Sergej Bondartschuk: Ein Menschenschicksal

Film Ein 1959 in der Tauwetter-Zeit entstandener sowjetischer Film über den Zweiten Weltkrieg öffnet einem die Augen über das, was die Bürger der Sowjetunion erlebten

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Welche Wunden der Zweite Weltkrieg gerissen hat, lässt sich heute nur noch erahnen. Steinerne Denkmäler im Berliner Treptow-Park und anderen Orten erinnern an 27 Millionen Tote Sowjetbürger in Folge des deutschen Überfalls.

Doch was verbirgt sich hinter nackten Zahlen und steinernen Denkmälern? Wo sind die Geschichten der Menschen, die diesen Krieg auf russischer Seite überlebt haben? Es gibt Filme, aber im deutschen Fernsehen werden sie nicht und selbst in deutschen Kinos fast nie gezeigt. Warum: Weil viele russische und sowjetische Filme Stalin nicht verdammen. Damit sind sie in Deutschland schon nicht mehr sendefähig.

Doch Hilfe gibt es im Internet. Einer der besten sowjetisch/russischen Filme über den Zweiten Weltkrieg ist aus meiner Sicht "Ein Menschenschicksal" vom sowjetischen Regisseur Sergej Bondartschuk.

Der 1959 veröffentlichte Film - das Debütwerk des Regisseurs - zeigt das Schicksal des sowjetischen Soldaten Andrej Sokolow (gespielt vom Regisseur), der im Krieg seine Familie verliert, selbst in einem deutschen KZ landet, von wo ihm aber die Flucht gelingt. Der Soldat erfährt, dass seine Familie bei einem Bombenangriff im heimatlichen Woronesch umgekommen ist. Und er erfährt, dass sein Sohn als Offizier an der Front kämpft. Doch der Sohn fällt im Mai 1945. Der Soldat erklärt dann einem kleinen, verwaisten Jungen, den er auf einer Straße trifft, er sei sein Vater. Der kleine Junge ist begeistert.

1956 - im Jahr des 20. Parteitages der KPdSU und dem Beginn der Tauwetter-Periode - setzte der sowjetische Schriftsteller Michail Scholochow seinen lang gehegten Wunsch um und schrieb innerhalb von zehn Tagen die Geschichte des Soldaten Andrej Sokolow auf, die er 1946 von einem Fronkämpfer gehört hatte. Scholochow selbst war Kriegskorrespondent.

1959 wurde die Geschichte dann vom sowjetischen Regisseur Sergej Bondartschuk verfilmt. Der Regisseur betrat Neuland. In dem Film sah man sowjetische Soldaten nun nicht mehr nur als Frontkämpfer, sondern auch als Häftlinge eines deutschen KZs in einem deutschen Steinbruch arbeiten. In dem Film gibt es auch eine Szene in einer zerstörten russischen Kirche, die weit entfernt ist von Anti-Religiosität. Doch das ist noch nicht alles. Ein jüdischer Arzt spielt eine der Helden-Rollen.

Menschlichkeit und gegenseitige Hilfe sind die wichtigsten Impulse in dem Film. Selbst bei den deutschen Militärs, die der Regisseur zeigt, gibt es zuweilen noch Spuren von Menschlichkeit.

Wer das Gefühl hat, dass Russland immer mehr hinter eine Mauer von Hass und Nichtwissen verschwindet und wer nichts weiß von sowjetischen Regisseuren, kommt im Dickicht der Russophobie mit "Ein Menschenschicksal" ein Stück voran.

Den Film auf Deutsch findet man im Internet hier.

Auf Russisch – mit Untertiteln auf Englisch, Französisch oder Italienisch - gibt es den Film von Mosfilm remastered hier.

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