11/8 – Tag der Entscheidung

US-Präsidentschaftswahl Am 08.11 ist es soweit. Danach steht fest, wer der/die neue Präsident(in) der USA sein wird. Eine Bestandsaufnahme.

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Ausgangslage

Bislang hat kein Wahlkampf in den USA die Gemüter im In- und Ausland so erhitzt, wie die Wahl zum(r) 45. Präsident(in) der USA. Schon allein die Kandidatenkür, vor allem bei den Republikanern hatte bizarre Züge. Aber auch bei den Demokraten hatte Hillary Clinton mehr Mühe, sich gegen Bernie Sanders durchzusetzen, als man zunächst erwarten konnte. Was verbindet die beiden Kandidaten Clinton und Trump? Es ist ihre Unbeliebtheit bei den Wahlbürgern, wenn man den Medien Glauben schenken kann. Aber es ist mehr als nur die Unbeliebtheitswerte. Beide Kandidaten sind steinreich, gewiss Trump ist Milliardär, die Clintons sind nur Multimillionäre. Dann hören die Gemeinsamkeiten aber schon auf, bis auf die Tatsache, dass beide ins Weiße Haus wollen. Das liegt jedoch in der Natur der Sache.

Wer ist Donald Trump?

Donald Trump ist zunächst einmal das Kind reicher Eltern, einer Bauunternehmerfamilie mit deutschen Wurzeln. Er ist, wie man so schön sagt, mit einem goldenen Löffel geboren worden. Geschenkt wurde ihm aber offenbar nichts. Er wurde auf die Militärakademie Cornwall- on- Hudson im Bundesstaat New York geschickt, einem Privatinternat mit paramilitärischer Ausrichtung und einer Kaderschmiede für junge Amerikaner. Dort absolvierte er den High-School-Abschluss und fiel durch herausragende sportliche Leistungen auf. Er war der Kapitän des Football-, Basketball- und Baseball-Teams. Trump studierte anschließend Wirtschaftswissenschaften an der Fordham University sowie an der Warton School in Philadelphia. Man kann also durchaus festhalten, dass Trump ein Leader-Typ ist und gleichzeitig diszipliniert auftritt. Er raucht nicht und lehnt Alkohol strikt ab. Gleichzeitig hat er Problem damit, zu verlieren. Er ist ein Winner-Typ, dem wohl von seinem Vater eingeimpft wurde, dass die Familie und damit auch er den anderen genetisch überlegen ist. Das sind rassistische Grundzüge, die er auch in seinen Wahlkampfreden zum Ausdruck bringt.

Auch medial ist Trump vor seinem Wahlkampf in 2015/16 in Erscheinung getreten. Neben diversen Fernsehauftritten ist insbesondere die Sendung „Apprentice“ zu nennen, einer Casting-Show, in der am Ende der Gewinner in seiner Unternehmensgruppe beschäftigt wurde, für wie lange auch immer. In dieser Sendung hat sich Trump das Rüstzeug für seine heutigen Wahlkampfauftritte geholt. Trump ist aber auch ein Naturtalent. Trump spielt nicht Trump, er muss sich also nicht verstellen und wirkt dadurch authentisch.

Wer ist Hillary Clinton?

Hillary Clinton entstammt der US-amerikanischen Mittelschicht. Ihr Vater besaß eine Textildruckerei. Sie ist Methodistin, Teil einer evangikalen Glaubensrichtung. Sie war in ihren Jugendjahren dort aktiv tätig. Nach ihrem High-School Abschluss, ging sie auf das Wellesley College und studierte Politikwissenschaft mit dem Nebenfach Psychologie. Sie war nicht immer eine Demokratin, sondern war für die republikanische Kongresspartei tätig, obwohl sie dazu gedrängt werden musste. Sie nahm auch u.a eine kritische Haltung zum Vietnam-Krieg ein. Man könnte auch sagen, Hillary ist dem Verstand nach ein Konservative und vom Herzen linksliberal“. So jedenfalls beschrieb sie ihr Biograph Carl Bernstein. Interessant ist auch, dass H. Clinton einmal Astronautin werden wollte, bei der NASA aber abgelehnt wurde.

