Und falls Ihr Einwegbecher im Müll landet, der verbrannt wird, kann dieser Prozess Schadstoffe in die Luft freisetzen.Dunkin' Donuts hat sich lange geweigert, auf einen krebserregenden Kunststoff zu verzichtenDer erste Einwegbecher wurde tatsächlich aus Papier hergestellt. Der „Dixie-Cup“, der während der Spanischen Grippe im Jahr 1918 größere Verbreitung fand, wurde erfunden, um den Menschen eine hygienischere Möglichkeit zu bieten, aus gemeinsam genutzten Brunnen oder Wasserspendern zu trinken. Nach der Erfindung von Polystyrolschaum in den 1960er Jahren wendeten sich die Coffeeshops jedoch diesem Material zu, da es die Wärme der Getränke länger speichert.Heute werden in den USA jedes Jahr etwa drei Millionen Tonnen Polystyrol produziert. 80 Prozent davon landen im Müll (darunter etwa 25 Milliarden Becher pro Jahr). Das bedeutet, dass das Material etwa ein Drittel der amerikanischen Deponiekapazität einnimmt. Als Abfall braucht Styropor etwa 500 Jahre, um sich abzubauen. Die Herstellung eines einzigen Styroporbechers führt zu etwa 33 Gramm CO₂-Emissionen. Das scheint nicht viel zu sein, aber wenn man bedenkt, wie viel Styropor die USA jedes Jahr produzieren, summiert sich das auf etwa 21 Millionen Tonnen CO₂ – das entspricht etwa der Menge, die 4,5 Millionen Autos pro Jahr ausstoßen. „Styroporbecher sind leicht und preiswert, aber nicht biologisch abbaubar und können Hunderte von Jahren in der Umwelt verbleiben“ so Basu und Papadopoulos. Ihre unsachgemäße Entsorgung kann Wildtiere und Ökosysteme schädigen.Polystyrol wird aus den krebserregenden Stoffen Benzol und Styrol hergestellt. Das hat einige amerikanische Städte und Bundesstaaten, von Maine bis Los Angeles, dazu veranlasst, Polystyrolschaum zu verbieten. Überall servieren Restaurants und Geschäfte immer weniger Heißgetränke in Styroporverpackungen. Dunkin' war einer der letzten Verweigerer, hat aber 2020 die Verwendung von Styropor eingestellt.Ein Einwegplastikbecher verursacht zwischen zehn und 30 Gramm CO₂In den USA werden Plastikbecher im ganzen Land verwendet – und sofort nach der Benutzung weggeworfen. In der Regel werden sie aus einer von zwei Arten von Kunststoffen hergestellt: Polypropylen oder Polyethylenterephtalat. Einige Unternehmen verwenden auch zunehmend einen dritten Kunststoff: Polymilchsäure, ein Biokunststoff, der aus Zuckerrohr oder Maisstärke hergestellt wird und etwas besser biologisch abbaubar ist. Wie Polystyrolschaum bauen sich herkömmliche Kunststoffe nur sehr langsam ab – zuerst werden sie zu superkleinen Mikro- und Nanokunststoffen, die unsere Umwelt und unseren Körper verschmutzen. Da der Abbau so lange dauert, ist der größte Teil der 8,3 Milliarden Tonnen Plastik, die jemals hergestellt wurden, immer noch vorhanden. Je nachdem, aus welchem Kunststoff er hergestellt ist und wie er entsorgt wird, verursacht ein Einwegplastikbecher zwischen zehn und 30 Gramm CO₂.Kunststoffe „sind nicht biologisch abbaubar und können Hunderte von Jahren in der Umwelt verbleiben, wo sie zu Mikroplastik zerfallen, das Ökosysteme und die Tierwelt schädigt“, so Basu und Papadopoulos. Ein Großteil dieses Plastiks landet im Meer (10 Millionen Tonnen pro Jahr) und gelangt in Form von Mikroplastik aus Wasserflaschen, Plastikbechern und unserer Nahrung in unseren Körper. Diese Kunststoffe können krebserregende und hormonell wirksame Chemikalien in unseren Körper einschleusen.Das ist einer der Gründe, warum die EU und England Einwegplastikteller und -besteck verboten haben – obwohl das Verbot noch nicht auf Becher ausgeweitet wurde. In den USA gibt es zwar noch kein bundesweites Plastikverbot, aber Kalifornien arbeitet daran, Einwegplastik schrittweise abzuschaffen. Ein im Jahr 2022 verabschiedetes Gesetz schreibt vor, dass bis 2032 alle Verpackungen recycelbar oder kompostierbar sein müssen.Pappbecher können genauso giftig sein wie die Alternative aus PlastikIn den 1980er Jahren vollzog die