Vickerby für immer

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Gerade war die Presseinladung für die Aufzeichnung der Berliner Runde des ZDF am Donnerstag in den Müll gewandert, da wurde die gefühlte 43 Kandidatenrunde im Fernsehen auch schon wieder abgesagt. Angela Merkel hatte gekniffen und Frank-Walter Steinmeier zog nach. Der SPD-Mann wollte nicht mit dem Unions-Ersatzspieler Christian Wulff diskutieren, worüber die CDU nun wiederum verwundert ist, weil vor früheren Wahlen beim ZDF auch nicht immer die Spitzenkandidaten an den Start gegangen waren. So schiebt sich jeder eine Schuld zu, die gar keine ist. Man muss doch nicht ins Fernsehen – oder ist das jetzt Pflicht? Die von alledem am meisten profitierende Opposition spielt Empörung: Offenbar traue sich das Regierungsduo die offene Auseinandersetzung mit der Opposition nicht zu, frohlockten Guido Westerwelle und Gregor Gysi. ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender sieht gar die demokratische Kultur beschädigt – wo sich doch jeder sofort fragt, ob das nicht viel eher zu beklagen gewesen wäre, hätte die Runde doch stattgefunden. Man hat ja spätestens seit Montagabend ohnehin die Nase voll von Duell, Dreikampf und dergleichen. Und von den immergleichen Kritiken. Die wenigen klugen Anmerkungen zum Stand des politischen Journalismus sind geschrieben (zum Beispiel von Marcus Jauer und Jürgen Kaube in der Frankfurter Allgemeinen). Da braucht es jetzt auch keinen weiteren Beweis. Schlussendlich ist den ZDF-Programmmachern aber noch für ihre kluge Auswahl eines Ersatzes zu gratulieren. Statt der abgesagten Aufsagerei auswendig gelernter Politstanzen wird eine Wiederholung des Lindström-Melodrams Vickerby für immer gesendet. Es ist wie bei der großen Koalition: viele Tränen aber kein Ende in Sicht.

Erschienen zuerst auf lafontaines-linke.de

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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