Bankrücklagen auf Bürgerkosten?

Kunden & Konten Sparkassen gelten als kundenorientiert und vertrauenswürdig. Nun wird die Gebührenschraube angezogen. Ziel ist offenbar Gewinnmaximierung. Ein Kommentar in Wort und Bild

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Vor einigen Wochen erhielt ich – wie viele andere Kunden einer deutschen Sparkasse so oder ähnlich lautend auch – einen Brief von der Nord-Ostsee-Sparkasse (NOSPA). Darin heißt es:

„Ihr Girokonto mit seinen zahlreichen Zusatzleistungen ist Dreh- und Angelpunkt für Ihre gesamten Geldgeschäfte – rund um die Uhr, deutschland-, europa- und weltweit.

Zum 1. Oktober 2016 werden wir die Grundpreise unserer Girokonten an die Marktentwicklung anpassen. Für Ihr Girokonto Nr. […] beträgt der monatliche Grundpreis dann 9,50 Euro statt bisher 7,50 Euro.

Wie in Nr. 17 unserer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vereinbart, gilt Ihre Zustimmung zu dieser Vertragsänderung als erteilt, sofern Sie der Änderung nicht bis zum 1. Oktober 2016 widersprechen. Sollten Sie mit dieser Vertragsänderung nicht einverstanden sein, können Sie das davon betroffene Vertragsverhältnis auch kostenfrei und fristlos kündigen.

Wenn Sie Fragen zu den neuen Preisen beziehungsweise Ihren bisherigen Vereinbarungen haben, beantworte ich Ihnen dies gern persönlich.“

Natürlich war ich nicht einverstanden – wer gibt schon gerne mehr Geld aus, wenn man im Gegenzug dafür nicht erkennbar mehr Leistung erhält? Tatsächlich ist es gar nicht so lange her, dass die hiesige Sparkasse unangenehm in der Presse aufgefallen war.

Erstens werden Filialen geschlossen, besonders in dünn besiedelten Gegenden. Zweitens hat sich die NOSPA in einer öffentlichen Diskussion über Ausschüttungen äußerst unkooperativ gezeigt. Da Flensburg chronisch unterfinanziert ist, kam das nicht gut an. Immerhin zahlen die Kunden mit der Grundgebühr den Betrieb der Filialen. Nun reduziert man das Filialnetz und will dafür mehr Geld?

Widerspruch ist zwecklos

Da man mir in dem Schreiben freundlicherweise die Option eines Einspruchs eröffnete, machte ich folgerichtig von dem Angebot Gebrauch und schrieb einige Tage später an die Geschäftsleitung der NOSPA:

„Vielen Dank für Ihr Schreiben vom 22.07.2016 mit der Ankündigung der Gebührenerhöhung um 2,00 EUR von 7,50 EUR auf 9,50 EUR.

Wie den Medien unter Berufung auf öffentliche Berichte der Sparkassen zu entnehmen ist, konnte die NOSPA im Geschäftsjahr 2015 einen Gewinn in zweistelliger Millionenhöhe verzeichnen.

Im selben Zeitraum wurden hochrangige Manager der NOSPA mit exorbitant hohen Gehältern gesegnet, die kaum im Verhältnis zu ihrer Arbeitsleistung stehen können.

So belegten mit Thomas Menke, Michael Hinz und Enno Körtke gleich drei NOSPA-Vorstandsmitglieder Plätze der 20 Höchstverdiener unter Norddeutschlands Sparkassen
(„Handelsblatt“, 17.06.2016).

Insgesamt erhielten diese drei Herren des NOSPA-Vorstands allein über 1,3 Millionen Euro. Wie das Handelsblatt so schön ausführt: „Mit ihren rund 230.000 Euro im Jahr würde die Bundeskanzlerin im Ranking relativ weit hinten landen.“

1. Mit Verweis auf die glänzende wirtschaftliche Situation der NOSPA ist eine Gebührenerhöhung für die Kontoführung nicht plausibel nachvollziehbar.

2. Im Gegenteil ist keine wesentliche Verbesserung an den Leistungen der NOSPA erkennbar, welche eine Werterhöhung dieser Leistungen im Rahmen einer Gebührenerhöhung mit über 26 Prozent rechtfertigen könnte.

