Der ausbleibende Profit Künstlicher Intelligenz: Bot better have my Money

Kolumne Bislang verdienen die großen Unternehmen nicht wirklich an generativer Künstlicher Intelligenz. Das liegt daran, dass uns eine große Umstellung bevorsteht, gegen die wir uns wehren sollten
Hier sehen sie den noch zu teuren Wissensarbeiter der Zukunft
Hier sehen sie den noch zu teuren Wissensarbeiter der Zukunft

Foto: Ronald Wittek / picture alliance / EPA-EFE

Laut des Hypes um generative Künstliche Intelligenz ist die neue Technologie vieles: wahlweise unsere Rettung oder unser Untergang, ein Werkzeug mit unendlichen Möglichkeiten, ein Spiegel menschlicher Schöpfung und vor allem irgendwie unsere Zukunft. Doch bislang ist diese KI vor allem eines: ein unersättliches Loch, in das immer mehr Geld verschwindet. Denn bislang verdient niemand so richtig daran. Einer der Gründe dafür ist durchaus paradox: Bevor KI wie versprochen die Welt verändern kann, muss sich zuerst die Welt verändern. Das kann gefährlich werden. Aber der Reihe nach.

Natürlich sind schon einige Leute wahnsinnig reich mit generativer KI geworden. Ihre Startups heimsen so viel Wagniskapital ein, dass manche von einer neuen Spekulationsblase munkeln. Aber das alles ist Geld, das die Investor:innen auf die Zukunft der KI wetten und nicht für ihre Gegenwart ausgeben. Dort sieht es eher mau aus. Als Beispiel: Der GitHub Copilot, eine KI aus dem Hause Microsoft/OpenAI, die Informatiker:innen beim Code schreiben hilft, kostet 10 Dollar im Monat und das Unternehmen verlor Anfang des Jahres bis zu 80 Dollar pro abgeschlossenes Abo, laut eines neuen Berichts im Wall Street Journal.

Die gängige Begründung dafür ist, dass diese Modelle einfach wahnsinnig teuer zu produzieren und zu betreiben sind. Jede einzelne Anfrage braucht Unmengen an Rechenkapazität und Energie, das macht sie kostspielig (und zum absoluten Umweltkiller). Und ja, das ist natürlich ein Grund und mit der Zeit werden diese Kosten sinken, da Rechenkapazität stetig billiger wird. Das wird das Geschäft mit generativer KI profitabler machen. Doch der andere, womöglich wichtigere Grund ist, dass der Markt für die Technologie noch nicht geschaffen ist, zunächst braucht es eine Umstellung.

Neustrukturierung der Arbeitswelt

Das ist normal bei Automatisierungswellen: als Anfang des 19. Jahrhunderts die britische Textilindustrie zunehmend Maschinen nutzte, passierte das nicht, indem einfach professionelle Handwerker:innen durch ihnen ebenbürtige Technologien ersetzt wurden, während sonst alles wie davor blieb. Nein, denn die neuen Maschinen konnten nur Teilaspekte ihrer Arbeit ausführen – diese aber mit übermenschlicher Effizienz.

Damit die Industrialisierung Fahrt aufnehmen konnte, musste daher die Arbeitswelt neu organisiert werden: es entstand die Fabrik. Dort wurde anspruchsvolles Handwerk zu einfachen, repetitiven Handgriffen deprofessionalisiert, um die Aufgaben zu verrichten, die Maschinen (noch) nicht durchführen konnten. In der Fabrik wurden menschliche Arbeiter:innen selbst zu Teilen einer großen Maschine.

Wissensarbeiter:innen in kognitiv anspruchsvollen Berufen droht heute dasselbe Schicksal wie Textilarbeiter:innen während der Industrialisierung: die Deprofessionalisierung und Entwertung ihres Handwerks. KI-(Chat)Bots können rapide Texte oder Bilder produzieren, haben jedoch kein Verständnis von Wahrheit und halluzinieren regelmäßig. Damit sie ihre Arbeitskosten senken können, werden Unternehmer verlangen, dass wir uns der Technologie anpassen, nicht andersrum. Es wird Anwälte, Journalistinnen, Therapeuten, Lehrerinnen und mehr geben, deren Alltag darauf reduziert wird, die Arbeit von KI-Chatbots zu prüfen, ihnen zuzuarbeiten, ihre Mängel auszugleichen. Das wird auch endlich – um zum Anfang zurückzukehren – die Nachfrage nach den KI-Programmen steigern und Microsoft, Google etc. ihre ersehnten Profite einfahren. Doch noch sind wir nicht dort.

In der Industrialisierung gab es Proteste gegen diesen Prozess. Die Maschinenstürmer, die Ludditen und die Swing Aufstände, die sich nicht gegen Mechanisierung an sich aber gegen die damit einhergehenden Lohnsenkungen, die Entwertung ihrer Arbeit wehrten. Letztendlich verloren sie, doch diese Kämpfe werden sich wiederholen müssen. Denn die industrielle Revolution mag auf lange Sicht sogar die Arbeiterklasse wohlhabend gemacht haben. Doch, wie der Wirtschaftshistoriker Carl Benedikt Frey schreibt, dauerte es drei Generationen voller Automatisierung und monotoner Fabrikarbeit bis der Wohlstand der Arbeiter wieder präindustrielles Niveau erreicht hatte und darüber hinausging. Drei Generationen. Das darf nicht sein.

Titus Blome beschäftigt sich in seiner Kolumne Maschinentext mit neuen Technologien

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