Strahlende Zukunft?

Anti-Atom-Proteste Die Castor-Proteste waren die erfolgreichsten aller Zeiten. Aber wie will die Bewegung jetzt mit der Endlagerfrage umgehen?

Das waren für die Anti-Atom-Bewegung die erfolgreichsten Castor-Festspiele aller Zeiten. So viele Demonstranten haben sich noch nie an Straße und Schiene im Wendland eingefunden, um gegen die Zwischenlagerung von Atommüll zu protestieren.

Die Medien reagierten ausgesprochen wohlwollend, in den Fernsehnachrichten wurden die Forderungen der Atomkraft­gegner sorgfältig verlesen. Der Versuch, den Widerstand in die Gewalt- und Krawall-Ecke zu schieben, missglückte komplett. Die Anti-Atom-Gemeinde hat die Deutungshoheit über die Gorlebener Ereignisse behalten.

Umweltminister Norbert Röttgens Behauptung, die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke habe nichts mit den seit den neunziger Jahren statt­findenden Transporten zu tun, und die Aktionen seien heuer deshalb fehlgeleitet, ging ihrerseits fehl: Natürlich entfaltet die Lagerung gesteigerte Brisanz, wenn die Menge des Atommülls um ein gutes Viertel vergrößert wird, indem man die Meiler länger laufen lässt. Dass als Reaktion nicht etwa ein Viertel, sondern vier- bis vierzig Mal so viele Menschen zu Protestzwecken anreisten wie sonst, zeigt bloß, wie viele Leute diesen Zusammenhang verstehen.

Billig ist auch der Ansatz mancher Kommentatoren, die Castor-Gegner mit den Stuttgart21-Gegnern und allen möglichen Schulreformgegnern in einen Sack zu stecken und zu behaupten, die Deutschen seien leider undifferenziert wütend. Der Vorwurf bezeugt nichts als Angst vor allem, was sich bewegt. Eine neue Demokratietheorie verfasst man so nicht.

Trotzdem bleibt die Frage: Und jetzt? Es ist immer reichlich wohlfeil, die Menschen, die gerade erst ihre von Wasserwerfern durchnässten Klamotten zum Trocknen aufgehängt haben, zur sofortigen Weiter­rettung der Welt aufzufordern. Doch ist es ja auch für die Beteiligten ernüchternd dabei zuzuschauen, wie die Laufzeitverlängerung nun ihren vermeintlich geordneten Gang über Berlin nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht nehmen wird.

Ob die bevorstehenden Transporte aus Ahaus nach Russland die gleichen Wellen schlagen werden wie das Thema Gorleben? Der letzte Castor-Transport aus La Hague ins Wendland ist für 2011 geplant, der wieder aufbereitete deutsche Atommüll aus Sellafield soll frühestens 2014 anrollen. Wenn keine Castoren mehr kommen, braucht die Bewegung einen neuen Aufregungspunkt. Sollte dies ein Endlager in Gorleben sein – wie es die Regierung plant – so sind die Reiserouten und Übernachtungsmöglichkeiten allen Interessierten schon vertraut. Zieht sich die End­lagersuche hin, wird das Atommüllproblem zwar weiterhin größer, doch fehlt dann der Ort für so ausdrucksvolle Aktionstage wie diese Woche.

Die Frage ist auch offen, ob die Anti-Atom-Bewegung jedwedes Endlager zu verhindern suchen würde, oder ob es ein Auswahlverfahren gäbe, mit dem sie sich arrangieren könnte. Es war ja vielleicht doch kein so großer Zufall, dass das rot-grüne Gesetz zur Endlagersuche 2005 so knapp vor der Wahl kam, dass der damalige Umweltminister Jürgen Trittin keinen Dialog mit Atomkraftgegnern oder betroffenen Anwohnern darüber mehr suchen musste. Die Behelfs-Zwischenlager an den Kraftwerken weiter überquellen zu lassen, klingt jedenfalls nach einer wenig überzeugenden Lösung.

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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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