Er lies Österreich erzittern- Thomas Bernhard zum 80. Geburtstag

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Vieler Österreicher Lieblingsbeschäftigung besteht im "Bussi-Bussi" geben, "Küss-die-Hand, schöne Frau" rufen oder aber eine deftige Sacher-Torte in Wiens berühmtesten Cafe zu essen. Der Faschismus scheint allenthalben vergessen zu sein und "Felix Austria" feiert heute, als hätts den Herrn aus Braunau niemals gegeben. Dabei stören auch keine Fritzls und Kleine-Mädchen-in-Keller-Einsperrer die Idylle der glücklichen Alpenrepublik. Natürlich, wird man einwerfen, nicht alle Österreicher sind oder waren so. Das ist absolut richtig. Doch waren es immer die Literaten, die die größte Opposition darstellten: von Egon Friedell, der sich aus Verzweiflung über den Einmarsch der Nazis aus dem Fenster stürzte, über Ernst Jandl, der mit seinen kongenialen Versen die Leute zum Nachdenken und zum Lachen brachte, bis hin zu einem Mann, den wir heute feiern: THOMAS BERNHARD.

Bernhard, dass war ein Mann, der überhaupt nicht passte in das Klischee Österreichs: er lehnte viele- jedoch nicht alle- Preise aus Prinzip ab, lebte mit seinem "Lebensmenschen", also seiner Beziehung jahrzehntelang in Wilder Ehe und scheute sich auch nicht, testamentarisch festlegen zu lassen, dass seine Stücke in Österreich nach seinem Tode nicht mehr gespielt werden dürfen. Ein Schachzug, den man als die letzte Rache des Mannes sehen kann, der doch als Kind in der Idylle Österreichs und mit der Liebe seines Heimatromane schreibenden Großvaters Johannes Freumbichler aufgewachsen ist.

Gott sei dank war er nicht ganz alleine auf weiter Flur: auch Werner Schwab, obwohl seine Stücke nicht immer verdaulich sind und Elfriede Jellinek, waren die ebenfalls literarischen Opponenten des Landes. Doch Schwab ist bekanntlich tot und Jellinek seit ihrem Nobelpreis in einer Art Dornröschenschlaf verfallen, so das man meint, es gibt heute keine Opposition in Österreich mehr. Was die Politik selbst angeht, so ist dies wie überall: politischer Einheitsbrei, der sich nur marginal von dem unterscheidet, was wir hier erleben.

Bernhard war noch ein echter Denker, noch ein echter "Homme de Lettres" und das, was man gemeinhein auch einen echten Schriftsteller nennt: der den Mund aufmacht und gegen Bigotterie, Reaktionismus und falschem Konservatismus wetterte und der es schaffte, dass man sich sogar wegen seiner Stücke vor Beginn der Aufführung prügelte. Haider wollte gar anregen, die Werke von ihm komplett verbieten zu lassen! Das muss man sich mal vorstellen. Welcher Autor schafft das heute noch? Gleichzeitig war ja sein Leben von einer gewissen Melancholie durchzogen, die das persönliche Drama des Thomas Bernhard war: die Lebenslange Erkrankung, die schließlich zum Tode führte. Doch er verarbeitete sie in zahlreichen Werken, die bisweilen unheimlich anmuten, aber genau mit dem Signet des Todes geschrieben wurden und eine ganz eigene Sprache entwickelten.

Bernhard starb in einer Zeit des Umbruchs in Europa, er hat diese Wechselfälle nicht mehr erlebt. Österreich war damals noch viel mehr zu gewesen als heute. Die Bundespräsidentschaft von Kurt Waldheim muss ihm ein Greuel gewesen sein. Und doch, wenn man eine Liste mit den 10 größten Österreichern des 20. Jahrhunderts aufstellen müsste, die wirklich großes für das Land getan haben, denke ich, dass er unter den vorderen Plätzen rangieren sollte. Er hat durch sein Werk mehr für die Aufarbeitung der Geschichte getan, als unzählige Historiker, da die Diskussionen um sein Werk in eine breite Öffentlichkeit gelangten und oftmals ihr Ziel nicht verfehlten.

Heute fehlt- nicht nur Österreich- in Zeiten kommerzialisierter Literatur, ein solch oppositioneller und kritischer Intellektueller und Schriftsteller wie Thomas Bernhard. Doch wie sagt man so oft: Wer schreibt, der bleibt. Bernhard wird seine Gegner noch überdauern, wenn diese längst vergessen sind!

Ende.

07.02.2011

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