Nachruf auf ukrainische Menschenrechtlerin

Katastrophe Die Menschenrechtlerin Irina Bereschnaja war als ehemalige Abgeordnete im ganzen Land bekannt

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Am Sonnabend früh kam Irina Bereschnaja, eine 36 Jahre alte Menschenrechtlerin aus Kiew bei einer Autokatastrophe auf dem Weg von Kroatien nach Italien ums Leben. Mit Irina starb der Fahrer des Wagens. Die achtjährige Tochter von Irina, Daniela, kam bei dem Unfall mit leichten Verletzungen davon. Sie überlebte Dank eines Kindersitzes. Wie es zu der Katastrophe kam, ist noch ungeklärt.
Irina war als ehemalige Abgeordnete der Werchowna Rada und nach dem Staatsstreich in Kiew als aktive Oppositionspolitikerin in der Ukraine sehr bekannt. Sie war eine der Symbolfiguren des Widerstandes gegen die Putschregierung.
Für Jelena Bereschna, die Mutter der Toten ist es in diesen Tagen sehr schwer. Sie trauert nicht nur um ihre Tochter. Auf der Facebook-Seite der Mutter gehen stündlich neue Kommentare ukrainischer Nationalisten ein, in denen der Tod von Irina bejubelt wird.
Ich habe Irina zweimal getroffen, einmal in Warschau am Rande einer OSZE-Konferenz. Dort machte ich ein Interview mit der Aktivistin über die durch die Kiewer Regierung verfügte Streichung der Renten für Pensionäre in den selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk (Video / Text). Das zweite Mal traf ich Irina in Moskau, wo wir über den immer stärker werdenden Antisemitismus in der Ukraine sprachen.
Irina stammt aus Lugansk. An der Kiewer Schewtschenko-Universität absolvierte sie eine Ausbildung als Juristin. Ab 2007 war sie Abgeordnete der Partei der Regionen in der Werchowna Rada. Nach dem Staatsstreich in der Ukraine im Februar 2014 machte sich Irina als Menschenrechtlerin einen Namen. Das von Irina und ihrer Mutter Jelena Bereschna gegründete Institut für Rechtspolitik und sozialen Schutz klagte gegen die 2015 von der Kiewer Regierung verfügte Streichung der Renten für die Pensionäre in den selbsternannten Volksrepubliken.
Irina und ihre Mutter klagten vor einem Kiewer Gericht auch gegen die Umbenennung von Kiewer Straßen, welche die Namen der Hitler-Kollaborateure Stepan Bandera und Roman Schuchewitsch tragen sollen. Durch die Sammlung von über 10.000 Unterschriften konnte der Vollzug der Umbenennung vorerst gestoppt werden.
Irina war auch Mitglied der Antifaschistischen Front, welche sich aktiv gegen den in der Ukraine aufkeimenden Antisemitismus engagierte.
Irina gehörte mit zu den Aktivisten, die am 9. Mai 2017 einen Marsch von mehreren Tausend Menschen zum Andenken an den Sieg über den Hitler-Faschismus durch Kiew organisierten.

Der mutmaßliche Unfalltod Bereschnajas hat die Aufmerksamkeit wieder auf einige zweifelhafte Todesfälle gelenkt, die sich seit dem Maidan-Putsch im Umfeld der früheren Regierungspartei ereignet hatten. Das Kiewer Internetportal korrespondent.net stellte aus Anlass des Todes von Irina Bereschnaja eine Liste von hohen Funktionären der "Partei der Regionen" zusammen, die seit 2014 auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen sind.

Ich trauere um Irina und umarme in Gedanken ihre Mutter und Tochter.

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