Heiter weggequatscht

Täuschung Eine medizinische Prüfung kommt nicht zu einem gewünschten Ergebnis? Zeigt gar negative Effekte? Nicht nur Pharmariesen kriegen trotzdem die argumentative Kurve

Es existieren doch erstaunliche Parallelen im Umgang mit Forschungsergebnissen: Als der Pharmakonzern GlaxoSmithKline kürzliche mit einer Meta-Analyse konfrontiert wurde, die völlig ungeschminkt die Ergebnisse von 56 Tests an einem seiner Diabetes-Medikamente zusammenfasste - das Resultat war niederschmetternd, die Arznei erhöht das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle um bis zu 25 Prozent - verteidigte das Unternehmen sein Mittel in einer Weise, die man sonst von Homöopathen gewohnt ist, nämlich mit einem Verweis darauf, dass es immerhin auch sieben Studien gäbe, die für das Medikament sprechen. Auch Zeitungen sind gut darin, sich wissenschaftliche Erkenntnisse entsprechend ihrer politischen Agenda zurechtzulegen, was manchmal recht surreale Blüten treibt. So war im Telgraph vor kurzem zu lesen, Einkaufen führe zu Unfruchtbarkeit und die Daily Mail mutmaßte, Hausarbeit beuge Brustkrebs vor. Aber gibt es solche Verdrehungen auch in der seriösen Wissenschaft?

Isabelle Boutron und ihre Kollegen haben diese Frage systematisch untersucht. Dazu nahmen sie alle Studien mit einem negativen Ergebnis, die im Laufe eines Monats veröffentlicht wurde (insgesamt waren es 72 ) und sahen sich dann die Versuchsprotokolle in Hinblick auf mögliche Beschönigungen durch: ob versucht wird, die Ergebnisse in einem positiven Licht erscheinen zu lassen oder den Leser von der Tatsache abzulenken, dass der Versuch negativ ausgefallen ist.

Zunächst schauten sie sich die Abstracts an. Das sind die Kurzzusammenfassungen der wissenschaftlichen Arbeiten, die von sehr vielen gelesen werden, weil die Leute entweder keine Zeit haben, sich das ganze Paper anzusehen oder weil sie dafür zahlen müssten, was allein für sich genommen schon ein Skandal ist.

Wenn man ein Abstract überfliegt, erwartet man für gewöhnlich, die Effektstärke genannt zu bekommen – 0,85 Mal so viele Herzinfarkte bei Patienten, die unser neues super-duper Medikament einnehmen – und dazu auch über die statistische Relevanz dieses Ergebnisses informiert zu werden. In unserer repräsentativen Auswahl von 72 Versuchen mit negativen Ergebnissen, waren diese Zahlen nur in neun Fällen auf korrekte Weise im Abstract angegeben. 28 Zusammenfassungen enthielten überhaupt keine numerischen Angaben über das Endergebnis. Aber es kommt noch schlimmer: Nur 16 Paper gaben das entscheidende negative Resultat der Studien überhaupt irgendwo im gesamten Text korrekt an.

Was aber steht denn dann in diesen Versuchsberichten? Meinungsmache und gezielte Verdrehung der Tatsachen. Manchmal fanden die Forscher andere positive Ergebnisse in den Tabellen und taten dann einfach so, als seien diese von Anfang an das gewesen, wonach sie gesucht hätten. Manchmal berichteten sie über die Analyse einer unzulässigen Untergruppe. Manchmal behaupteten sie, sie hätten herausgefunden, dass ihre Behandlung nicht schlechter sei als eine vergleichbare, obwohl ein Versuch, der eine solche Aussage bestätigt, in Wahrheit eine viel größere Gruppe an Versuchspersonen erfordert hätte, um auszuschließen, dass man rein zufällig einen Unterschied verpasst hat. Und manchmal ergingen sich die Autoren auch einfach nur in unverschämter Manier darüber, wie großartig die Behandlung sei.

Es werden viele Dinge unternommen, um so etwas zu verhindern. Es wird verlangt, dass Versuche vor Beginn registriert werden, und die Protokolle müssen ausformuliert werden, damit hoch motivierte Menschen im Zweifelsfall nachprüfen können, ob die Forscher ihre Meinung darüber geändert haben, was sie denn genau unter einem positiven Ergebnis verstehen, nachdem sie die Ergebnisse des Versuches in Händen hielten. Des Weiteren gibt es Richtlinien für die Berichte, wie beispielsweise Consort, die aufführen, was ein wissenschaftliches Paper an Informationen bieten muss.

Es gibt allerdings keinerlei rechtliche Handhabe, all dies einzuklagen und ein jeder ist frei, es einfach zu ignorieren. So werden also, wie von Zeitungen und Quacksalbern hinlänglich bekannt, unbequeme Fakten einfach heiter weggequatscht.

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Übersetzung: Holger Hutt
Geschrieben von

Ben Goldacre | The Guardian

Der Freitag ist Syndication-Partner der britischen Tageszeitung The Guardian

The Guardian

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden