Ein Recht auf Schutz

Häusliche Gewalt Die Finanzierung vieler Frauenhäuser steht Jahr für Jahr neu auf der Kippe. Es ist höchste Zeit, verbindliche Regeln für ihre Ausstattung zu schaffen
Ausgabe 07/2016

Die Macht der Männer ist die Geduld der Frauen, hieß einmal ein berühmt gewordener Film aus den 70er Jahren, als Gewalt gegen Frauen noch als Kavaliersdelikt galt. Die Power der damals entstehenden autonomen Frauenhausbewegung speiste sich aus der Wut, bei den Institutionen weder Gehör noch Schutz zu finden. Im Laufe der Jahrzehnte entstanden bundesweit schließlich rund 350 Frauenhäuser mit 6.800 Plätzen. Und ein eigenes Gewaltschutzgesetz, das Frauen vor männlichen Übergriffen schützen soll.

Doch um die Finanzierung der Frauenhäuser steht es schlechter denn je. Sie sind von der Haushaltslage der Länder abhängig und gedeckelte Tagessätze liegen ihnen zugrunde. Die meisten Einrichtungen jonglieren Jahr für Jahr an der Abbruchkante zur Selbstausbeutung, während gleichzeitig der Bedarf – nicht zuletzt durch von Gewalt bedrohte Flüchtlingsfrauen – steigt. Letztere dürfen, wenn sie keinen sicheren Aufenthaltstitel haben, aufgrund sozialrechtlicher Bestimmungen aber überhaupt nicht aufgenommen werden.

In Berlin stehen den 9.693 Fällen von häuslicher Gewalt (2014) gerade einmal 322 Plätze gegenüber. Rund der Hälfte der bundesweit 20.000 von Gewalt betroffenen Frauen steht kein sicheres Obdach zur Verfügung. Das ist ein Armutszeugnis, denn das Istanbul-Abkommen von 2011 fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, Frauen vor häuslicher Gewalt zu schützen und ihnen Hilfe zukommen zu lassen. Mit einer am 19. Februar startenden Bustour durch 16 Bundesländer machen die Frauenhäuser auf diese Situation aufmerksam.

Um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen, fordert die Linkspartei nun einen Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt, und zwar unabhängig von Herkunftsort oder Aufenthaltstitel. Weil sich die Betroffenen in einer Ausnahmesituation befinden, sollten die Angebote ohne bürokratischen Aufwand nutzbar sein.

Weiter wird der Bund aufgefordert, eine bundeseinheitliche Finanzierung auf die Beine zu stellen, die sich am tatsächlichen Bedarf orientiert. Wenn man will, dass alle Kleinkinder in Kitas gefördert werden, sollte man auch wollen, dass sie und ihre Mütter ausnahmslos vor Gewalt geschützt werden. An diesem Donnerstag debattiert der Bundestag den Antrag. Auf der Agenda müsste aber noch ein anderer Punkt stehen. Nachdem Deutschland bei der genannten EU-Ratskonvention vorgeprescht ist, drückt es sich um deren Ratifizierung. Würde sie ratifiziert, käme die Regierung um verbindliche Regelungen nicht herum.

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Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

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