Lafontaines Leviten: die Krise, die Linke und die Sorgen des Ex-Chefs

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Vielleicht ist der Ausdruck Strafpredigt etwas überzogen – nicht jedoch für Bild: „Oskar Lafontaine las seiner Linkspartei gestern die Leviten”, schreibt das Blatt. Richtig ist wohl, dass der frühere Vorsitzende die angereisten Mitglieder der Bundestagsfraktion und andere Spitzengenossen gewarnt hat: „Wir dürfen uns nicht zu lange und zu intensiv mit Nebenthemen beschäftigen“, wird Lafontaine zitiert. „Sonst entziehen die Wähler uns das Vertrauen.“ Parteien, „die nach außen zerstritten sind, haben in der Regel keine Wahlerfolge.“ Die Linke sei politisch eigentlich in einer „idealen Situation“, ihre Botschaften unterzubringen, dazu müsse sie aber, so der Saarländer, „jetzt mal wirklich die Dinge ansprechen, die die Menschen bewegen“. Dass es geht, dafür fand Lafontaine ein Beispiel in der Eurokrisen-Debatte, wo die Linke schon vor Jahren die Einführung von Eurobonds vorgeschlagen hatte – was nun auch andere Parteien wie die SPD unterstützen. Geschlossenheit sei wichtig, sagt der Ex-Vorsitzende. „Bitte versucht, das im Auge zu haben.“ Er selbst habe bereits die Sorge gehabt, „dass ein großes Projekt, das wir begonnen haben“, zu scheitern drohe.

Auch andere Spitzenlinke haben am Wochenende noch einmal verbal auf den Tisch gehauen. „Wir können uns diese rückwärtsgewandten Irrsinnsdebatten nicht länger leisten“, wird Fraktionsvize Ulrich Maurer zitiert. Die „Zeit der Selbstbeschäftigung oder der Auseinandersetzung um uralte Vergangenheit“ sei vorbei, meint Fraktionschef Gregor Gysi. Bei den Beratungen in Rostock sei das allen klar geworden, denn: „Wir sind eine Partei der Zukunft.“ Das Dilemma ist: Einerseits braucht die Linke die Diskussion über die „uralte Vergangenheit“ (die gar nicht so lange zurückliegt) zur Selbstverortung, Streit um Mauerbau, Staatssozialismus etc. sind ja nicht nutzlos. Andererseits gewinnt man damit in einer Öffentlichkeit, die an einer differenzierten Diskussion gar nicht interessiert ist, damit keinen Blumentopf. Die Umfragen vor allem in Berlin zeigen es deutlich. Und natürlich wird nun demoskopisch nachgelegt: „70 Prozent der Bundesbürger wollen nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage für Bild am Sonntag, dass die SPD mit einer anderen Partei ein Regierungsbündnis eingeht. Nur 14 Prozent favorisieren eine Koalition mit der Linkspartei. Bei den SPD-Anhängern ist die Ablehnung von Rot-Rot mit 77 Prozent sogar noch größer. Nur 18 Prozent der SPD-Wähler befürworten ein solches Linksbündnis.“

Über die Vorschläge der Linken, also das Fleisch hinter der Parole „Zurück zur Politik“, erfährt man nicht allzu viel. In den Nachrichtenagenturen finden sich dürre Hinweise auf parlamentarische Initiativen in der Sozialpolitik – etwa, dass die Fraktion ein Konzept zur Reform der Krankenversicherung beschlossen habe. Danach sollen alle Einkommen mit einem Beitragssatz von 5,2 Prozent einbezogen werden, was nach den Berechnungen der Linksfraktion alle bisherigen Leistungen der Krankenversicherung inklusive der Pflegeversicherung abdecken würde und dabei sogar die Unternehmen entlasten könnte. Die private Krankenversicherung würde entfallen. Genaueres findet sich unter anderem in einer Studie zur solidarischen Bürgerversicherung, die vor ein paar Tagen von Fachpolitikern der Linksfraktion vorgestellt wurde.

Ebenfalls in Rostock auf der Tagesordnung der Klausur standen die Altersarmut, der die Linke mit der Einführung einer Mindestrente bekommen will, auch die Anhebung des Rentenniveaus und die Aufwertung von Niedriglohnzeiten fordert die Linke. Zudem bekräftigte Gysi, dass seine Partei das Schulsystem, das zur sozialen Ausgrenzung führe, bundeseinheitlich umbauen wollen. Auch die soziale Angleichung zwischen Ost und West sei noch längst nicht vom Tisch. Die Linke müsse „wieder Leidenschaft“ entwickeln, das gelte für die Landtagswahlen im Nordosten und in Berlin aber auch „generell“. Was die Eurokrise angeht, schlug der Fraktionschef drei „mutige Schritte“: die Verringerung der Macht der Großbanken, die Regulierung der Finanzmärkte sowie die Erhebung von Vermögenssteuern. Die Linke lehne eine verkürzte Debatte bei den Hilfspaketen ab und fordere weiterhin eine Sondersitzung des Bundestags. Lafontaine hatte zuvor vor einem Aufstieg von Rechtspopulisten angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise gewarnt. Er „habe die ernsthafte Sorge, dass in Europa die Demokratie ins Rutschen kommt“, warnte der Saarländer – und verwies auf die Geschichte. Eine ihrer Lehren sei, dass die Bevölkerung politisch nach rechts tendiere, wenn eine Mehrheit ökonomisch „abgehängt und verarmt“ werde. Auch hier habe die Linke eine große Verantwortung.

auch auf www.lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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