Mikrofrösche und Zwergwespen: Erstaunliche Fakten über die kleinsten Lebewesen der Welt
Auf die Größe kommt es an! Seit dem 19. Jahrhundert weiß die Biologie, warum manche Tiere kleiner sind als andere. Wir haben Wissenschaftler gebeten, uns etwas über die winzigsten Arten zu erzählen. Wieso ist ein 20 Millimeter langes Chamäleon vom Aussterben bedroht?
Haben Sie so ein winziges Chamäleon schon mal gesehen? Das kleinste Reptil der Welt: „Brookesia nana“
Foto: Frank Glaw, Zoologische Staatssammlung München
Im 19. Jahrhundert beschäftigte sich der deutsche Zoologe Christian Bergmann mit einer einfachen Frage: Warum sind manche Tiere so klein? Seine Antwort, dass die Größe eines Warmblüters zunimmt, wenn sein Lebensraum kälter wird, ist bis heute unbestritten in der Biologie. Bergmann wies darauf hin, dass kleinere Arten dazu neigen, in wärmeren Gefilden zu leben. Dieses Muster hat mit der Oberfläche und dem Volumen zu tun: Kleinere Tiere verlieren schneller Wärme und haben Mühe, ihre Körpertemperatur aufrechtzuerhalten, wenn es sehr kalt ist. Was auch immer die Gründe sein mögen: Diese kleinen Arten sind faszinierend …
Da ein Großteil des Lebens auf der Erde noch unbekannt ist, entdecken Wissenschaftler jedes Jahr neue winz
Großteil des Lebens auf der Erde noch unbekannt ist, entdecken Wissenschaftler jedes Jahr neue winzige Organismen und definieren, welcher als Kleinster seiner Art gilt. Manchmal ist dieser Titel sogar heiß umkämpft! Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es winzige Lebewesen manchmal schwer haben, die gleiche Aufmerksamkeit zu erhalten wie ihre größeren Genossen. Das hat dann negative Auswirkungen für ihren Artenschutz. „Die kleinen Arten werden oft übersehen“, sagt Paul Rees, Gärtnereileiter in Kew Gardens. Wir haben Wissenschaftler vom Londoner Natural History Museum und anderswo gebeten, uns etwas über die kleinsten Lebewesen ihrer Art zu erzählen. Was ist so spannend an ihnen? Und wieso müssen manche ums Überleben kämpfen?Kleinstes Reptil: Nano-Chamäleon (Madagaskar)Das Männchen der erst 2021 entdeckten Art Brookesia nana ist nur 20 Millimeter lang und kommt in den Regenwäldern im Norden Madagaskars vor. Die Weibchen sind größer und werden bis zu 30 Millimeter lang. Forscher gehen davon aus, dass das kleinste Reptil der Welt vom Aussterben bedroht ist, da es in einem Gebiet vorkommt, das durch die Abholzung der Wälder stark geschädigt wurde. Trotz ihrer Gesamtgröße gilt Brookesia nana als bemerkenswert – wegen der unverhältnismäßig großen Genitalien der Männchen. Madagaskar ist berühmt für seine kleinen Tiere. Darunter sind mehrere winzige Frösche und ein Lemur namens Berthe-Mausmaki, der als „kleinster Primat der Welt“ bekannt ist.Kleinster Vogel: Bienenkolibri (Kuba)Der Bienenkolibri (Mellisuga helenae) wiegt so viel wie eine Büroklammer und wird nur fünf bis sechs Zentimeter lang. Er kommt hauptsächlich in den dichten Wäldern von Kuba vor. Seine Eier haben die Größe einer Kaffeebohne und seine Flügel schlagen 80 Mal pro Sekunde. Aufgrund der Lebensraumzerstörung auf der Karibikinsel machen sich Wissenschaftler Sorgen um sein Überleben.Placeholder image-1„Man geht davon aus, dass seine Population aufgrund des Verlusts und der Zerstörung der Wälder um 20 bis 29 Prozent pro Jahrzehnt abnimmt und in vielen