3. Ferner ist der Presse zu entnehmen, dass die NOSPA in den vergangenen Jahren wiederholt einen Gewinnzuwachs verzeichnen konnte und regelmäßig mit einer soliden Eigenkapitalquote aufgestellt war: „Die Gesamtkapitalkennziffer der NOSPA betrage damit jetzt 13,1 Prozent, gefordert sind aktuell 8 Prozent, teilte die NOSPA weiter mit.“ („Flensburger Tageblatt“, 23.01.2015; hier: Zahlen aus 2014 und Vorschau auf 2015; im Interview: NOSPA-Vorstand Menke)

Dieser Trend dürfte allerdings auch in 2015 ungebrochen weiter verlaufen sein, immerhin freute sich Nord-Sparkassen-Präsident Boll am 06.04.2016 im „Flensburger Tageblatt“ über einen Gewinnzuwachs von 50 Prozent auf insgesamt 123 Millionen innerhalb der 13 Nord-Sparkassen. Die NOSPA ist meines Wissens die zweit- oder drittgrößte der Nordsparkassen und konnte sicherlich einen beachtlichen Anteil an diesen Gewinnen verbuchen.

Unter Berufung auf die oben aufgeführten Ausführungen widerspreche ich hiermit Ihrer per 01.10.2016 angekündigten Gebührenerhöhung entschieden.

Tatsächlich betrug der Gewinn der NOSPA 2015 über 48 Millionen Euro. Aber dazu später mehr.

Was dann folgte, war erstmal gar nichts. Statt einer schriftlichen Antwort innerhalb der Frist erhielt ich gut zwei Wochen später einen Anruf des Regionaldirektors; er würde mich gerne zum Gespräch einladen. Da ich in dieser Sache ehrlich gesagt doch gerne etwas Belastbares in den Händen halten würde, bat ich um eine schriftliche Antwort. Die würde ich auch bekommen, versprach mir mein Kontaktpartner, aber zunächst bitte man mich zum Gespräch.

„Schönes Konto haben Sie da. Wäre doch schade, wenn dem was passiert.“

Dann sagte er allerdings etwas Interessantes: Wenn ich meinen Einspruch gegen die Gebührenerhöhung aufrecht halten würde, müsse ich mir im Klaren darüber sein, dass mein Konto dann gekündigt würde.

Ich hatte dem ganzen Vorgang bis dahin ehrlich gesagt nicht viel Bedeutung beigemessen. Man hatte mich angeschrieben, mir die Möglichkeit eines Einspruchs gegeben, die hatte ich in Anspruch genommen. Eine Kündigung war mir ebenfalls nur optional vorgeschlagen worden und stand aus meiner Sicht nie zur Debatte. Könnte es sein, dass die Sparkasse unsicher im Umgang mit dem Modalverb „können“ ist?

Das Herumdrucksen meines Gesprächspartners, der vage Verweis auf die „Marktentwicklung“ als Begründung für die Gebührenerhöhung und die beinahe drohende Ankündigung meiner Kontokündigung machten mich allerdings hellhörig.

Termin beim Regionaldirektor

Also traf ich mich am 9. September mit dem Regionaldirektor der NOSPA, Herrn Stefan Kubut. Nach dem üblichen Willkommensgeplänkel kamen wir auf meinen Einspruch zu sprechen und er machte sehr schnell klar: Wenn ich den Einspruch aufrechterhalte, schmeißt er mich als Kunde raus. Statt eine Antwort zu erhalten, war ich nun im Zugzwang, meine schriftliche „Kündigung“ wieder zurückzuziehen. Nachfragen, was denn die „Marktentwicklung“ konkret zu bedeuten habe, wurden nicht beantwortet, da man mir nicht die „strategische Ausrichtung für die Zukunft“ offenlegen werde. Dann versuchte er mir allerlei Zusatzdienstleistungen schmackhaft zu machen und meinen neuralgischen Punkt als Kunden zu finden – so wurde aus meiner sachlichen Fragestunde plötzlich ein Verkaufsgespräch wie aus dem Drückerhandbuch.

Außer Spesen nix gewesen. Obwohl ich darauf vorbereitet war, dass der Termin so laufen würde, war ich enttäuscht: Denn entgegen seiner ausdrücklichen Zusage hatte mir der Mann nichts Schriftliches gegeben. Ich habe bis heute nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten. Das ist im geschäftlichen Umgang miteinander gelinde gesagt unseriös.

So biss ich also in den sauren Apfel, reichte einen Widerruf meines Einspruchs bei der NOSPA ein und begann mit der Arbeit. Das Recht auf Recherche kann mir die Sparkasse schließlich nicht verbieten.

Wenn’s an’s Geld geht: Sparkasse

Die deutschen Sparkassen können sich über ein gutes Image freuen: Sie gelten als kundenfreundlich, kooperationsorientiert, weitsichtig und vertrauenswürdig.

Mit unzähligen Filialen sind die 417 Sparkassen vor allem für ältere Bevölkerungsgruppen und in dünn besiedelten Gebieten ein wichtiger Ansprechpartner vor Ort für alle alltäglichen Fragen zu Konten und Geldgeschäften. Immerhin führen die Sparkassen über 39 Millionen Girokonten und belegen mit 16,8 Prozent Marktanteil den dritten Platz der kontoführenden Institute in Deutschland.

Etwa 4,4 Milliarden Euro Gewinn vor Steuern machte die Sparkassen-Finanzgruppe 2015 laut sh:z unter Berufung auf das Handelsblatt. Davon wurden lediglich 240 Millionen Euro an die Träger, also Städte, Kreise und Kommunen, ausgeschüttet. „Die Rechnung von Sparkassen-Kritikern wie Gottwald lässt sich somit grundsätzlich auf fast jede Region in Deutschland übertragen, in denen kommunale Haushalte marode sind und eine Sparkasse vor Ort ist.“

Rainer Gottwald kam bereits im Juni dieses Jahres im BR-Satiremagazin „quer“ zu Wort: Der ehemalige Banker und Controller rechnete bayernweit die möglichen Ausschüttungen der Sparkassen an klamme Kommunen nach: „Insgesamt hätten sie ausschütten können ungefähr 480 Millionen Euro. Ausgeschüttet wurden ungefähr 16 Millionen Euro.“ Das liegt vor allem daran, dass von 71 der bayrischen Sparkassen nur noch fünf Gewinnanteile ausschütten.

Eingebetteter Medieninhalt

Karikatur: „Sparkasse“; Quelle: www.timoessner.de

Es festigt sich schon nach kurzer Recherche das Bild, dass die Sparkassen Gewinne über Jahre hinweg anhäufen und als Einlage zurückhalten, statt das Geld in Umlauf zu bringen und an die oftmals klammen Städte, Kreise und Kommunen auszuschütten.

Kosten für die Kunden, Sparen für die Kasse

Als Kunde und Betroffener habe ich mir naheliegenderweise die NOSPA vorgenommen und die verfügbaren Zahlen etwas genauer angeschaut:

Neben einem saftigen Plus von 6,128 Millionen Euro in 2014 und sagenhaften 48,802 Millionen Euro in 2015 (Seite 12 im PDF), zieht der Geschäftsbericht 2015 auch Bilanz über die angebliche Serviceverbesserung: So wurden von 2014 bis 2015 fast 5 Prozent weniger Mitarbeiter beschäftigt (S. 60 im PDF).

Das deckt sich laut dem Flensburger Tageblatt mit den Ausführungen der NOSPA zur „Neustrukturierung des Filialnetzes“. Demnach „sollen mitarbeitergeführte Filialen zusammengelegt oder in SB-Filialen umgewandelt werden. Folge: Von den bislang insgesamt 114 Standorten im Geschäftsgebiet der NOSPA sollen am Ende 95 bestehen bleiben.“

Dies ist ebenfalls ein deutschlandweites Phänomen, vom südlichen Bayern bis in den hohen Norden.

Betriebliche Rationalisierung führt zu Belastung der Kommunen

Besonders ärgerlich an dieser Entwicklung ist, dass die Sparkassen die Kommunen damit doppelt belasten: Weniger Angestellte bei Unternehmen bedeutet für die Kommunen weniger Steuereinnahmen und in der Regel höhere Sozialausgaben. Zudem sind viele Kommunen in Deutschland schlichtweg pleite und könnten viel Gutes mit Gewinnausschüttungen bewirken. Während die NOSPA bspw. seit Jahren ihre Gewinne hortet, ist die Stadt Flensburg chronisch unterfinanziert, wie man auf Seite 2 des Konsolidierungsplans der Stadt erkennen kann.

