SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier spendet seiner Frau eine seiner Nieren und nimmt erst einmal eine Auszeit, bis sich die Renten-Kolik in seiner Partei wieder gelegt hat.
Die SPD will, gegen die Überzeugungen von Steinmeier und Ex-Parteichef Franz Müntefering, die 2009 die schrittweise Anhebung des Rentenalters von 65 auf 67 Jahre auf den Weg gebracht hatten, die Gunst der Stunde nutzen und ein höchst unpopuläres Gesetz, nein, nicht eigentlich abräumen, sondern auf die lange Bank schieben. Nicht 2012, sondern erst ab 2015 soll sich die Lebensarbeitszeit verlängern – vorausgesetzt, bis dahin wäre die Hälfte der über 60-Jährigen in einem versicherungspflichtigen Job untergebracht. Heute sind es knapp ein Viertel. Das durchschnittliche Renteneinstiegsalter liegt bei etwa 63 Jahren, und wer sich früher verrenten lässt, muss Abschläge hinnehmen.
Hält der viel zitierte rückenlahme Dachdecker künftig also nicht durch, werden sich diese Abschläge peu à peu bis 2029 noch einmal erhöhen. Den vor allem für ihre männliche Industrieklientel tätigen Gewerkschaften war dieses Rentenkürzungsprogramm darum immer ein Dorn im Auge, es hat sie ihrer Stammpartei entfremdet. Nun hofft die SPD, diesen Bündnispartner wieder einzusammeln. Flankierend sollen „altersgerechte“ Arbeitsplätze und tarifvertragliche Regelungen den Übergang in den „verdienten Lebensabend“ abfedern.
Nun sind es nicht nur Dachdecker oder Fliesenleger, die frühzeitig von den Baustellen kriechen. Auch die bei Lidl tätige Kassiererin dürfte mit 60 nicht mehr attraktiv genug sein. Die Pflegerinnen in den Altenheimen erzählen, dass sie es schon mit 50 „nicht mehr stemmen“, von den teuer ausgebildeten und prekär beschäftigten Privatdozenten der Republik, zugegeben eine Minderheit, ganz abgesehen. Mit ihren brüchigen Erwerbsbiographien und niedrigen Anwartschaften fallen sie durch den politischen Rost, weil sie im Alter auf Grundsicherung angewiesen sein werden.
Es stimmt schon: Die Alterspyramide verändert sich, doch es wäre hilfreich, dies wertneutral zu formulieren. Sowohl die Rede von der „Überalterung“ als auch die vom zu hebenden „Silberschatz“ (Ursula von der Leyen) wirken diskriminierend. Den absehbaren Fachkräftemangel in der Wirtschaft gibt es wohl auch: Nur sind die „alternden Babyboomer“ nicht so einfach auf dem Arbeitsplätze-Schachbrett zu verschieben wie so mancher Politiker zwischen den Ressorts. Die Rente mit 67 entlastet die Politik jedenfalls nicht davon, die „bildungsferne“ Jugend in vernünftige Jobs zu vermitteln, sonst wird sie in der übernächsten Generation genau den Nachwuchs ernten, den sie doch so gern vermiede. Einen ganz kontraproduktiven Beitrag leisten die Arbeitgeberverbände mit ihrer Forderung nach Urlaubskürzung: Es gibt erheblich intelligentere Lebensarbeitszeit-Modelle.
Darüber nachzudenken, wünschte man auch der SPD. Die gibt sich nun aber basisdemokratisch und diskutiert in Ortsvereinen, um den Rücknahmebeschluss nicht auf ihrem Sonderparteitag festnageln zu müssen. Und dann ist erst mal Auszeit. Wer weiß, ob sie 2015 nicht mit der „Rente mit 70“ hausieren geht. Steinmeier wäre dann noch keine 60 und könnte sicherlich noch zehn Jahre arbeiten.
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