Zweiter Wahlgang: Rot-Grün und die Linke im NRW-Landtag

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Nun, eine „Überraschung“, wie der WDR meint, war es keineswegs, dass die Kandidatin der Linkspartei bei der Wahl zur Vizepräsidentin des NRW-Landtags einen zweiten Anlauf benötigte. Der Stab über Gunhild Böth war längst gebrochen, und zwar von einer anderen ARD-Anstalt: Der SWR hatte die Lehrerin kurz nach der Wahl im Mai mit knappen Aussagen zur DDR vorgeführt, die Böth nicht „in toto“ als Unrechtsstaat bezeichnen wollte und deren Aufbauleistungen sie „sehr beeindruckend“ fand. Ihre Nominierung zur Landtagsvize stand also unter dem Stern von Report Mainz, und einige in der CDU hatten der „kommunistischen“ Linken ja sogar ganz den Parlamentsposten streitig machen wollen (mehr hier).

Das Scheitern Böths im ersten Wahlgang ist aber dennoch bemerkenswert, aus einem anderen Grund: Auch Abgeordnete von SPD und/oder Grünen müssen sich gegen die 58-Jährige ausgesprochen haben. Jedenfalls, wenn man einmal voraussetzt, dass sie die elf Stimmen der Linksfraktion sicher hatte. Böth kassierte zunächst 87 Nein-Voten (von 180), CDU und FDP kommen aber nur auf 80 Mandate. Der symbolische Tritt einer rot-grünen Minderheit im Landtag, der zu einer ebenso kritischen wie differenzierten Debatte über den Realsozialismus nicht ein Gramm beiträgt, hat so das Zeug, eine mögliche Kooperation zwischen der Linken und der Minderheitsregierung abermals zu erschweren. Und zwar auch in Fällen, wo es nicht um Erich Honecker, sondern zum Beispiel um die Studiengebühren geht.

Im zweiten Wahlgang hat Böth dann die nötige Mehrheit erhalten – kurioser Weise kamen nun sogar mehr Stimmen zusammen, als SPD, Grüne und Linkspartei an Mandaten zählen (100 von 178). Die Geschichte der symbolischen Abstrafungen von Kandidaten, die in späteren Wahlgängen dann doch noch die nötige Stimmenzahl erhalten, ist um eine Episode reicher. Mal sehen, wie lange am Mittwoch Hannelore Kraft braucht, bis sie Ministerpräsidentin ist.

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Geschrieben von

Tom Strohschneider

vom "Blauen" zum "Roten" geworden

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