Kaffeeindustrie mit dem Aufkommen von Starbucks einen harten Wechsel von Styropor- zu Papierbechern. Statt normalen schwarzen Kaffee zu servieren, bot Starbucks Kaffeespezialitäten an – Latte macchiato, Cappuccino und dergleichen. Um den Schaum auf diesen Getränken zu erhalten, benötigten die Starbucks-Getränke einen gewölbten Deckel, der nur auf Pappbecher passte.Obwohl Pappbecher auf den ersten Blick umweltfreundlicher erscheinen, ergab eine Studie aus dem Jahr 2023, dass sie genauso giftig sein können wie Plastik, wenn sie weggeworfen werden. Das liegt zum Teil daran, dass Pappbecher nicht nur aus Papier bestehen (sonst würde ja das ganze heiße Wasser einfach auslaufen.)„Pappbecher sind biologisch abbaubar und unter den richtigen Bedingungen kompostierbar, was sie relativ gesehen zu einer besseren Wahl macht. Allerdings haben Pappbecher oft eine Kunststoffauskleidung, um ein Auslaufen zu verhindern, was das Recycling erschweren kann“, so Basu und Papadopoulos. Es kann Jahrzehnte dauern, bis sich diese Kunststoffauskleidung zersetz, dabei kann Mikroplastik auslaufen. Aber auch ohne den Kunststoff ist die Zersetzung von Papier eine Belastung für die Umwelt. „Wenn Pappbecher nicht ordnungsgemäß entsorgt oder recycelt werden, können sie auf Mülldeponien landen, wo sie zersetzt werden und dabei Methan, ein starkes Treibhausgas, erzeugen.“Auch die Herstellung von Pappbechern ist nicht gerade umweltfreundlich: Für die Produktion der 16 Milliarden Pappbecher, die jedes Jahr in den USA verwendet werden, müssen 6,5 Millionen Bäume abgeholzt werden. Einer Studie zufolge stößt ein einziger Pappbecher etwa 110 Gramm CO₂ aus.Was können wir tun gegen die vielen Einwegbecher?Bemühungen von Unternehmen zur Reduzierung von Einweg-Kaffeebechern – wie sie Starbucks und andere Ketten unternehmen – sind wichtig, aber nicht der einzige Faktor bei der Bewältigung der Krise der Einwegbecher. Rachel A. Meidl, Energie- und Nachhaltigkeitsbeauftragte am Baker Institute der Rice University, gibt zu bedenken, dass ein einfaches Verbot von Einwegplastik nicht gegen ein ganzes Konsum- und Abfallsystem ankommen kann. „Ein Verbot stellt eine singuläre Lösung dar, die eine kurzsichtige Strategie für eine Gesellschaft sein kann, die mit einem so umfangreichen und vernetzten globalen Abfallproblem zu kämpfen hat“, sagt sie.Stattdessen ermutigt sie Verbraucher und politische Entscheidungsträger, den gesamten Lebenszyklus eines Produkts zu berücksichtigen und nicht nur eine einzelne Kennzahl, wie zum Beispiel Emissionen. „Die beste Politik ist diejenige, die den Werterhalt fördert, indem sie die Lebensdauer von Produkten verlängert.“Da die Verbraucher beginnen, die Existenz von Einwegplastik infrage zu stellen, entscheiden sich immer mehr Geschäfte für die Verwendung von biologisch abbaubaren Bechern. Meidl warnt jedoch davor, das Label „biologisch abbaubar“ auf Bechern zu ernst zu nehmen: „Einige Marken und Hersteller vermarkten ihre Produkte als biologisch abbaubar oder kompostierbar, obwohl es in Wirklichkeit keine wissenschaftliche Grundlage für diese Behauptungen gibt.“Wann immer es möglich ist, sind wiederverwendbare Becher das Mittel der Wahl. Wenn Sie Ihre eigene Thermoskanne mitbringen oder die Keramikbecher eines Geschäfts verwenden, können Sie die Abfallmenge erheblich reduzieren. Allerdings haben auch wiederverwendbare Becher Auswirkungen auf das Klima: Auch sie müssen hergestellt und zwischen den Einsätzen mit heißem Wasser gespült werden. Mehrweg ist immer noch der richtige Weg, aber es gibt keinen Grund, sich mit Dutzenden von Bechern und Thermoskannen zu überladen. Ein Mehrwegbecher muss zwischen 20 und 100 Mal verwendet werden, um die bei seiner Herstellung entstandenen Emissionen auszugleichen – je weniger Becher Sie also in Ihrem Schrank haben, desto öfter können Sie mit gutem Gewissen an einer Kaffeefahrt teilnehmen.
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