Der Vorstand in Flensburg teilt sich derweil 1,338 Millionen mit drei Mann inkl. „leistungsabhängiger Boni“ – und nicht zu vergessen: saftigen Pensionsansprüchen.

Bei Zahlen zu Ausschüttungen herrscht plötzlich Ebbe

Wie hoch die Ausschüttungen der NOSPA 2015 an die Stadt Flensburg waren, geht aus dem Geschäftsbericht der Sparkasse nicht hervor. Vielmehr führt sie Ausschüttungen als Risiko und schreibt unter „Beteiligungsrisiko“: „Darüber hinaus können Ausschüttungsrisiken zu einer Reduzierung der geplanten operativen Erträge führen.“ (s. 24 im PDF)

Gleichzeitig rühmen sich die Sparkassen gerne mit ihrem Engagement für wohltätige Zwecke. Auch bei unserem Gespräch hob der Regionaldirektor die großmütigen NOSPA-Spenden von einer Million für soziale Projekte deutlich hervor. Kritiker halten dem entgegen, dass eine Stadtverwaltung die Mittel transparenter einsetzt und die Infrastruktur dafür bereits besteht – ohne Werbebonus für millionenschwere Almosengeber.

Eine Nachfrage bei der Stadt Flensburg über Ausschüttungen seitens der NOSPA ergab übrigens folgende Ergebnisse:
Für 2014: 0 Euro; 2015: 0 Euro. Wir erinnern uns: Im selben Zeitraum machte die NOSPA über 54 Millionen Euro Gewinn.

Gebührenerhöhung als Gewinnmaschine

Nun möchte die NOSPA pro Kunde 2 Euro zusätzlich im Monat, sprich: 24 Euro pro Jahr, kassieren. Laut einem Bericht des Flensburger Tageblatts hat die NOSPA 183 300 Kunden (Stand: 2015).

Kurz nachgerechnet, ergeben 24 Euro multipliziert mit 183 300 Kunden = 4 399 200 Euro zusätzlich pro Jahr – einfach so, ohne Not, nur mit einer einfachen Änderung der AGB. Das ist sogar noch einfacher als Geld zu drucken!

Für den einzelnen Kunden mögen die paar Euro übers Jahr gerechnet nicht viel sein – für die Sparkassen bedeuten die paar Euros zusammen Millionen an Reingewinn.

Das wäre sogar fast vertretbar, würden die Sparkassen diese Gewinne entsprechend in den Erhalt eines flächendeckenden Filialnetzes investieren und Überschüsse an die Träger ausschütten. Stattdessen gehen die Gewinne offenbar in erster Linie in millionenschwere Töpfe für Sparkassen-Vorstände, wie der SHZ im Juni diesen Jahres festgestellt hat: „Nicht zu vergessen: Bezahlt werden die Millionen-Pensionen von den Kunden – von deren Gebühren und Zinszahlungen.“

Ein deutschlandweiter Trend

Wie stark sich die Strategie der Sparkassen länderübergreifend ähnelt und auch in der Argumentation verdächtig oft wiederholt, wird in einem Beitrag des ZDF-Magazins „Frontal 21“ vom 30. August deutlich: Die Redakteure schauten sich deutschlandweit, in verschiedenen Bundesländern, die Gebührenerhöhungen der Sparkassen sowie die Neuerungen in den AGB an. Von Bayern über Nordrhein-Westfalen bis Berlin zieht sich der rote Faden durch, dass bei glänzenden Geschäftsbilanzen allerorten die Kontoführungsgebühren, Überweisungsgebühren oder Mindesteinlagen erhöht wurden – womit ausgerechnet Geringverdiener überproportional belastet werden. So erlässt bspw. die Stadtsparkasse München ihren Kunden großzügig die Gebühr fürs Girokonto – sofern mindestens 1750 Euro monatlich darauf eingehen.

Interessanterweise bemüht auch der im ZDF-Beitrag interviewte Sparkassen-Sprecher den EZB-Leitzins als Begründung für die Gebührenerhöhung. Wie der Finanzwissenschaftler Reint Gropp im Beitrag erklärt, ist diese Begründung allerdings nicht belastbar. „Die Kreditzinsen fallen, da haben die Sparkassen Recht und das ist schlecht für sie, weil sie weniger einnehmen. Gleichzeitig fallen aber auch die Einlagenzinsen und das ist gut für die Sparkassen, weil sie weniger Kosten haben.“

Ein niedriger Leitzins bedeutet zwar weniger Gewinne aus Krediten, bedeutet aber auch gleichzeitig weniger Ausgaben für die Zinsen auf die Spareinlagen der Kunden.

Das spiegelt sich durchaus im Geschäftsbericht des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes wieder:

Schaut man in den „Aggregierten Jahresabschluss“ der Sparkassen-Finanzgruppe von 2015, ist der Zinsertrag zwar seit 2014 um fast 6 Milliarden Euro gefallen, im gleichen Zeitraum sank allerdings auch der Zinsaufwand deutlich um ebenfalls beinahe 6 Milliarden.

Exkurs Leitzins

Dass die Sparkassen mit dem Leitzins argumentieren, ist nebenbei bemerkt ein Armutszeugnis für ihre eigenen geschäftlichen Fähigkeiten. Denn der Leitzins ist ein Wachstumsregulator, kein Gewinnhindernis. Es wird lediglich die Höhe der Gewinnmarge verschoben, was allerdings ein Anreiz sein sollte, mehr Geld zu verleihen – damit eine Bank oder Sparkasse eben nicht mehr an einzelnen Kunden bzw. Kreditposten durch besonders hohe Zinsen verdient, sondern durch mehr Umsatz in Form von vielen Krediten zu kleineren Zinsen den niedrigeren Leitzins kompensiert. Auf diese Weise kann in einer Phase stockender Märkte ein „Ankurbelungs-Effekt“ erzielt werden, denn billiges Geld im Binnenmarkt kommt in der Regel der gesamten Wertschöpfungskette in kurzer Zeit zugute.

Mit anderen Worten: Ein niedriger Leitzins sollte eigentlich eine Reduzierung von Markteintrittshürden bedeuten, sofern die Sparkassen dafür sorgen, dass das Geld auf dem Markt zirkuliert. Wenn sie es aber horten, damit Marktteilnehmer behindern oder schwache Marktteilnehmer sogar überproportional benachteiligen, dann haben die Sparkassen etwaige Verluste selbst zu verantworten, weil sie ihrer Hauptaufgabe nicht nachkommen: (gesamt-)wirtschaftlich sinnvolle Konten und Kredite bereitzustellen.

Noch einfacher ausgedrückt: Wenn die Sparkassen mit dem Leitzins nicht umgehen können, was unter dem Stichwort „unternehmerisches Risiko“ zu den Grundlagen ihrer Arbeit gehört, dann haben sie einfach ihren Job nicht drauf. Dafür können aber die Kunden nichts.

So macht man es nicht mit dem Kunden

Nun ist es so: Ich bin Sparkassen-Kunde seit ich sechzehn bin und war eigentlich immer ein zufriedener Kunde. Daher war es niemals meine Absicht, mein Konto bei der Sparkasse aufzulösen. Das liegt auch daran, dass ich das Sparkassen-System in öffentlicher Hand grundlegend sehr vernünftig finde. Das ist es aber nur, solange es als eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Kunden und den öffentlichen Trägern funktioniert.

Sobald die Sparkasse zum Selbstbedienungsladen für Vorstände wird und sie ihre Hauptaufgaben vernachlässigt, nämlich die Bereitstellung von Konten und Krediten, verkehrt sich der Vorteil ins Gegenteil. Es ist einfach nicht im Interesse der öffentlichen Träger, wenn sich die Sparkassen auf den Lorbeeren ihres guten Images ausruhen und es gar dafür missbrauchen, den Kunden als Cash Cow zur Kasse zu bitten.

Wussten Sie schon?
Die Sparkassen-Gesetze der Bundesländer

Was viele Leser vielleicht noch nicht wussten und was auch mir bis vor Kurzem noch neu war: Es gibt je Bundesland ein eigenes Sparkassengesetz. Schaut man in das „Sparkassengesetz für das Land Schleswig-Holstein“, steht unter Paragraf 2:

„Sparkassen sind selbständige Unternehmen in kommunaler Trägerschaft mit der Aufgabe, auf der Grundlage der Markt- und Wettbewerbserfordernisse für ihr Geschäftsgebiet den Wettbewerb zu stärken und die angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise, der öffentlichen Hand und insbesondere der mittelständischen Wirtschaft mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen auch in der Fläche sicherzustellen. Sie unterstützen dadurch die Aufgabenerfüllung der Kommunen im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich.“

Die Sparkassen in Schleswig-Holstein haben also den klaren Auftrag, mit wirtschaftlichem Engagement die Träger – also: Städte, Kommunen und Kreise – zu unterstützen und dabei ausdrücklich alle Bevölkerungskreise – ob jung, ob alt, ob reich, ob arm, ob städtisch oder dörflich – zu versorgen.