Nach ihrem Bachelor-Abschluss studierte sie Jura an der renommierten Yale-University. Dort machte sie sich auch einen Namen für die Wahrnehmung von Kinderrechten. In Yale lernte sie auch ihren späteren Ehemann Bill kennen. Er hatte das, was sie nicht hatte, diese Leichtigkeit, Menschen für sich zu begeistern. Gleichwohl hat sie die politische Karriere ihres Ehemanns bis hin zum US-Präsidenten maßgeblich mit beeinflusst. Viele sagen, sie wäre das Hirn des politischen Aufstiegs ihres Mannes gewesen. Die Frage, die sich stellt, was war dann ihr Mann?

Die politischen Ambitionen Hillary Clintons wurden in dem Maße stärker, wie ihr Mann, bedingt auch durch seine Eskapaden, schwächer wurde. Als die Präsidentschaft von Bill Clinton endete, war für sie klar, dass sie nun eigenständige politische Ziele verfolgen wollte. Das war der Deal zwischen ihr und ihrem Ehemann: „Ich verzeihe Dir deine Eskapaden und Du, lieber Bill, hilfst mir bei meiner eigenen politischen Karriere“. Sie stieg zur Senatorin von New York auf und war nun endgültig in der politischen Elite angelangt.

Ihr erster Anlauf auf das Präsidentenamt in 2008 scheiterte an der Person Barack Obama, der die Vorwahlen gegen sie gewann und anschließend in das Weiße Haus einzog. Obama machte sie zur Außenministerin, weil sie auch dafür bekannt ist, dass sie sich akribisch auf eine Aufgabe vorbereitet. Sie ist eine Intellektuelle mit dem Charme einer Königskobra. Bei öffentlichen Auftritten wirkt sie nicht locker, ja geradezu verkrampft. Ihr Lachen gefriert zu einer Maske, das spüren die Leute.

Der Wahlkampf – schmutziger denn je?

Der Wahlkampf zwischen Clinton und Trump verlief wie erwartet. Trump setzt auf die Emotionen seiner Wähler, Hillary auf deren Verstand und Vernunft. Der Wahlkampf ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, die zerrissener nicht sein könnte. Auf der einen Seite die Abgehängten, Enttäuschten oder Frustrierten, die ihren politischen Vertretern alles zutrauen, nur nicht die Interessen ihrer Wähler zu verfolgen, auf der anderen Seite das Establishment, das sich die Taschen vollmacht und sich einen Dreck darum schert, wie es vielen US-Amerikanern heute geht. Diese Wut kanalisiert Donald Trump. Er intoniert „I am your voice”. Der Wahlspruch „(Let`s) make Amerika great again" spricht ihnen aus der Seele. "Wer sich auf meine Seite schlägt, gewinnt immer“, so einfach ist seine Botschaft. Diese Botschaft verfängt vor allem bei den Leuten, die wirtschaftlich abgehängt sind oder sich so fühlen, der amerikanischen, überwiegend weißen Mittelschicht.

Der amerikanische Traum, dass man es vom Tellerwäscher zum Millionär schaffen kann, ist bei diesen Menschen allgegenwärtig. Dabei geht gar es nicht darum, ob man es wirklich zum Millionär schafft, sondern es geht darum, dass man eine faire Chance bekommt, es zu schaffen. Die Zementierung ihrer Lebensumstände macht den Wutbürgern und Enttäuschten zu schaffen. Sie haben den Eindruck, dass keine Veränderung zum Positiven mehr möglich ist, weil das politische Establishment diese Möglichkeiten zum eigenen Vorteil blockiert. Das betrifft im Übrigen sowohl die republikanische wie auch die demokratische Partei. Deshalb konnte Trump auch bei seinen innerparteilichen Kontrahenten punkten, weil sie allesamt aus dem Politikestablishment stammten. Dabei spielt es keine Rolle, ob Trump lügt, beleidigt oder sexistisch auftritt bzw. keine zukunftsweisenden politische Konzepte aufzeigt. Trump bricht alle Tabus, polarisiert, was das Zeug hält und das mit einem messerscharfen politischen Kalkül. Er konnte ja jahrelang üben, wie das Spiel mit den Medien geführt werden muss, um erfolgreich zu sein. Und die Medien sind darauf eingestiegen, in welcher Rolle auch immer.

