Warum Jean Tiroles Arbeit wichtig ist

Nobelpreis Der Ökonom forscht zur Kontrolle der Macht von Konzernen in der modernen globalen Wirtschaft. Es ist kein neues Feld – aber zu Zeiten von Google wieder hochrelevant
Jean Tirole
Jean Tirole

Foto: Remy Gabalda

Welch süße Ironie! Beim jährlichen Treffen des Internationalen Währungsfonds, das in der vergangenen Woche in Washington stattfand, war kaum jemand anzutreffen, der ein gutes Wort über Frankreich zu verlieren hatte. Und wem hat die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften nun den jährlich vergebenen Nobelgedenkpreis für Wirtschaft verliehen? Einem Franzosen natürlich!

Und mit Jean Tirole noch dazu einem, der explizite Ansichten zur Kontrolle der Macht von Konzernen in der modernen globalen Wirtschaft vertritt. Tiroles Spezialgebiet ist kein neues Feld. Schon 1776 fluchte Adam Smith in seinem Buch Wohlstand der Nationen gegen den Marktmissbrauch durch Monopole und Kartelle: „Geschäftsleute des selben Gewerbes kommen selten, selbst zu Festen und zur Zerstreuung, zusammen, ohne dass das Gespräch in einer Verschwörung gegen die Öffentlichkeit endet oder irgendein Plan ausgeheckt wird, wie man die Preise erhöhen kann.“ In den USA wurden kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Sherman Antitrust Gesetze von 1890 angewendet, um das Monopol des Erdölraffinerie-Unternehmens Standard Oil zu zerschlagen.

Dennoch ist Tiroles Forschungsgebiet aus drei Gründen auch dieser Tage noch höchst relevant. Erstens befinden sich heute viele der natürlichen Monopole, die einst Staatsbesitz waren – Strom- und Wasserunternehmen etwa – in privater Hand. Zweitens haben in den jüngsten Jahren einige Sektoren an Größe und Macht zugelegt, in denen auch die Risiken für die Öffentlichkeit größer geworden sind. Einer davon ist der Bankensektor. Drittens ist die Marktmacht zu nennen, über die einige der neuen Technologie-Giganten verfügen. Google-Chef Eric Schmidt lässt sich durchaus als ebenso mächtig bezeichnen wie seinerzeit John D. Rockefeller an der Spitze von Standard Oil. Auch die Dominanz von Amazon bereitet vielen Buchhändlern Sorge.

Was der Jury an Tirole besonders gefiel, war dass seine Arbeit über allgemeine Empfehlungen zur Verhinderung von Marktmissbrauch hinaus geht. Vielmehr betont er, dass keine Einheitslösungen existieren und jede Branche gemäß ihrer jeweiligen Struktur reguliert werden müsse. Im Bankensektor bedarf es eines anderen Vorgehens als im Bereich der Onlinesuche.

Häufig lässt sich die Relevanz des Nobelpreises für Wirtschaft für die reale Welt nur schwer erkennen. In diesem Jahr ist das anders – Tiroles Arbeit hat eine praktische Anwendung. Die Aufsichtsbehörden sollten davon Kenntnis nehmen – und handeln.

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Übersetzung: Zilla Hofman
Geschrieben von

Larry Elliott | The Guardian

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