Gebieten, in denen er früher weit verbreitet war, bereits verschwunden ist“, sagt Ian Burfield von der Organisation BirdLife International. „Wie andere Kolibris ernährt er sich von Nektar einer Reihe blühender Pflanzen und spielt eine wichtige ökologische Rolle als Bestäuber, sodass sein Rückgang doppelt besorgniserregend ist“, so Burfield.Kleinstes Insekt: Parasitäre Zwergwespe (USA)Das kleinste Insekt der Welt ist so winzig, dass es kleiner ist als so mancher Einzeller. Die nur 0,139 Millimeter große Wespenart Dicopomorpha echmepterygis verbringt die meiste Zeit ihres Lebens in ihrem Wirt. „Es handelt sich um winzige Wespen, die sich als Parasitoide entwickeln“, erklärt der Insektenforscher Gavin Broad. Ihre Eier legen sie nämlich in den Eiern von Baumläusen ab, die selbst nicht allzu groß sind.Placeholder image-2„Ein Wespenweibchen entwickelt sich im Wirtsei und frisst den größten Teil des Inhalts, begleitet von ein bis drei Männchen, die keine Flügel und nur rudimentäre Köpfe haben und im Allgemeinen sehr primitiv beschaffen sind, da sie das Ei nie verlassen“, weiß Broad. „Sie sind nur dazu da, die Weibchen zu befruchten.“Kleinste Amphibie: Mikro-Frosch (Papua-Neuguinea)Dieser winzige Frosch Paedophryne amauensis ist so klein, dass er keine Kaulquappen hat. Der im Jahr 2012 wissenschaftlich beschriebene Frosch lebt im Regenwald und ernährt sich von Zecken und Milben. „Im Gegensatz zu vielen anderen Fröschen umfasst sein Lebenszyklus kein Kaulquappenstadium im Wasser. Stattdessen schlüpfen die winzigen Frösche direkt aus Eiern, die auf dem feuchten Waldboden abgelegt werden“, sagt der Reptilien-Forscher Jeff Streicher. Die erwachsenen Tiere ernähren sich von kleinen wirbellosen Tieren, die sie im Laub finden.Placeholder image-3Kleinste Säugetiere: Etruskerspitzmaus und SchweinsnasenfledermausBei den Säugetieren konkurrieren zwei Arten um den Sieg in Sachen Winzigkeit. Die etruskische Spitzmaus, die in Teilen Eurasiens und Nordafrikas vorkommt, wiegt durchschnittlich zwischen 1,2 und 2,7 Gramm. Sie ist eine Einzelgängerin, hauptsächlich nachts aktiv und ernährt sich von wirbellosen Tieren. Die Spitzmaus lebt nur kurz und überlebt selten den zweiten Winter.Placeholder image-4Das andere Miniatursäugetier, das als das kleinste der Welt gilt, ist die Hummel-Fledermaus (auch Schweinsnasenfledermaus genannt), die in Thailand und Myanmar vorkommt. Sie wiegt ebenfalls etwa zwei Gramm, hat eine Flügelspannweite von bis zu 145 Millimeter und eine Körperlänge von 29 bis 33 Millimeter. „Sie nistet in ausgedehnten Höhlen in Kalksteinfelsen in der Nähe von Flüssen“, sagt die Säugetierforscherin Paula Jenkins. „Sie jagen in den oberen Baumkronen des Waldes nach wirbellosen Tieren und nutzen die Echoortung, um ihre Beute im Flug aufzuspüren.“Kleinste blühende Pflanze: Entengrütze (heimisch in Asien)Wolffia globosa, manchmal auch als Wasserlinse bekannt, hat die schnellste bekannte Wachstumsrate aller Pflanzen und kann in kürzester Zeit ganze Gewässer bedecken. Obwohl ihr die üblichen Pflanzenorgane wie Blätter, Wurzeln und Stängel fehlen, produziert sie die kleinsten bekannten Früchte und ist sehr nahrhaft.Placeholder image-5Tom Pickering, der Leiter des Gewächshauses in den Royal Botanic Gardens in Kew, sagt, die Pflanze sehe aus wie ein Unkraut. „Diese kräftige, frei