Der Schatten des Snobismus

Oper Es ist wahr: Die Salzburger Festspiele sind eine bürgerliche Veranstaltung – erzkonservativ und nicht reformierbar. Nur: Wen wundert das noch?

Das Freundlichste, was die Verächter der bürgerlichen Hochkultur über die Salzburger Festspiele zu sagen bereit sind, ist, dass Bayreuth noch schlimmer sei. Zwar mögen sie nachweisen, dass Bob Dylan nicht der bürgerlichen und erst recht nicht der Hochkultur zuzurechnen sei. Dass freilich Hartz-IV-Empfänger seine Konzerte besuchen, für die sie selbst bedenkenlos 200 Euro Eintritt hinblättern, ist eher unwahrscheinlich. Sie unterscheiden sich von den Fans eines Nono und selbst eines Mozart weniger, als es ihnen ihr manichäisches Selbstbild einredet.

Aber wahr ist es. Die Salzburger Festspiele sind eine bürgerliche Veranstaltung. Schlimmer: Sie sind erzkonservativ und nicht reformierbar. Darin sind sie repräsentativ für das Land, in dem sie stattfinden. Österreich ist in der Kultur ebenso innovationsresistent, wie es in der Politik demokratieresistent ist. Was will man in einem Staat erwarten, in dem die Repräsentanten jener Partei, die sich einst ihres Anteils an der Beseitigung der Monarchie rühmte, deren ältere Funktionäre sich einst Polizeiknüppel auf die Köpfe schlagen ließen, als sie gegen eine Geburtstagsfeier für Otto von Habsburg im Wiener Konzerthaus protestierten, heute, als offizielle Vertreter des Staates, dem verstorbenen Habsburg die Ehre erweisen und ihm in triefenden Reden nachrufen? Wer wundert sich noch, wenn solcher Mief demnächst einen Mann zum Bundeskanzler machen wird, der die Methoden des Osloer Massenmörders zwar verurteilt, für dessen Motive aber Verständnis aufbringt?

Snobismus des Publikums

Wo derlei mehrheitsfähig ist, ist es nur konsequent, wenn der Regisseur Christof Loy für eine die Überlieferung überschreitende, sie sogar verspottende, aber keineswegs sonderlich provokante Regie von Die Frau ohne Schatten ausgebuht wird. Was man im Sprechtheater noch duldet, gilt im Salzburger Opernbetrieb als unakzeptabel. Es hat seinen Sinn, dass man Jean Ziegler als Festredner ausgeladen hat. Er ist der Sozialdemokratie, die dafür die Verantwortung trägt, wie dem bürgerlichen und, wenn man den Objektiven der subalternen Fotografen folgt, zu einem beträchtlichen Teil adeligen Publikum nicht zumutbar.

Dabei hätten die Festspiele salzburgerischer nicht beginnen können. Am ersten Abend Die Hochzeit des Figaro, am zweiten Faust I und II, am dritten Die Frau ohne Schatten. Mozart, Goethe, Strauss inklusive Hofmannsthal: Man ist bei der Trias der Gründungsväter gelandet. Erst am vierten Abend konterkarierte man so viel Traditionsbewusstsein mit der Uraufführung von Roland Schimmelpfennigs von ihm selbst inszeniertem Stück Die vier Himmelsrichtungen. Dazu wahrscheinlich nächste Woche mehr an dieser Stelle.

Claus Guths fünf Jahre alte und diskret überarbeitete Deutung des Figaro, die den Reigen der drei Da-Ponte-Opern einleitet, ist so intelligent, so unorthodox auch; Nicolas Stemanns Faust ist so eigenwillig, so in sich widersprüchlich, Christof Loys Verweigerung gegenüber dem illusionistischen Kostümtheater, die sich zugleich als äußerst sängerfreundlich erweist, ist so stimmig – dass von einer bedingungslosen Kapitulation vor den Normen der Hochkultur keine Rede sein kann. Die Buhs für Loys Frau im Schatten belegen es. Nicht diese Inszenierungen sind das Pro­blem – die Subventionspolitik und der Snobismus des Publikums sind es. Und selbst das ist erträglicher als jene Tendenz in der Politik, die auf ungarische Verhältnisse zusteuert und Berlusconi als liebenswertes Schlitzohr erscheinen ließe.

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