Weiter heißt es unter „Verwendung von Überschüssen“ in Paragraf 27:

„1. Der Jahresüberschuss ist der Sicherheitsrücklage zuzuführen, soweit er nicht an den Träger abgeführt wird.

2. Der Jahresüberschuss kann mit Wirkung für den Bilanzstichtag bis zur Hälfte der Sicherheitsrücklage zugeführt werden (Vorwegzuführung).

3. Die Sparkasse kann von dem Jahresüberschuss bis zu 35 % an den Träger abführen.“

Das bedeutet übersetzt: Die Sparkassen „können“ 35 Prozent ihrer Gewinne an die Träger ausschütten – eine Anhäufung der Gewinne von mehr als 50 Prozent ist aber nicht vorgesehen.

Das Sparkassen-Gesetz von Nordrhein-Westfalen ist sogar noch deutlicher. Dort steht unter Paragraf 2, Absatz 3:

„Gewinnerzielung ist nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebes“. Sparkassen sollen statt dessen lt. Absatz 1 „der geld- und kreditwirtschaftlichen Versorgung der Bevölkerung dienen und der Wirtschaft insbesondere des Geschäftsgebietes und ihres Trägers zu dienen“.

Das bedeutet im Klartext: Die Sparkassen dürfen sich nicht an ihren Kunden bereichern, sondern sollen die Träger und damit alle Bürger im Sinne des Gemeinwohls unterstützen.

Fassen wir zusammen:

1. Die „Marktentwicklung“ ist anders als von den Sparkassen dargestellt sogar vorteilhaft für sie, wie anhand von Geschäftsberichten und der Berichterstattung erkennbar ist.

2. Die Gewinne und Rücklagen steigen kontinuierlich in den letzten Jahren – und zwar weit über die von der EZB geforderte Eigenkapitalquote als Einlagensicherung.

3. Eine Verbesserung der Dienstleistung ist mit Blick auf die Einsparung von Filialen nicht erkennbar.

4. Wachsende Vorstandsgehälter sind gegenüber der Öffentlichkeit, den Kunden und Trägern schwer zu rechtfertigen, wenn man gleichzeitig grundlos über schlechte Zeiten klagt und den Kunden die Gebühren erhöht.

5. Die Sparkassen sind eigentlich lt. bundeslandesspezifischer Sparkassengesetze auf die eine oder andere Weise angehalten, ihre Gewinnüberschüsse an die Träger auszuschütten, also Städte, Kommunen und Kreise. Dieser Aufgabe kommen sie nur selten und höchst ungerne nach.

Appell an die Sparkassen:
Kurswechsel jetzt, back to the Basics!

Die Sparkassen haben ein außerordentlich gutes Image, das sie derzeit nachhaltig gefährden. Die Gewinnanhäufung, die fadenscheinig begründete Gebührenerhöhung, die millionenschweren Gehälter, Boni und Pensionskassen der Vorstände – das alles wirkt wie der bizarre Versuch, der Bankenbranche im schlimmsten Sinne nachzueifern, als hätte man aus den Krisen der vergangene Jahre nichts gelernt.

Dabei sind die Sparkassen aus einem guten Grund ausdrücklich keine Banken: Sie sind in öffentlicher Trägerschaft und damit der Allgemeinheit verpflichtet. Das bedeutet ganz schlicht, dass die Kernaufgaben der Sparkassen waren, sind und weiterhin sein werden: die Bereitstellung von Konten und die Vergabe von Krediten. Eine Bereicherung einzelner ist nicht vorgesehen, Gewinnüberschüsse werden an die Allgemeinheit, sprich: die Träger ausgeschüttet. Punkt.

Allein am Beispiel der Nord-Ostseesparkasse (NOSPA) ergibt sich jedoch vielmehr folgendes Bild:

2015 wurde ein Gewinn von 48 Millionen Euro erzielt. Die Vorstände erhielten zu dritt 1,338 Millionen Euro. An die Träger wurden exakt 0 Euro Überschuss ausgezahlt. Das Filialnetz wurde gegenüber dem Vorjahr um fast 17 Prozent reduziert, und fast 5 Prozent weniger Angestellte beschäftigt.

