Mit nichts zitiert: die Linke und ihre Personaldebatte

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Die Linke ist dem Januar offenbar eng verbunden, jedenfalls werden wichtige Personalfragen mit Vorliebe zu Jahresbeginn beantwortet. Weil unter den Genossen die Erinnerung an die Januar-Runde 2010 und ihr Ergebnis noch wach ist, gilt ein im engsten Kreis ausbaldowertes Namenstableau als nicht so gute Lösung – zumal in solchen Verfahren der machtpolitischen Aushandlung die sonst so gern angepriesene Basisdemokratie auf der Strecke zu bleiben droht. Ob nun ein Mitgliederentscheid über die nächste Doppelspitze dieses Problem heilt, oder die Debatte um die Befragung selbst schon instrumentalisiert wird – all das ist derzeit in der Linken umstritten.

Die Diskussion verläuft dabei geteilt. Sie wird in einer Perspektive von unten mit großer Emotionalität geführt, in der ein Dietmar Bartsch entweder zum erhofften Retter der Partei stilisiert oder als ihr reformistischer Totengräber diffamiert wird. Letzteres erscheint häufiger, ohne dass jemand sagen könnte, dass hier ein mehrheitliches Meinungsbild repräsentiert wird. Aber es wird von den Protagonisten stets behauptet, die Wahrheit zu kennen und für die Majorität zu sprechen, gern auch absolute Urteile den Charakter betreffend. Die Neigung zu solcher konfliktbeladenen Eindeutigkeit reicht bis weit in den Apparat hinein, hat Bundestagsabgeordnete befallen und bringt unter den Bedingungen unbegrenzten Onlinemeinungstums selbst ernannte Wahlkämpfer und Claquere hervor. Ihr Vorteil: Sie müssen nur gegen Bartsch sein, nicht für einen eigenen Kandidaten. Im Notfall genügt der Hinweis, Oskar Lafontaine werde aus der Deckung kommen und sein zweites Mannheim zelebrieren.

Noch ist das Verfahren offen

Die Anhänger von Bartsch sind demgegenüber ein wenig im Nachteil. Ihre Werbung für den Mecklenburger ist mit Begrenzungen konfrontiert und steckt in einer Logik, welche in der Partei den Widerspruch erleichtert. Erstens: Wer seinen Hut in den Ring wirft, muss der Meinung sein, es besser zu können als die derzeitigen Amtsinhaber – was sich als unsolidarische Kritik an den Amtsinhabern zurückweisen lässt. zweitens: Da das Verfahren zur Wahl der nächsten Linkenspitze noch offen ist, hängt der Bewerbung von Bartsch zudem diejenige um den Mitgliederentscheid an – was den Vorwurf erleichtert, hier werde die Basis nur gefragt, weil es machtpolitisch in den Kram passt. Drittens hängt Bartschs Bewerbung ein wenig in der Luft, weil es noch keinen echten Gegenkandidaten gibt, sondern nur die mehr oder weniger verstohlene Drohung, der Saarländer werde es notfalls richten. Während der eine so immer aufgefordert ist, seine Kandidatur inhaltlich, politisch zu rechtfertigen, kann der andere im geschützten Hintergrund wirken.

Aus der Perspektive von oben sieht die ganze Personaldiskussion ein wenig anders aus. Nicht klare Linien zwischen Gut und Böse verlaufen hier durch das Bild, sondern widersprüchliche Schleifen des Machtpolitischen. Es werden Kompromisse auf die Bühne geschoben, um ihre Wirkung zu testen. Und es werden Zeitungen mit Informationen bedacht, welche die Debatte in eine Richtung lenken sollen – oder in eine andere.

Der Spiegel berichtet jetzt, beim Treffen in Elgersburg habe Lafontaine „angekündigt, bis Mitte Januar zusammen mit Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi und Heinz Vietze, dem Chef der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung, einen Personalvorschlag für die Vorstandswahl vorlegen zu wollen“. In welcher Runde das angekündigt wurde, darüber lässt sich nur vermuten, jedenfalls können sich Teilnehmer an eine solche Ankündigung nicht erinnern – was keineswegs heißt, dass sie nicht trotzdem, im kleinen Kreis, gefallen ist. Unter Berufung auf eine „führende Genossin“ wird dann folgendes Modell präsentiert: Wenn Bartsch als Vorsitzender, dann Uli Maurer als Bundesgeschäftsführer. Als Frau aus dem Westen habe Dora Heyenn abgesagt, Katharina Schwabedissen noch nicht endgültig. Für Gesine Lötzsch sei ein Übergang auf den Chefposten der Rosa-Luxemburg-Stiftung angedacht. Ein anderes Planspiel macht die Mitteldeutsche auf: Darin wird Bartsch nicht Vorsitzender, es gibt aber „eine personelle Kompensation“: Matthias Höhn, Landeschef in Sachsen-Anhalt, sei als Bundesgeschäftsführer im Gespräch, der Berliner Stefan Liebich „als Parteichef von Lafontaines Gnaden“. Vor ein paar Tagen schon berichtete die Leipziger Volkszeitung, auf der Führungsklausur in Thüringen hätten sich Lafontaine und Gysi gegen eine Kandidatur von Bartsch ausgesprochen – "wer nicht sicher sein könne, in der Partei eine Mehrheit zu erreichen, der solle auf einem Parteitag auch nicht kandidieren", beruft sich das Blatt auf namenlose Teilnehmer. Und errichtet gleich auch noch eine neue Wenn-dann-Bedingung für die Personalsuche: Weil beide Ostdeutsche sind und er selbst auch, würde Gysi angelbich im Falle einer Doppelspitze aus Lötzsch und Bartsch als Fraktionschef zurücktreten – es werde dazu also nie kommen.

Bartsch wundert sich

Was davon wirklich besprochen wurde und was bloß als Spin gedacht ist, ist schwerlich zu unterscheiden. Die Mitteldeutsche übrigens nennt Bartsch einen „Alt-Kommunisten“, ein Hinweis auf dessen Biografie soll das sein, hat aber eher etwas von unfreiwilliger Komik. Bartsch ist gerade von jemandem zum Interview gebeten worden, der zwar auch keiner, den Alt-Kommunisten aber in Wahrheit biografisch näher ist: dem früheren „Revolutionären Kampf“-Mitglied und heutigen Welt-Herausgeber Thomas Schmid. Es geht um die Lage der Linken, die Krise, die Kernkompetenzen, einen „neuen Aufbruch“ und das Ziel, 2013 wieder ein zweistelliges Ergebnis einzufahren. Kinderkrankheiten seien für eine junge Partei normal, sagt Bartsch, und dann noch: Man komme aus dieser Situation „nicht heraus, wenn wir vor allem innerparteiliche Auseinandersetzungen führen. Ich wundere mich schon, dass die eine oder andere aus den alten Ländern in den letzten Jahren bundespolitisch mit nichts zitiert worden ist. Außer mit Äußerungen zu Dietmar Bartsch.“

Genau dieses Argument, nämlich der Vorwurf, keine inhaltlichen Vorschläge zu machen, sondern bloß Personen zu kritisieren, war bisher gern gegen Bartsch in Stellung gebracht worden. Nun liegt es einmal der anderen Seite zur Beantwortung vor. Fortsetzung der Personaldebatte folgt.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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