Die Sachertorte in der Sonne

Literatur Thomas Bernhard und das andere Österreich.

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Jeder hat so sein Österreich-Klischee: junge Männer mit glatt gegelten und nach hinten gekämmten Haaren, die im Sommer vor dem Sacher bei Torte sitzen, der vorbeilaufenden Frau "Küss die Hand, Madam" zurufen, mit Polunder und Sonnebrille auf ihre bürgerliche Herkunft verweisen und Johann Strauß Walzer aus den Boxen des Cafes vernehmen. Österreichs Mainstream-Promis sind die Sisi-Romy Schneider, der herumhampelnde Peter Alexander, der Moderator für Frühdebile, Karl Moik, der Dandy für Arme, Karl Schönböck oder Mörtel Lugner, der auf jedem Ball nicht ohne hübsche Begleitung erscheinen kann. Das ist das eine Österreich. Das Österreich, dass man mit Konservatismus, Nationalismus, Konformität verbindet, dass Österreich der Mehrheit.

Ein anderes Österreich durch linke Künstler?

Doch es gibt auch ein anderes Österreich: Das Österreich der Minderheit. Vor allem Künstler waren es, die die fehlenden 68er Studentenproteste ersetzen mussten und dies hervorragend gemacht haben: Neben Thomas Bernhard auch Helmut Qualtinger, Georg Kreisler, Elfriede Jelinek, Peter Handke, der Dramatiker Werner Schwab, Alfred Hrdlicka, Peter Kern, der Filmemacher Carl Andresen, der Marquis de Sade für Arme, Hermes Phettberg. Sie alle und noch viele mehr versuchten, Österreich zu öffnen. Der Superstar dieser Riege aber ist und bleibt Thomas Bernhard, einst Hassobjekt, heute gefeiert, in einem Land, in dem nicht alle Bürger Nazis sind, auch wenn Bernhard das der Mehrheit seiner Landsleute unterstellte, aber viele sich davon auch nicht lossagten. Zwei Dinge waren es, die Bernhard im klassischen Österreich zum Außenseiter machten: seine Ehelosigkeit und seine seit Jugend bestehende Erkrankung, die ihn schließlich zu Tode brachte. Beides war wohl auch einer der Motivationspukte für sein Werk, widmete er doch glatt ein ganzes Buch seiner Erkrankung. Man hat ihm auch Homosexualität unterstellt, die in diesem Fall aber wahrscheinlich tatsächlich nicht existiert haben dürfte. Ja, er war der Chronist des modernen Österreichs. Wie ich schon einmal in einem Essay auf dem Freitag-Blog schrieb, "lies er Österreich erzittern". Kaum ein Dichter aus diesem Land ist im Zwanzigsten Jahrhundert so bedeutend gewesen, wie Bernhard.

Vielleicht gibt es ja noch Hoffnung für Österreich

Und was sagt uns dies über Österreich? Es war auch das erste europäische Land, dass einen jüdischen Regierungschef nach dem Zweiten Weltkrieg hatte, egal, was man von Kreisky halten mag oder nicht. Und dort war auch die von Simon Wiesenthal geleitete Stelle, die weltweit nach Nazis suchte, um deren Bestrafung zu erlangen. Alles Dinge, die man wohl von Österreich so nicht erwartet hätte. Natürlich gibt es auch dort Menschen, die Demonstrieren, die für Frieden und Gerechtigkeit einstehen, die ein anderes Land und eine gerechtere Welt möchten- man sieht sie nur niemals, sie kommen- in der Regel- im Mainstream gar nicht vor. Daher haben die o.g. Künstler eine wichtige Aufgabe, da sie deren Anliegen oftmals einer breiten austriaken und nicht austriaken Öffentlichkeit bekannt machen oder- sofern verstorben- gemacht hatten. Junge Wiener, Klagenfurter oder Innsbrucker befragt, interessieren sich diese oftmals mehr für ihr I-Phone, für den neusten Song von Justin Bieber oder die Ergebnisse von Rapid Wien, als sich mit Thomas Bernhard, Jelinek und co. zu beschäftigen oder gar mit sozialen Fragen. In diesem Punkt also unterscheiden sich die Jugendlichen dort nicht von denen in anderen europäischen Ländern. Es ist aber immer wieder erstaunlich, dass gerade in sehr katholischen und konservativen Ländern offenbar viele Menschen genau diesem Mainstream nicht folgen wollen, nur wird das oft im Ausland nicht bekannt und genüsslich das alte Klischee aufrechterhalten, weil sich damit natürlich auch Vorurteile gut verteidigen lassen. Damit man mich nicht falsch versteht: es ist sicher nicht alles Gold, was glänzt bei unserem kleinen Nachbarn. Aber es gibt dort auch andere Menschen als den oben beschriebenen Österreicher mit Sachertorte im Cafe und das sollte uns eine Hoffnung sein.

Ende.

08.06.2013

(Anmerkung: Ursprünglich sollte der Text ein Leserbrief zu dem Artikel im aktuellen Freitag "Thomas von Österreich", Seite 18 und 19, Literatur, von Alexander Schimmelbusch werden. Schließlich wurde es aber ein Essay. Es ist das zweite Essay auf dem Freitag, in dem ich mich mit Thomas Bernhard beschäftige, nachdem ich bereits schon einmal eines zu dem Thema mit dem Titel: "Er lies Österreich erzittern- Thomas Bernhard zum 80. Geburtstag", vom 07.02.2011. Bernhard ist nunmal eine inspirierende Persönlichkeit).

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