Eine Gebührenerhöhung von 24 Euro pro Jahr bei 183 300 Girokonten ergibt einen Gewinnsprung von über 4 Millionen, – wohlgemerkt zusätzlich zu gleichzeitig sinkenden Kosten und steigenden Gewinnen!

Es geht auch anders:
Positivbeispiel „Große Emma“

Wie man es auch in wirtschaftlich prekären Zeiten oder Orten richtig machen kann, zeigt das Positiv-Beispiel der „Großen Emma“ in Zabelitz: Anstatt die unrentable Filiale auf dem platten Land einfach wegzusparen, wurde aus der Filiale ein Dienstleistungszentrum für das ganze Dorf.

Das ist bestimmt kein Allheilmittel für alle Sparkassen deutschlandweit, aber es beweist: Es geht auch anders, wenn man sich die Mühe macht, von den üblichen Strategien abzuweichen, über den Tellerrand hinaus zu blicken und gemeinsam mit den Menschen vor Ort eine für alle Beteiligten sinnvolle Lösung zu erarbeiten!

Download-Service & Hinweis:
Den oben zitierten Einspruch gegen die Gebührenerhöhung finden Sie hier als Musterbrief.

Bitte beachten Sie, dass Ihnen die Sparkasse möglicherweise mit einer Kündigung droht;
für diesen Fall finden Sie hier einen Musterbrief zum Widerruf des Einspruchs.

Das klingt alles etwas kompliziert, folgt aber einer einfachen Logik: Wenn sich niemand beschwert, wird sich auch nie etwas ändern. Wenn Sie allerdings Ihren Einspruch rechtzeitig widerrufen, hat die Sparkasse offiziell keinen Grund mehr, Ihnen das Konto zu kündigen – trotzdem haben Sie bis dahin als einer von vielen Protest eingelegt und eine Akte geschaffen.

Bitte beachten Sie, dass Sie beide Briefe fristgerecht vor der Änderung der AGB einreichen müssen!

Beachten Sie bitte außerdem, dass ich keine Gewährleistung für die Entscheidung Ihrer Sparkasse geben kann und dass Ihnen unter Umständen das Konto gekündigt wird!

Suchmaschinen-Tipp für Sparkassen-Kunden:
„Geschäftsbericht [offizielle Bezeichnung Ihrer Sparkasse] 2015“

Dank Gesetzesänderungen müssen die Sparkassen seit letztem Jahr ihre Geschäftsberichte veröffentlichen. Das Vergütungsoffenlegungsgesetz ist jeweils Landessache, was evtl. bedeutet, dass die Geschäftsberichte noch nicht für jedes Bundesland vorliegen.

Recherche-Tipp:
„Crowd Newsroom“ – eine Zusammenarbeit von FAZ und Correctiv.org

Das Recherchenetzwerk Crowd Newsroom hat sich deutschlandweit die Sparkassen einmal genauer angeschaut und bietet umfangreiches Recherchematerial, Quellen und Berichte zu dem Geschäftsgebaren der Sparkassen.

TV-Tipps:
ZDF „Frontal 21“ v. 30.08.2016: „Gierige Sparkassen“ (9:19 Min)

Beschreibung der ZDF-Redaktion: „Viele Sparkassen erhöhen die Gebühren für Girokonten oder schließen Filialen. Die Begründung: Wegen der niedrigen Zinsen hätten sie immer weniger Einnahmen. Doch ist das wirklich so?“

ARD „Plusminus“ v. 24.08.2016: „ Konto-Gebühren – So tricksen die Banken“ (3:34 Min)

Beschreibung der ARD-Redaktion: „Wegen der Nullzinspolitik der EZB erwirtschaften Banken mit Kundengeldern kaum noch Rendite. Deswegen bitten sie Kunden verstärkt über Kontogebühren zur Kasse mit teils dubiosen Mitteln. Plusminus erklärt, worauf Kunden achten müssen.“

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Timo Essner

Flensburger Jung, zweisprachig aufgewachsen, dritter Sohn von Literaten.Karikaturist und freier Redakteur in diversen Publikationen on- und offline.

Timo Essner

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