Neue Omikron-Variante BQ.1.1 und sprunghaft steigende Infektionszahlen

Corona War das Oktoberfest der Startschuss für die Corona-Herbstwelle? Viele Krankenhäuser melden eine Verdoppelung der Fälle auf den Normalstationen. Sorge bereitet ein neuer Immunflüchter, die Omikron-Variante BQ.1.1
Ausgabe 42/2022
Oktoberfest 2022 in München: Brechend volle Bierzelte und keine Corona-Restriktionen
Oktoberfest 2022 in München: Brechend volle Bierzelte und keine Corona-Restriktionen

Foto: Christof Stache/AFP/Getty Images

Wer feiern will, muss büßen. So im katholischen Bayern, wo das Oktoberfest den Startschuss für die Herbst-Coronawelle gab. Nachdem die „Wiesn“ in München dichtmachte, hat sich die Inzidenz vervierfacht, ein Superspreader-Event, so scheint es. Aber auch dort, wo der Oktober nicht so feuchtfröhlich eingeläutet wurde, sind die Infektionszahlen sprunghaft angestiegen, mit dem Saarland an der Spitze. Und so schrillen im ganzen Land wider die Alarmglocken, kaum dass das neue Infektionsschutzgesetz am 1. Oktober in Kraft getreten ist.

Vor allem die Kliniken klagen vor absehbarer Überlastung, die Hospitalisierungsrate, also Krankenhauseinweisungen pro 100.000 Einwohner:innen, stieg auf 12,23. Viele Krankenhäuser melden eine Verdoppelung der Fälle, die allerdings vor allem auf Normalstationen versorgt werden. Dabei ist vielerorts – wie in Berlin – immer noch nicht klar, ob die Covid-19-Infektion der Grund dafür ist oder es sich nur um eine Nebendiagnose handelt. Auch in Pflegeeinrichtungen steigen die Covid-19-Infektionen sprunghaft an.

Immerhin: Die Sterblichkeit ist gesunken, von 4,5 zu Anfang der Pandemie auf 0,1. Schwere Fälle sind eher die Seltenheit, vergangene Woche lag die Zahl der Todesfälle bei 471. Trotzdem ermahnt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Länderkolleg:innen, umgehend Maßnahmen zu ergreifen. Die grüne Berliner Gesundheitssenatorin Ulrike Gote ist ihm umgehend gefolgt und hat angekündigt, dass kommende Woche in allen öffentlichen Innenräumen wieder die Maskenpflicht gilt, möglicherweise auch für Schüler:innen ab der 5. Klasse. Die Koalitionspartner waren überrumpelt, die Opposition ist hell empört: Gote schüre Ängste und Verwirrung und die Maßnahmen entbehrten jeglicher Grundlage. Unterstützung findet Gote bei ihren Kolleg:innen in Brandenburg und Thüringen, die in die gleiche Richtung denken.

Immunflüchter BQ.1.1 bereitet Sorge

Das könnte noch für reichlich Trouble in der Republik sorgen. Denn Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) sieht die von einigen Ländern in den Blick genommene Maskenpflicht äußerst kritisch. Die Zwischenergebnisse der Immunbridge-Studie hätten gezeigt, dass 95 Prozent der Bevölkerung moderat oder sehr gut gegen Covid-19 geschützt seien, erklärte sie am Mittwoch anlässlich von deren Vorstellung. Schutzmasken und regelmäßige Testung an den Schulen hält sie nicht für erforderlich.

Der hinlänglich bekannte Corona-Flickenteppich könnte sich also schon bald wieder in aller Buntheit ausbreiten. Da das Infektionsschutzgesetz keine Grenzwerte mehr nennt, ist es den Ländern überlassen, welche Indizes sie heranziehen, um Maßnahmen zu ergreifen. Welche das sind, wird auch von zwei weiteren Faktoren abhängen. Zum einen ist damit zu rechnen, dass uns in dieser Saison – im Unterschied zu den Vorjahren mit längeren Lockdowns – auch das Grippevirus wieder heimsucht. Wie heftig es zuschlägt, ist noch nicht abzusehen.

Zum anderen bereitet eine neue Mutation der Omikron-Variante mit dem Namen BQ.1.1 Sorge. Der Anteil des „Immunflüchters“, wie man neue Varianten nennt, die sich entwickeln, um den Immunschutz zu unterlaufen, könnte Omikron BA.5 bald verdrängen. Wie infektiös BQ.1.1 ist und welche Ausprägungen der Krankheit es verursacht, kann noch nicht bestimmt werden. Expert:innen gehen aber davon aus, dass der jetzt angepasste Impfstoff auch in diesem Fall vor schweren Verläufen schützt. BQ.1.1. ist nur einer von etwa 300 von der WHO inzwischen identifizierten Subvarianten.

Neue Impfkampagne soll Chaos-Winter verhindern

Der Gesundheitsminister Lauterbach wird deshalb nicht müde, für seine Impfkampagne, die er am heutigen Freitag vorstellt, zu trommeln. Insbesondere die 70 Prozent der über 60-Jährigen, die noch keinen zweiten Booster haben, stehen im Visier. Nicht positioniert hat er sich zur Forderung von Patientenschützern, die kostenlosen Bürgertests wieder einzuführen. 69 Prozent der Deutschen sind nach einer aktuellen Umfrage immerhin für die Beibehaltung der Isolationspflicht.

Wer jedenfalls gehofft hatte, nach der massenhaften, aber glimpflich verlaufenen Corona-Sommerwelle verschwände der Begriff aus den Schlagzeilen und wir könnten uns voll auf Preise, Strom und Gas konzentrieren, wird wohl enttäuscht. Wie dramatisch der Winter wird, hängt auch von der Vorsorge ab, und das beinhaltet, dass das medizinische System gestärkt wird. Ein dritter Chaos-Winter ist den Beschäftigten in den Krankenhäusern und anderen Einrichtungen einfach nicht mehr zuzumuten.

Jetzt schnell sein!

der Freitag digital im Probeabo - für kurze Zeit nur € 2 für 2 Monate!

Geschrieben von

Ulrike Baureithel

Redakteurin „Politik“ (Freie Mitarbeiterin)

Ulrike Baureithel studierte nach ihrer Berufsausbildung Literaturwissenschaft, Geschichte und Soziologie und arbeitete während des Studiums bereits journalistisch. 1990 kam sie nach Berlin zur Volkszeitung, war im November 1990 Mitbegründerin des Freitag und langjährige Redakteurin in verschiedenen Ressorts. Seit 2009 schreibt sie dort als thematische Allrounderin, zuletzt vor allem zuständig für das Pandemiegeschehen. Sie ist außerdem Buchautorin, Lektorin und seit 1997 Lehrbeauftragte am Institut für deutsche Literatur der Humboldt Universität zu Berlin.

Ulrike Baureithel

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen