Nicht nur ein Fall Rüttgers: zum fragwürdigen Parteitags-Sponsoring

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Ein Einzelgespräch mit Jürgen Rüttgers kostet also 6.000 Euro. Für den NRW-Ministerpräsident kommt der Rummel über den Verkauf von Terminen an zahlungskräftige Sponsoren am Rande des CDU-Parteitags Mitte März sicher ungelegen. Die Landtagswahlen stehen an und da liest man als Kandidat so etwas nicht gern. Die Christdemokraten mühen sich, den Fall herunterzukochen: Zwar habe es solche Werbeangebote gegeben, die Briefe würden aber einen „falschen Eindruck“ hinterlassen, Rüttgers kenne die Schreiben außerdem gar nicht. Und am Ende liegt dann alles am „ungeschickten Sprachgebrauch einzelner Mitarbeiter“.

Die Konkurrenz ist dennoch schwer empört. Der CDU-Mann, so Andrea Nahles von der SPD, sei „offensichtlich käuflich“. Die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Landtagswahl, Sylvia Löhrmann, ätzte nicht ganz ohne Grund, hier werde das Amt des Ministerpräsidenten zu Markte getragen. Linksparteivize Klaus Ernst stuft das Rüttgers-Paket als „illegale Parteispende“ ein und fordert ein Gesetz, das derartigen Praktiken einen Riegel vorschiebt. Sponsorenstände auf Parteitagen, und um solche geht es ja, sind durchaus üblich – nicht nur bei der CDU.

Die Liberalen ließen 2003 beim Delegiertentreffen in Bremen zahllose Firmen werben, von der Deutschen Post über EADS, MTU und AOL bis zum Autobauer Audi. Einige Unternehmen seien „schon seit vielen Jahren“ dabei. „Ein Besuch bei den Sponsoren des Parteitages“, werden die Besucher nachdrücklich gebeten, lohne sich auch in diesem Jahr „auf jeden Fall“. Illustriert ist die parteioffizielle Werbung für Werbende mit einem Foto des Besuchs von FDP-Chef Guido Westerwelle am Audi-Stand, „einem der treuesten Unterstützer“ von liberalen Parteitagen. Man fragt sich: Interessiert der Mann sich für Autos?

Beim SPD-Parteitag 2009, von dem die große Erneuerung ihren Ausgang nehmen sollte, waren ebenfalls jede Menge Sponsoren mit an Bord. „In der Ausstellungshalle der MESSE DRESDEN stellen sich während des Bundesparteitages zahlreiche kommerzielle und nicht kommerzielle Aussteller vor.“ Die Liste ist lang: Audi, EADS, der Bundesverband der Deutschen Industrie, die Bertelsmann-Stiftung, Energiekonzerne wie der Atomstromkonzern Vattenfall, die Pharmabranche, Versicherungsfirmen. Man fragt sich, welchen Anteil solcherlei Parteitags-Lobbyismus an Kursentscheidungen wie der Teilprivatisierung der Rente hat?

Bei der Grünen-BDK in Erfurt Ende 2008 waren die Sponsoren „in einer separaten Halle, in der auch das Catering stattfindet“ untergebracht – zum Essen geht jeder irgendwann einmal. Das Pottblog berichtete, „das ganze stößt zum Teil auf Kritik – wenn z.B. der Lobbyverband BDI einen Stand auf dem Parteitag hat, wo doch der BDI nicht wirklich kompatibel mit grünen Positionen ist“. Die gesundheitspolitische Sprecherin Biggi Bender habe seinerzeit erzählt, „dass diverse Delegierte zu ihr kommen würden, da der Apotheken-Verband sich gegen ihre Positionen aussprechen würden und die Delegierten gerne wissen wollen, warum das denn sei. Jedoch gibt es aber auch Sponsoren die sich eher für eine Liberalisierung des Apothekenmarktes aussprechen – und mit diesen Gegensätzen müsse man leben, wenn man einen gesponsorten Parteitag hat.“

Die Frage, ob es überhaupt in Ordnung ist, Lobbygruppen und Unternehmen auf Parteitagen auftreten zu lassen, müsste jetzt in der Debatte eigentlich etwas stärker in den Vordergrund treten. Nicht selten müssen Delegierte und Gäste auf dem Weg zu ihren Plätzen an den Buden der Verbände und Firmen vorbei. Der Informationswert solcher kleinen Messen mag für sich betrachtet das eine sein, dass die am Rande von Veranstaltungen stattfinden, bei denen Parteien ihre Politik festlegen, ist das andere. Beispiel EADS oder MTU, zwei Konzerne, die maßgeblich im Rüstungsgeschäft engagiert sind – was wollen die auf Parteitagen, außer, Delegierte zu einer positiven Einstellung zu bewegen? Ähnliches lässt sich für die Raucherlobby, für private Versicherungskonzerne und so weiter sagen.

Ist das zulässige Werbung in einer Welt der Meinungsfreiheit? Wenn die Voraussetzungen gleich wären, könnte man das womöglich so sehen. Aber wer sich nur einmal die Preise anschaut, die von der CDU in Nordrhein-Westfalen für Sponsoren-Stände verlangt werden, haben zum Beispiel finanzschwache rüstungskritische Gruppen kaum eine Chance. Außerdem könnte beim Sponsoring die Frage der Parteienfinanzierung berührt sein. Angenommen, die Standmieten bei Delegiertentreffen dienen der Finanzierung der sicher nicht sehr preiswerten Veranstaltungen; angenommen auch, es werden dabei Überschüsse erwirtschaftet – bei Paketpreisen von bis zu 20.000 Euro und der üblicherweise großen Zahl von Aufstellern nicht so abwegig: Sind diese Einnahmen in der Vergangenheit von den Parteien rechtmäßig verbucht worden? Was verdienen die möglicherweise zwischengeschalteten Agenturen daran?

Vielleicht werden diese Fragen in den nächsten Tagen noch die Öffentlichkeit beschäftigen. Bisher ist die Kritik meist jedoch auf die angebliche Käuflichkeit des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten beschränkt. Angesichts des Wahlkampfes rückt auch der Koalitionspartner FDP ein paar Zentimeter von der CDU ab. Der liberale Parlamentsgeschäftsführer im Bundestag, Jörg van Essen, hat sich vom Gespräche-Handel distanziert – gleichzeitig aber im Kölner Stadt-Anzeiger das Parteitags-Sponsoring als „eine gute Sache“ bezeichnet. Auch der sonst so parteienkritische Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim sieht zwar im vermeintlichen Gesprächs-Deal einen Fall mit „Geschmäckle“, der „an Korruption“ grenze. „Wenn es zutrifft, dass die Regierung nichts davon gewusst hat und lediglich irgendwelche Parteimitarbeiter sich verkünstelt haben“, sagte Arnim in der Neuen Presse, sei aber „der Fall erledigt“. Eben das ist er nicht.

Nachtrag I: Die Linkspartei in Nordrhein-Westfalen hat, wie jetzt bekannt wurde, ein Angebot des Suchmaschinen-Betreibers Google, auf dem Landesparteitag am kommenden Wochenende einen Stand zu betreiben, abgelehnt. Mehr dazu hier auf lafontaines-linke.de.

Nachtrag II: Die Linksfraktion im Bundestag hat die CDU aufgefordert, ihre Bücher offen zu legen. "Wir wollen wissen, ob auch auf anderen CDU-Parteitagen Gesprächszeiten an Unternehmen verkauft wurden", erklärte Fraktionsvize Gesine Lötzsch.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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