Berliner Arbeitsverweigerer

Ehegattensplitting Früher wurde bisweilen Halbgares beschlossen und vom Verfassungsgericht gekippt. Beim Steuerrecht für Homosexuelle wartet Merkel jetzt lieber gleich auf Karlsruhe
Signalrot regiert
Signalrot regiert

Foto: Ralph Orlowski / Getty Images

Wir haben eine neue Regierung. Sie sitzt in Karlsruhe und trägt die Signalfarbe rot. Alle Geschäfte sind ihr hiermit bis auf weiteres übertragen. Denn die eigentliche Regierung, also die nach dem im Grundgesetz vorgesehenen Procedere demokratisch bestimmte, verweigert die Arbeit.

Früher wurde von Bundesregierungen und ihren Parlamentsmehrheiten bisweilen Halbgares beschlossen, das die Verfassungsrichter anschließend schredderten. Das war so bei der Vorratsdatenspeicherung, beim Wahlrecht (zwei Mal). Jetzt werden in Berlin wichtige Fragen erst gar nicht entschieden, sondern man wartet lieber gleich auf die Direktiven aus Karlsruhe.

Das fiel schon bei den Hartz-IV-Sätzen für Kinder auf, die das Gericht absolut erwartbar im September 2010 über den Haufen warf. Und so war es zuletzt wieder bei den Leistungen für Asylbewerber, deren Verfassungswidrigkeit nach knapp zwei Jahrzehnten ohne Erhöhung selbst für Laien nahe lag.

Wer braucht schon so einen Stress?

Man hätte handeln können und tun, was das Grundgesetz fordert. Aber wer will sich diesen Stress schon antun? Umverteilungsdebatten führen? Oder ideologische Gefechte über soziale Gerechtigkeit?

Genau so geht es nun weiter mit der Neuregelung des Ehegattensplittings und der Gleichstellung Homosexueller. Es erscheine sinnvoll, die für 2013 in Aussicht gestellte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dazu abzuwarten, ließ Bundeskanzlerin Angela Merkel ausrichten. Denn Juristen hätten dazu unterschiedliche Auffassungen, und das müsse erst geklärt werden.

Unterschiedliche Auffassungen haben aber vor allem die schwarz-gelben Koalitionäre, deren letzte konservative Ausläufer im Grunde die ganze Idee einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft abwegig finden. Und dann geht es natürlich noch ums Geld. Gewährte man Lesben und Schwulen dieselben Vorteile wie heterosexuellen Ehepaaren, würde das ein (kleines) Loch in die Staatskasse reißen. Dächte man den logischen nächsten Schritt und schaffte das bisherige Splitting ab – so etwas Großes, jetzt noch, nur ein Jahr vor der Bundestagswahl? Och nee. Karlsruhe, das mach’ mal lieber du.

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Geschrieben von

Verena Schmitt-Roschmann

Verena Schmitt-Roschmann ist Ressortleiterin Politik des Freitag.

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