Widersprüchliche Botschaften

Grüne Das Wahlergebnis in Baden-Württemberg verwirrt linke wie Realo-Grüne: Eine Empfehlung für Schwarz-Grün im Bund 2013 ist es nicht unbedingt. Was aber dann?

Bester Freund der linken Grünen war seit langer Zeit die Wählerwanderung, genauer: die Wählerwanderungs-Statistik. Sie gibt Aufschluss darüber, welche Partei welcher anderen Partei die Wähler weggenommen hat. Bei aller gebotenen Distanz zum Umfragewesen sagte die Wählerwanderungs-Statistik zuletzt noch stets: Die Grünen ziehen die meisten Stimmen bei der SPD ab, und wenn nicht von der SPD selbst, dann doch aus dem Teil des Nichtwählerlagers, der früher SPD gewählt hat.

Das war für linke Grüne eine große Erleichterung. Denn parallel zur programmatischen Linksverschiebung seit 2005 wurden doch die Realos immer lauter, die meinten, man müsse sich nach rechts, zu Union und FDP hin öffnen. Auch dort gebe es Wähler zu erjagen. Könnt ihr vergessen, schienen dagegen die Zahlen zu bedeuten: Unsere Klientel ist und bleibt Rot-Grün, steckt euch euer Schwarz-Grün sonstwohin – auf, auf, in den nächsten Lagerwahlkampf!

Doch hat die Landtagswahl in Baden-Württemberg auch dieser Analyse den Boden entzogen: Zwar standen zur Landtagswahl deutliche Alternativen zur Auswahl und gelang es beiden Lagern, ihre Klientel zu mobilisieren. Zugleich aber konnten die Grünen von Union und FDP zusammen sogar etwas mehr Stimmen herüberziehen als von der SPD. Um ein Rekordergebnis wie in Baden-Württemberg zu erzielen, müssen die Grünen demnach offenbar erstens polarisieren und deutlich machen, dass nur die SPD im Zweifel mit der CDU zusammenginge. Zweitens aber müssen sie für Konservative und Liberale so attraktiv sein, dass sie die Modernisierungsbefürworter unter ihnen herüberlocken, solche, die Hardliner wie Stefan Mappus nicht mehr mögen.

Dies freilich ist ein Rezept, nach dem sich der kommende Bundestagswahlkampf kaum zubereiten lassen wird. Jedenfalls nicht dann, wenn Angela Merkel, Philipp Rösler und all die anderen neuen Atomgegner bei Union und FDP sich durchsetzen und die Parteiprofile mit dem Weichzeichner bearbeiten. Da können sich dann linke wie Realo-Grüne noch so sehr anstrengen – zur Polarisierung braucht es halt immer zwei. Es klingt nicht von ungefähr ein wenig verunsichert, wenn ein Trüppchen junger Linksgrüner in einem Strategiepapier nun schreibt, das Heil der Grünen bestehe darin, dass sie „immer mehr zum zentralen Gegen­spieler zur CDU“ werden „und von dieser Frontstellung profitieren“ würden.

Doch auch die Schwarz-Grün-Fans im Realo-Flügel werden es nicht leicht haben, ihre Präferenz in Politik zu verwandeln: Das schmähliche Ende der Regierungsbeteiligung in Hamburg steckt noch allen in den Knochen. Und sollten die Neu-Regierungsgrünen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz nun bald beginnen, ihre Wähler wieder zu verprellen – bei Stuttgart 21 bahnt sich ein Debakel mindestens vom Ausmaß der Hamburger Schulreform an –, wird sich aus Realosicht schwerlich argumentieren lassen, mit den Schwarzen wäre das nicht passiert.

Insofern sind die aktuellen Verwerfungen bei den Grünen keinem echten Flügelstreit zu verdanken. Vielmehr hadern beide Parteiflügel mit der widersprüchlichen Botschaft des Südwest-Wahlergebnisses. Ihr Trost dabei: Allen Grünen ist klar, dass ein Streit um die Kanzlerkandidatur dieses Problem zuletzt behebt.

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Geschrieben von

Ulrike Winkelmann

Ressortleiterin Politik

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