schwimmende Wasserpflanze wird in der tropischen Gärtnerei in Kew in Becken gezüchtet und weltweit als Tierfutter, Medizin und Nahrungsmittel verwendet. Trotz ihrer Größe gehört die Wolffia zur gleichen Pflanzenfamilie wie der Titanenwurz, eine blühende Pflanze mit dem größten Blütenstand der Welt“, sagt er.Heiß umkämpfter Titel: „Kleinster Fisch der Welt“Auch der Titel „Kleinster Fisch der Welt“ ist heiß umkämpft. Laut Guinness World Records ist es das 6,2 Millimeter große Männchen der Art Photocorynus spiniceps. Dabei handelt es sich um einen in der philippinischen See vorkommenden Seeteufel. Als sexueller Parasit heftet er sich an das viel größere Weibchen (ein Merkmal, das bei Seeteufeln häufig vorkommt) und verwandelt es damit in einen Zwitter.Placeholder image-6Da aber das Weibchen von Photocorynus spiniceps um ein Vielfaches größer ist als das Männchen, sagen andere Forscher, dass der Titel eigentlich dem Paedocypris progenetica aus Sumatra zusteht. Der schwimmt in Torfmooren herum und wird im Erwachsenenalter bis zu 7,9 Millimeter groß. Der winzige indonesische Fisch wurde 2006 wissenschaftlich beschrieben und zum kleinsten Fisch erklärt – eine Behauptung, die von Forschern, die den Seeteufel untersucht haben, aber schnell bestritten wurde.Kleinster Kaktus: Blossfeldia liliputana (Argentinien und Bolivien)Der Beiname der Art Blossfeldia liliputana stammt von dem Wort „liliput“, was so viel wie „winziger Mensch“ oder „winziges Wesen“ bedeutet, erklärt Paul Rees. „Es bezieht sich auch auf das imaginäre Land, das von winzigen Menschen in Gullivers Reisen bewohnt wird.“ Die Pflanze wächst in Bolivien und Argentinien an Felswänden und in Felsspalten in großer Höhe und kann extremer Trockenheit trotzen, wobei sie bis zu 80 Prozent ihres Feuchtigkeitsgehalts verliert. Doch der kleinste Kaktus der Welt ist bedroht.Placeholder image-7Denn im Laufe der Jahre wurde diese Art zunehmend begehrt unter Sammlern, die sie aus der Wildnis entwendeten. Hinzu kommt ihre sehr langsame Wachstumsrate. Obwohl sie wegen ihrer weiten Verbreitung auf der Liste der am wenigsten gefährdeten Arten steht, bleibt die Wilderei die größte Bedrohung für diese Art.Muss noch entdeckt werden: Der kleinste Pilz der WeltNachdem der winzige Pilz Mycena subcyanocephala letztes Jahr in Taiwan fotografiert wurde und in den sozialen Medien viral ging, hielten ihn einige fälschlicherweise für den kleinsten Pilz der Welt. Angesichts von schätzungsweise zwei Millionen Pilzarten, die noch auf ihre Entdeckung warten, gibt es jedoch wahrscheinlich noch viel mehr mikroskopisch kleine Organismen, sagt die Mykologin Ester Gaya. „Mycena subcyanocephala ist eine der kleinsten Pilzarten der Welt. Ungeachtet ihrer winzigen Größe und ihres unscheinbaren Aussehens spielt diese Pilzart aber eine Rolle im komplexen Recyclingsystem der Natur.“ Denn sie lebt nicht nur von verrottenden Organismen, sondern trägt auch dazu bei, unsere Wälder von unerwünschtem „Abfall“ zu befreien.Placeholder image-8Ihre wichtige Rolle reicht von der Wiederverwertung von Nährstoffen bis hin zur Kohlenstoffbindung: „Wie bei allen kleinen Dingen ist es oft die koordinierte Arbeit mehrerer kleiner Pilze, die eine große Wirkung auf unser Ökosystem hat“, so Ester Gaya.
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