Grundkurs: Arme-Leute-Küche (4)

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Heute: HÜHNERBRÜHE OHNE WÜRFEL

In vorigen Folgen empfahl ich Würfel, wenn von Hühnerbrühe die Rede war. Fürs alltägliche Kochen verwende ich sie, aber wenn es mal feiner sein soll, kaufe ich ein dickes Huhn und ziehe ganz langsam eine Brühe. Zuerst tranchiere ich die Brustfilets und die kompletten Keulen. Die stelle ich beiseite, sie reichen für ein gutes Essen. Oder ich friere sie ein für demnächst.

Den Rest vom Huhn zerteile ich in größere Stücke, zerhacke die Knochen mit einem Küchenbeil aus dem Asialaden für sechs Euro. Ein großes schweres Messer tut's auch, aber so oder so macht das viel Lärm und Spaß, Knochensplitter fliegen durch die Küche.

Unverdrossen erhitze ich einen großen Kochtopf, trocken, ohne alles, und gebe mit den Schnittflächen nach unten eine quer halbierte Zwiebel hinein, das zischt, die Zwiebelhälften wackeln, sie piepsen unterm Hitzeschock. Sind sie nach einigen Minuten braun geröstet, nehme ich aus dem Topf*, gebe ich das massakrierte Huhn hinein und sofort drei oder vier Liter kaltes Wasser. Die Zwiebel ist wichtig, beim langsamen Anrösten mit höchsten mittlerer Hitze entsteht die berühmte Maillard-Reaktion. (de.wikipedia.org/wiki/Maillard-Reaktion)

Trainieren Sie Ihre Geduld. Schalten Sie die Hitze ganz nach unten. Sie brauchen kein Salz, zunächst keine Kräuter oder Wurzelgemüse, gar nichts, nur Geduld. Es dauert lange, bis alles nur ganz schwach köchelt. So ist es gut. Zwei Stunden, oder drei. Eine Brühe, ein Fond, braucht Zeit. Das ist slow food. Wählen Sie danach unter einer Auswahl von Möhren, Knoblauch, Porree, Sellerie, Knoblauch, Lorbeer, Rosmarin, Thymian, frischem Ingwer, Zitronengras, Petersiliestängeln, Pfefferkörnern..., zerstückeln diese Auswahl und lassen Sie die in den Topf gleiten. Wenn es wieder köchelt, braucht es mindestens noch eine Stunde, bei geringster Hitze. Bei mir sind es über Nacht zehn und mehr Stunden, mit leichter Unruhe, es könnte ja was anbrennen.

Nun alles durch ein großes Sieb gießen, besonders fein: legen Sie das Sieb mit einem baumwollenen Küchentuch** aus. So erhalten Sie eine köstliche goldene Hühnerbrühe, die es in dieser Qualität nirgendwo zu kaufen gibt. Ober mit ohne Tuch, diese Brühe ist Ihr Original. Wird sie kalt, geliert sie. Profis reduzieren sie, lassen sie weiter einkochen. Sie wollen den Extrakt. Der gemeine Kochbuchautor will die Brühe entfettet sehen, ich nicht. Fett ist ein Transporteur von Geschmack.

Frieren Sie die Brühe oder ihren Extrakt in Eiswürfelbehältern ein, geben Sie die gefrorenen Würfel in Tiefkühlkochbeutel und bedienen Sie sich nach Bedarf. Immer dann, wenn in Rezepten von Hühner- oder allgemein von Fleischbrühe die Rede ist, bei Risotto, feinen Suppen, Paella, Eintöpfen.

*Die braunen Zwiebelhälften sah ich offen rumliegen auf Fensterbänken der École Supérieure de Cuisine Française (ESCF) in Paris, einer der besten Kochschulen der Welt. Man benutzt sie dort zum Nachwürzen, wenn ein feines Gericht etwas zu fade geriet und kommen bei Bedarf mal kurz mit in die Suppe.
**Beim Waschen von Küchentüchern generell auf Weichspüler verzichten.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

weinsztein

Journalist. Lebt vorwiegend an der türkischen Ägäis. Guckt auf griechische Inseln. Kocht gern.

weinsztein

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