Hillary Clinton dagegen setzt auf ihre politische Erfahrung, die sie zweifellos gesammelt hat. Es kann doch nicht angehen, dass einem Mann wie Donald Trump die Atomcodes anvertraut werden. Vielleicht setzt sie auch auf den Frauenfaktor, weil Trump das absolute Gegenmodell darstellt. Aber sie nimmt die Menschen nicht mit, auf viele wirkt ihr Verhalten aufgesetzt und abgehoben. Michelle Obama ist jetzt zu ihrer wichtigsten Wahlkampfhelferin geworden. Ob es H. Clinton wirklich hilft, sei dahingestellt, M. Obama steht nicht zur Wahl.

Wer gewinnt?

Aus meiner Sicht ist momentan sehr schwer einzuschätzen, wer die Nase am Ende vorne haben wird. Für H. Clinton spricht, dass sie in allen 3 Fernsehduellen besser abschnitt als ihr Kontrahent. Die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, weil die Medienlandschaft überwiegend zu Clinton tendiert. Die e-Mail Affäre macht H. Clinton erheblich zu schaffen, zumal jetzt der FBI-Chef die Ermittlungen gegen sie wieder aufgenommen hat. Das wird Clinton auf den letzten Metern Stimmen kosten. Aber auch die Geschäftsbeziehungen bzw. Geldquellen der Clinton Stiftung sind zumindest fragwürdig und verstärken auch bei unentschiedenen Wählern das Gefühl, dass H. Clinton käuflich ist.

Trump wiederum positioniert sich als erfolgreicher Geschäftsmann, der zwar über Leichen geht, mit seinen Spielcasinoaktivitäten Millionen in den Sand gesetzt hat, jetzt aber ein Hochhaus nach dem anderen hochzieht. Interessant ist, dass selbst ein Obdachloser Trump bewundert, weil Trump es geschafft hat. In den USA ist der Neid auf die Besserverdienenden oder Superreichen weit weniger ausgeprägt als in Europa oder gar in Deutschland. Trumps Äußerung, die Wahl u.U. anzufechten, wenn er nicht gewinnt, ist nicht ernst zu nehmen. Es reicht ja schon, wenn seine Wählerschaft an eine Wahlfälschung glaubt.

Entscheidend bei jeder US-Präsidentschaftswahl ist das Stimmverhalten der so genannten swing-states, also dort, wo nicht klar ist, welcher Kandidat sämtliche Wahlmänner- und -frauen hinter sich bringen kann. Wenn es Trump gelingt, die Wahlbeteiligung signifikant zu erhöhen, dann wird er das Rennen machen. In der Wahlkampfveranstaltung von Trump sieht man immer wieder das Plakat „the silent majority stands behind Trump“. Da ist viel Wahres dran.

Nach meinem Dafürhalten ist das Rennen noch lange nicht gelaufen. Auch die deutsche Presse, die ja das Rennen zugunsten von Clinton schon als gelaufen bezeichnet hat, ist jetzt doch erheblich vorsichtiger geworden. Die Chefredakteure diverser Zeitungen werden die Direktive an ihre Redaktion herausgegeben haben, sich auf beide Szenarien entsprechend vorzubereiten.

Egal, wie die Wahl ausgehen wird, zurück bleibt eine zutiefst gespaltene Gesellschaft, die sich noch weiter polarisieren wird, weil der neoliberale Zeitgeist diese US-amerikanische Gesellschaft von innen heraus auffrisst. Beide Kandidaten haben für mich nicht das Zeug, eine Aussöhnung zwischen den Lagern zu bewerkstelligen. Das macht die USA unberechenbar im Hinblick auf ihre Außenpolitik, weil innenpolitische Konflikte allzu gerne außenpolitisch kompensiert werden, um von den eigentlichen Problemen abzulenken. Wenn es stimmt, dass einige Vermögende bereits ihre Koffer gepackt haben, um bei einem Bürgerkrieg das Land zu verlassen, dann lässt dies tief blicken.

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